Radikal und skeptisch - Zehn Jahre AfD

Radikal und skeptisch - Zehn Jahre AfD

Das komplette Interview aus egoFM Reflex mit Patrick Bahners

Von  Gloria Grünwald (Interview) | Miriam Fischer (Artikel)
Kritik am Euro, Migrationspolitik, Klimawandel, Corona-Maßnahmen, Angriffskrieg - welchen roten Faden verfolgt die AfD seit ihrer Gründung und welche Zukunft steht der Partei bevor?

Patrick Bahners ist Journalist bei der FAZ und Autor, zuletzt erschienen ist sein Buch Die Wiederkehr. Die AfD und der neue deutsche Nationalismus. Wie sich die Partei seit ihrer Gründung entwickelt hat und ob er eine künftige Regierungsbeteiligung für realistisch hält, darüber hat er mit egoFM Gloria im Interview gesprochen.
  • Patrick Bahners über die AfD
    Das komplette Interview aus egoFM Reflex


Radikal und skeptisch gegenüber der öffentlichen Mehrheitsmeinung

Das ist der rote Faden, der sich seit Gründung der AfD durch die Partei zieht, denn die Schwerpunkte waren immer wieder andere: erst war es die Kritik am Euro, dann an der Migrationspolitik, in den letzten Jahren aber auch das Leugnen des Klimawandels, das Ablehnen der Corona-Maßnahmen oder eine verständnisvolle Haltung Russland gegenüber mit Blick auf den Angriffskrieg gegen Ukraine.


Bei ihrer Gründung wollten sich die Mitglieder der AfD vor allem gegen den Euro-Rettungsschirm stellen. Was das genau ist erklären wir kurz und verständlich im egoFM Reflexikon.


"Sie suchen sich neue Themen und wenn man dann wieder näher hinguckt, sieht man eben doch, dass dieses grundsätzliche, dieses radikale in Zweifel ziehen der gegebenen Verhältnisse und die Behauptung, die Deutschen, Deutschland werde benachteiligt, werde untergebuttert, dass das der rote Faden bei der AfD ist." - Patrick Bahners


Damit verzeichnet die Partei wachsende Erfolge

Und immer wieder heißt es auch, dass die mediale Berichterstattung über die AfD zu diesen Erfolgen beigetragen hat. Patrick Bahners würde das allerdings nicht grundsätzlich auf die Berichterstattung zurückführen, sondern auf deren Art und Weise. Denn einige Medien haben dabei geholfen, dass bestimmte Sprachmuster, die die AfD pflegt, übernommen wurden.
"Dass in der Zeit zum Beispiel mal die Frage zur Diskussion gestellt wird "Soll man Flüchtlinge im Mittelmeer retten" oder - so wörtlich - "soll man es lassen". Das haben viele Leser als geschmacklos empfunden, aber viele andere haben gesagt, "gut, dass diese Frage gestellt wird, dass diese Frage in einer Zeitung diskutiert wird und nicht nur in irgendwelchen Internetforen."" - Patrick Bahners


Dabei ist inhaltlich und sprachlich eine zunehmende Radikalisierung der AfD zu beobachten

Das ist aber nicht das einzige, was Patrick Bahmers bedenklich findet. Damit eine Demokratie funktioniert, ist es wichtig, dass diejenigen, die bei Abstimmungen oder Wahlen unterliegen, die Ergebnisse akzeptieren. Und da liegt das Problem der AfD: Die Partei stellt Ergebnisse in Frage und kommuniziert öffentlich, dass sie die Verfahren im Bundestag nicht für legitim halten und der Meinung sind, dass es völlig andere Mehrheiten geben würde, wenn die Bürger*innen direkt befragt werden würden.
"Und dass so eine Partei sich dauerhaft etabliert, das ist schon bedenklich und man muss es vielleicht nicht sofort gefährlich nennen, aber es macht zumindest das Regieren viel schwieriger [...]." - Patrick Bahners

