Landtagswahlen in Bayern 2023

Landtagswahlen in Bayern 2023

Prof. Dr. Ursula Münch im Interview

Von  Gloria Grünwald (Interview) | Miriam Fischer (Artikel)
Wir haben mit der renommierten Politikwissenschaftlerin Prof. Dr. Ursula Münch über aktuelle Umfragen, dominierende Themen und mögliche Koalitionen gesprochen.

Am Sonntag wird in Bayern gewählt

  • Prof. Dr. Ursula Münch
    Das komplette Gespräch zum Anhören
  • Der Unterschied zwischen Erst- und Zweitstimme


Aktuelle Prognosen zur Landtagswahl in Bayern

Prof. Dr. Ursula Münch ist Politikwissenschaftlerin und Direktorin der Akademie für Politische Bildung in Tutzing am Starnberger See. Die Akademie arbeitet zwar neutral und überparteilich, trotzdem hat Prof. Dr. Ursula Münch bei der Kundgebung "Zammreißen! Bayern gegen Rechts" am Mittwoch in München gesprochen. Das ist für sie aber auch kein Widerspruch, wie sie erklärt:

"Die Akademie kann und darf und will nicht neutral sein gegen Extremismus. Und ich habe bei der Kundgebung [...] auch darauf hingewiesen, mir geht es nicht gegen Rechts, ich finde auch nicht, dass man 'einen Kampf gegen Rechts' - in Anführungszeichen - führen sollte, ich finde Positionen rechts der Mitte völlig legitim [...]. Was ich nicht legitim finde, ist Extremismus, Rassismus, Antisemitismus. Und deshalb, weil ich der Auffassung bin, dass wir die Leute aufmerksam machen müssen, dass das zu weit geht - gerade auch was die AfD vertritt - aus dem Grund habe ich an dieser Kundgebung teilgenommen." - Prof. Dr. Ursula Münch


Mit Blick auf die AfD haben viele Menschen Sorgen vor dem Wahlergebnis am Sonntag

Entgegen früheren Prognosen, bei denen die AfD teilweise auf 22 Prozent und die Freien Wähler auf gerade mal drei Prozent gekommen sind, schaut es aktuell doch wieder etwas anders aus: bei der letzten Sonntagsumfrage kam die AfD auf 16 Prozent und die Freien Wähler auf fünf. Damit wäre eine Koalition zwischen Freien Wählern und CSU doch wieder möglich - trotz der Aiwanger-Affäre. 

Denn Aiwanger ist während der ganzen Debatte dabei geblieben, dass er selbst das antisemitische Flugblatt nur bei sich getragen, nicht aber selbst geschrieben hat. So hat er es den Sympathiesant*innen der Freien Wähler leicht gemacht, sich solidarisch zu zeigen, erklärt Prof. Dr. Ursula Münch. Hinzukommt, dass Aiwanger und die Freien Wähler das Ganze als Medienkampagne abgetan haben, ganz nach dem Narrativ "die da oben gegen uns hier unten". Das ist äußerst problematisch, betont Prof. Dr. Ursula Münch.

"Das finde ich problematisch, dieses "Wir gegen ihr", das ist eine typische Argumentationsweise von Populisten. Meines Erachtens besorgniserregend." - Prof. Dr. Ursula Münch

Laut Prof. Dr. Ursula Münch ist eine Koalition zwischen CSU und Freien Wählern deshalb aber trotz Aiwangers Vergangenheit sehr viel wahrscheinlicher, als eine Zusammenarbeit mit den Grünen.

"Ich gehe jetzt mal davon aus, dass es tatsächlich die Koalition mit den Freien Wählern wird, weil die eigentlich einfacher ist für die CSU, da muss man nicht von der eigenen Konservativen Ausrichtung der CSU Zugeständnisse an die Grünen machen. Und vor allem ist eben der Vorteil für Söder und für die CSU, dass man weiterhin dabei bleiben kann, dass alle Probleme vor allem von der Ampelregierung in Berlin verursacht werden." - Prof. Dr. Ursula Münch

Aber natürlich weiß man nicht, wie die Koalitionsgespräche zwischen CSU und Freien Wählern verlaufen. Insofern gibt es zumindest eine kleine  - wenn auch sehr unwahrscheinliche - Restmöglichkeit auf eine Koalition zwischen CSU und Grünen. Wir haben auch schon bei der Bundestagswahl 2021 mit Prof. Dr. Ursula Münch gesprochen, das komplette Interview von damals findest du hier.

Zentrale Themen der Landtagswahl

Sowohl in Bayern, als auch in Hessen, kann man beobachten, dass die eigentlich typischen Landespolitischen Themen gar keine so große Rolle spielen. Letztendlich geht es oft darum, wie schlecht die Ampelregierung in Berlin arbeite - was die Ampelregierung bereits erreicht hat, und dass die Union fast genauso zerstritten ist wie die Ampelregierung selbst, das kommt nicht zur Sprache, merkt Prof. Dr. Ursula Münch an. Und vor allem die AfD landet immer wieder - egal von welchem Ausgangspunkt - beim Thema Migration.  


