Was kostet eine nachhaltige Welt?

Was kostet eine nachhaltige Welt?

Das Interview mit Prof. Dr. Jens Südekum zum Anhören

Von  Viktoria Molnar (Interview) | Max Frohberg (Artikel)
Und viel wichtiger noch - wer bezahlt?


Wir stecken mittendrin in der Klimakrise

Obwohl es einige Leute immer noch nicht wahrhaben wollen, braucht es drastische Veränderungen in Wirtschaft, Politik, aber auch im persönlichen Leben aller. Oft wird bei dem Thema auch von der sogenannten "grünen Null" gesprochen. Was es damit auf sich hat und welche Veränderungen notwendig sind, hat Ökonom und Volkswirtschaftsprofessor Jens Südekum im Interview mit egoFM Viktoria erklärt.
  • Was kostet eine nachhaltige Welt?
    Das Interview mit Professor Jens Südekum zum Anhören


Die grüne Null

Um zu verstehen, was genau die grüne Null ist, muss man zuerst verstehen, was es mit seinem aktuellen Pendant, der sogenannten "schwarzen Null" auf sich hat. Dieser Begriff beschreibt eine Art Selbstvorgabe der Politik an sich, den Bundeshaushalt so zu berechnen und zu führen, dass er ausgeglichen ist, sich also Ausgaben und Einnahmen grundsätzlich decken. 


Ein Instrument, um das zu gewährleisten, ist die gesetzlich verankerte Schuldenbremse. 


Diese verpflichtet die Politik per Gesetz, den Ausgleich ohne die Neuaufnahme von Schulden zu finanzieren. Ein wichtiges Instrument, da es die Politik daran hindert, ihrer aktuellen Stammwählerschaft, welche sich aufgrund des demografischen Wandels eher aus älteren Menschen zusammensetzt, mit geliehenem Geld Wahlgeschenke zu machen. 
"Vor der Schuldenbremse gab es die sogenannte 'Goldene Regel'. Diese hat gesagt, dass Neuverschuldung verboten ist, außer für Investitionen. Dann wurde gesehen, dass eben dieser Begriff dadurch extrem schwammig wurde und alles zur Investition um deklariert wurde. Man hat zum Beispiel gesagt, eine Rentenerhöhung wäre eine Investition, also eine Investition in den Frieden und den sozialen Zusammenhalt." - Prof. Jens Südekum

Dabei ging es vielmehr darum, wiedergewählt zu werden, als darum eine Zukunftsinvestition zu tätigen und das auf Kosten derer, die die Schulden dann abbezahlen müssen.
 Die Schuldenbremse stellt also das komplette Gegenteil dar - keine Neuverschuldung, egal wofür. 


Aber zurück zum Anfang


Die schwarze Null, also der Ausgleich des Haushalts, basiert darauf, dass keine Schulden aufgenommen werden müssen und können, was insofern problematisch ist, da Investitionen und das damit zusammenhängende geliehene Geld nötig sind, um die Wirtschaft auf emissionsfreie und nachhaltige Technologien umzustellen. 
"Die Emissionen kommen ja zu einem guten Teil zum Beispiel aus der Produktion. Es wird darum gehen das sich die Wirtschaft so umbaut, und Methoden einsetzt, die keine Emissionen mehr ausstoßen. Also klimaneutraler Stahl zum Beispiel. Das ist schon möglich in dem man Wasserstoff statt Kohle einsetzt." - Prof. Jens Südekum

Es muss also dafür gesorgt werden, dass die Schuldenbremse zwar gelockert wird, jedoch nicht ohne die Verpflichtung, das Geld ausschließlich in die Nachhaltigkeit zu investieren. 
Denn nur durch Investitionen erreichen wir die drastische Senkung der Emissionswerte solange bis diese sogar bei Null sein könnten.


Denn genau das bedeutet die grüne Null

"Dass Deutschland als gesamtes Land mit seiner Wirtschaftstätigkeit keine CO2-Emissionen mehr ausstößt. Das heißt, die Emissionen, die noch ausgestoßen werden, die müssten dann durch Maßnahmen ausgeglichen werden, sodass Klimaneutralität erreicht ist." - Prof. Jens Südekum

Laut Klimaforscher*innen muss der Wandel hin zur nachhaltigen, klimaneutralen Wirtschaft bis zum ungefähren Zeitraum zwischen 2035 und spätestens 2050 vollzogen werden, wenn wir den Klimawandel stoppen wollen.
 Doch selbst wenn mit Investitionen die Betriebe umgestellt und neue, nachhaltige Technologien entwickelt werden, bleibt noch ein entscheidendes Problem: 