Es gibt aber durchaus Themen wie beispielsweise der Angriffskrieg auf Ukraine, bei dem die Meinung der Bevölkerung deutlich diverser ist, als es im Bundestag der Fall ist. Und bei solchen Punkten ist es Patrick Bahners Ansicht nach auch gut, dass es Oppositionsparteien gibt, die Gegenmeinungen vertreten. Das Problem allerdings ist, so Bahners, dass die AfD alle Sachfragen immer direkt mit einer grundsätzlichen Systemfrage verbindet und der Regierung unterstellt, sie schade dem Volk mit ihrem Handeln.
"Also die [AfD-Abgeordneten] greifen die Regierung eben nicht nur an, weil sie meinen, die macht falsche Politik, sondern weil sie meinen, sie macht eine Politik zum Schaden des deutschen Volkes und deswegen muss ihr das Handwerk gelegt werden." - Patrick Bahners

Und trotzdem findet es der Journalist und Autor wichtig, dass auch so eine Partei im Bundestag sitzt

Besser, als wenn solche Menschen von außen Unruhe stiften, erklärt er. Für den Verfassungsschutz aber ist die Grundhaltung der AfD  Grund genug, sie als Verdachtsfall zu beobachten. Und gleichzeitig scheint die Partei mit Blick auf die bisherige Entwicklung der Wähler*nnenstimmen allerdings gute Chancen auf eine Regierungsbeteiligung bei den Landtagswahlen 2024 in Sachsen, Brandenburg und Thüringen zu haben. Patrick Bahners glaubt nicht, dass es bereits 2024 dazu kommen wird, da die AfD auch bei starkem Stimmenzuwachs auf eine Koalitionsbildung angewiesen wäre - was alle anderen Parteien aktuell ausschließen. Trotzdem sind es "unerfreuliche Aussichten", die uns bei den Wahlen im Osten Deutschlands bevorstehen, wenn die AfD beispielsweise in Thüringen die stärkste Fraktion wird, sagt er. 
"Ich sage voraus, in so einem Fall würden sich alle anderen Parteien zusammenschließen, dann einschließlich der Linkspartei. [...] Dann hätte man eine Altparteienregierung gegen die AfD. Aber ein Oppositionsführer Höcke ist dann natürlich nochmal in einer ganz anderen Position bei der nächsten Landtagswahl dann fünf Jahre später anzutreten und dann eben vielleicht doch eine Regierung zu bilden, wenn er seinen Stimmenanteil halten und ausbauen kann." - Patrick Bahners

Einzelne Mitglieder wie der Vorsitzende Björn Höcke in Thüringen gelten als Rechtsextremist*innen, die AfD selbst wird als Verdachtsfall vom Verfassungsschutz beobachtet und besonders nach der Reichsbürger*innen-Razzia letzten Dezember wurde die Diskussion um ein Parteiverbot wieder lauter. Patrick Bahners hat dazu eine klare Haltung:
"Meine Meinung ist, Parteiverbote sind fast nie sinnvoll. [...] Ein Verbotsverfahren [gegen die AfD] würde dann jetzt eine Partei treffen, die in Umfragen bundesweit zwischen zehn und fünfzehn Prozent sich bewegt. Damit würde man also ein Zehntel bis ein Sechstel der Wahlbevölkerung zu Verfassungsfeinden ja eigentlich erklären, weil die Leute die Partei ja offenbar wählen wollen und schon oft gewählt haben. Meiner Meinung nach muss man mit solch einer Partei die politische Auseinandersetzung suchen, Verbote sollte man nur auf Organisationen erstrecken, die wirklich praktisch, aktiv etwas tun, für die Beseitigung unserer Verfassung und die nicht einfach ihre Argumente - so unappetitlich und unangenehm sie sein mögen - [...] zur Diskussion und zur Abstimmung stellen." - Patrick Bahners



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Charles Vibiemme

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