Hast du schon per Briefwahl gewählt oder fällt deine Entscheidung erst am Sonntag im Wahllokal? Für Unentschlossene haben wir uns die Wahlprogramme der Parteien mal näher angeschaut. Einen Überblick was die großen Parteien zu den Themen Umwelt, Pflege, Migration und Wohnen sagen, bekommst du hier.


Die Ergebnisse der U18-Wahl

Entgegen der Annahme, dass junge Menschen eher linksgrün eingestellt sind, landete die AfD bei der U18-Wahl mit 14,9 Prozent an zweiter Stelle, nach der CSU mit 26,1 Prozent. Die Grünen kamen lediglich auf 13,3 und die SPD auf auf 13,7 Prozent. Auch wenn die U18 Wahl keine repräsentative Umfrage, hat Prof. Dr. Ursula Münch das Ergebnis überrascht. 

Wer also wählt die AfD?

"Was wir wissen aus der Wahlforschung ist, die Älteren, [...], mein Jahrgang [1961] und die noch Älteren, die wählen deutlich seltener die AfD. Wir sind noch im klassischen Dreiparteiensystem sozialisiert, haben uns dann irgendwann mal an die Grünen gewöhnt. [...] Mein Jahrgang und die Älteren sind relativ wenig anfällig für die AfD." - Prof. Dr. Ursula Münch

Vor allem die mittlere Generationen - und da vor allem die Männer - entwickeln Sympathien für die AfD.

"Aus Ostdeutschland wissen wir, dass auch die jungen Männer - gerade in Ostdeutschland - Sympathien entwickeln für die AfD, weil sie sagen und weil sie den Eindruck haben, um uns kümmern [sie] sich zu wenig, wir leben in infrastrukturschwachen Gegenden, schlechte Arbeitsmarktchancen, die jungen Frauen sind besser ausgebildet, sind längst in die großen Städte abgezogen. Da ist auch ein bisschen Frust mit dabei und so erklären mir's auch die Landräte in Bayern [...] - gerade die jungen Männer seien frustriert und würden jetzt vielleicht auch so ein bisschen aus Protest ihren Frust anscheinend bei der AfD einbringen als Stimmen." - Prof. Dr. Ursula Münch

Über die Ergebnisse der U18 Wahl haben wir auch mit Kerry Hoppe und Franz Märt von Vote16 gesprochen, sie setzen sich dafür ein, dass das Wahlalter in Bayern auf 16 herabgesetzt wird. Das komplette Interview mit ihnen gibt's hier.

Bei all den Prognosen ist aber immer eine relativ hohe Fehlerwahrscheinlichkeit dabei, denn viele Menschen entscheiden sich erst kurz vor der Wahl - die großen, ganz dramatischen Veränderungen wird es aber nicht geben, sagt Prof. Dr. Ursula Münch. 



Am 8. Oktober können die Bürger*innen in Bayern und Hessen bei der Landtagswahl wieder ihre Erst- und Zweitstimme abgeben 

Und für diejenigen, die nicht so richtig wissen, warum wir eigentlich eine Erst- und eine Zweitstimme vergeben können, haben wir das nochmal kurz zusammengefasst:

Erst- vs. Zweitstimme: Was ist der Unterschied

Das deutsche Wahlsystem besteht aus zwei Säulen: Direktmandaten und Listenmandaten. Mit der Erststimme wählen die Bürger*innen bei der Landtagswahl einen Direktkandidaten beziehungsweise eine Direktkandidatin ihres Stimmkreises - wer die einfache Mehrheit gewinnt, vertritt den Stimmkreis im Landtag.

Mit der Zweitstimme werden Listenkandidat*innen gewählt. Diese werden von den Parteien aufgestellt und sind in einer festgelegten Reihenfolge auf den Wahllisten der Parteien zu finden. Die Zuteilung der Sitze auf die Listen erfolgt nach dem Verhältniswahlrecht, basierend auf den Zweitstimmen, die eine Partei erhalten hat. Die Sitzverteilung im Landtag soll so dem Willen der Wähler*innen entsprechen. Eine Partei, die landesweit weniger als fünf Prozent der Stimmen erhält, kann - abgesehen von Sonderregelungen in Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein - nicht in den Landtag einziehen.

Da die Sitze im Parlament beziehungsweise Landtag durch eine Kombination aus Verhältnis- und Mehrheitswahl verteilt werden, können - genau wie bei der Bundestagswahl - auch Überhang- und Ausgleichsmandate vergeben werden. So sollen die tatsächlichen Stimmverhältnisse der Bevölkerung so genau wie möglich widergespiegelt werden. In der Regel ist aber die Grundidee, dass etwa die Hälfte der Abgeordneten über Direktmandate und die andere Hälfte über Listenmandate gewählt wird. Das Wahlsystem stellt auf diese Weise sicher, dass sowohl die direkte Verbindung zwischen den Abgeordneten und ihren Stimmkreisen als auch die Gesamtstimmung der Wähler*innen für die Parteien im Landtag repräsentiert wird.



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