Nachhaltig ist aktuell noch teurer

Allerdings nur dank eines entscheidenden Fakts: Der Preis der erzeugten Emissionen ist zu niedrig. 
"Jede Tonne CO2 die ausgestoßen wird, dafür muss ein Preis gezahlt werden. Entweder eine CO2-Steuer, oder diese handelbaren Zertifikate. Dieser Preis muss deutlich steigen. Gerade liegt er bei 50 Euro, Klimawissenschaftler sagen wir brauchen mindestens ein Niveau von 150 Euro." - Prof. Jens Südekum

Die aktuelle klimaschädliche Produktion ist also deswegen billiger, da die dabei entstehenden Emissionen noch zu wenig in den aktuellen Preis mit eingerechnet werden. Erst wenn CO2-Erzeuger*innen ihren Ausstoß angemessen bezahlen müssen, sind Anreize gesetzt, nachhaltig zu wirtschaften.
"In dem Sektor müssten dann alle Bereiche der Wirtschaft, die emittieren, das sind die Industrie, der Verkehr, die Landwirtschaft und die Gebäude bepreist werden. Da müssen die Emissionen nach und nach mit den steigenden Preisen sinken und dann müssen sich die Unternehmen daran anpassen. Dazu braucht es dann Investitionen und für die muss der Staat Schulden aufnehmen." - Prof. Jens Südekum

Benötigt wird dafür jedoch auch eine globale Regelung, welche die Ausstoßbepreisung durchsetzt. Konkret wird gerade ein EU-Klimazollmodell diskutiert, welche Importe aus Ländern ohne CO2-Preis nachbesteuert. So wird ähnlich wie beim Zoll, ein nachträglicher Preis aufgeschlagen, da sonst einfach billig importiert und nichts verändert wird. 


Das bedeutet jedoch auch, dass Unternehmen ihre Produkte teurer verkaufen werden.


Gewisse Dinge werden also ohne eine entsprechende Regelung nur noch für finanziell besser Ausgestattete verfügbar sein, da der*die Verbraucher*in am Ende die Kosten trägt. Um diesem Trend vorzubeugen, braucht es also ein Rückzahlungsmodell der CO2-Steuer. 
"Man wollte das am Anfang so machen das man diesen Betrag hat der Steuereinnahmen, und die teilt man dann einfach durch 83 Millionen. Also eine Art Pro–Kopf-Betrag. Dann stellt sich aber heraus, es ist gar nicht so einfach, denn es gibt in Deutschland eine Reihe von Leuten die haben gar kein Girokonto, da weiß man gar nicht wo die Leben. Vielleicht sind es fünf Prozent der Bevölkerung die da vom Radar rutschen und dann wäre es in dem Moment nicht mehr rechtssicher." - Prof. Jens Südekum

Auch eine Erhöhung der Pendlerpauschale und eine Erniedrigung der EEG–Umlage stehen zur Debatte. Gerade Letzteres wird als gute Lösung angesehen, da fast jeder Mensch Strom benutzt, verbraucht oder zumindest davon profitieren könnte, wenn der Strom billiger wird. Die sinnvollste Lösung bleibt jedoch die direkte Auszahlung der Steuer in Form einer Klimaprämie, da dadurch auch eine Art von moralischem Anreiz geschaffen werden kann.
Der wichtigste Faktor bei der Debatte ist jedoch am Ende die Zeit. Denn die läuft uns davon, und etwaige Regelungen müssen vor allem eins sein – schnell umsetzbar.


Wachstum als Problem?


Dabei liegt das Problem nicht darin, das unsere Wirtschaft ständig wächst, sondern dass sie dies auf Kosten von Umwelt, Ressourcen und der Zerstörung unseres Planeten tut. Sollte es also möglich sein, Firmen klimaneutral zu gestalten, also deren Produktion vom CO2-Ausstoß zu entkoppeln, ist ein beständiges Wirtschaftswachstum nach wie vor möglich. Was nicht heißt das unser individuelles Konsumverhalten dabei keine Rolle spielt.
"Auch da muss sich viel tun. Also dass Konsument*innen jetzt sagen der Kurzstreckenflug nach Malle und viermal die Woche Billigfleisch, muss das denn sein? Wenn die CO2-Preise kommen, dann werden solche Geschichten sowieso teurer. Ansonsten sieht man aber auch unabhängig von den Preisen, dass viele Leute ihr eigenes Verhalten hinterfragen." - Prof. Jens Südekum

Also neue Technologien gepaart mit individueller Veränderung als Weg in die Zukunft.
 




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