Schlaf, Kindlein, schlaf doch bitte bitte

Schlaf, Kindlein, schlaf doch bitte bitte

Was (eventuell) helfen kann, wenn das Baby den Schlaf raubt

Von  Anna Taylor
Der Schlaf frischer Eltern: ein kleines Tabuthema. Unsere Autorin bricht damit und erzählt, was ihr aus der schlimmsten Zeit geholfen hat.

Der Schlaf frischer Eltern: Ein düsteres Thema

Um ganz zu Beginn komplett ehrlich zu sein: Es ist wirklich schwer, über das Thema zu schreiben, ohne alle paar Absätze ein bisschen weinen zu müssen. Dementsprechend auch eine kleine Warnung: Wenn du selbst mit der psychischen Belastung des Nicht-Schlafens wegen deines Babys zu kämpfen hast, kann der folgende Textabschnitt hart sein. Du kannst direkt runterscrollen zum Absatz "Was helfen kann" - dort findest du ein paar Anlaufstellen und Hilfsmittel, die mir zumindest etwas gebracht haben. 


Und nun für alle noch: Beim hier Beschriebenen handelt es sich nicht um den Status Quo. Nicht alle Eltern fühlen sich so und manche Babys schlafen auch. Es muss aber auch über die Extremfälle gesprochen werden - die, in denen Eltern in einer ganzen Woche auf zwölf Stunden Schlaf kommen oder sogar noch weniger. Denn nicht darüber zu reden macht unsichtbar und schließlich einsam.



Kinder - ein Segen, ein Traum...

Sie würden einem ja so viel geben. Elternliebe sei unendlich. Deswegen wäre es auch so leicht, mit den negativen Aspekten klarzukommen. Sagen sie. Gefühlt alle. Auch Menschen, die selbst Kinder haben. Ich weiß nicht, ob sie lügen, oder tatsächlich so gesegnet waren mit einem Kind, das man abends um 8 bis morgens um 8 einfach weggelegt hat zum schlafen. Ohne einmal zu schreien in der Nacht? Ich kann es mir kaum vorstellen. Viel mehr wird das Thema Babyschlaf in der Öffentlichkeit relativiert ("Na, das ist eben so, es ist eine Phase, da muss man durch"), teilweise sogar werden die Ausmaße verschwiegen und erst mit der Zeit - wenn etwas Distanz gewonnen wurde - die Herzen ausgeschüttet. So habe ich das zumindest erlebt. 

Nach "MäDcHeN oDeR jUnGe??????" ist es die zweithäufigste Frage, mit der frische Eltern konfrontiert werden: "Na, schläft es denn schon durch?"

Halt die Klappe. Das Herz sackte mir jedes Mal in den Boden, der Hals schnürte sich zu, Tränen schossen in die Augen. "Nein, es schläft nicht durch. Es schläft nicht mal eine Stunde am Stück. Es schreit viel. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich habe das Gefühl, mich aufzulösen. Ich bin nur noch ein wandelndes Häufchen - lebe eigentlich nicht, existiere nur noch. Immer, nicht nur nachts, auch tagsüber. Denn meine Nacht ist ewig." Hätte ich dann eigentlich sagen können - wenn ich gekonnt hätte. Stattdessen lacht man halt einmal halbherzig und sagt sowas wie: "Hach ja, hehe, schön wär's", wendet sich ab und zieht sich dann wieder zurück ins Innere. Keine Muse, das Gespräch zu reflektieren. Überhaupt gar keine Kraft dafür. Hätte man die, könnte man sich vielleicht das nächste Mal aufrappeln und tatsächlich ehrlich sein. Aber dann wieder: Die Angst, nicht verstanden zu werden oder eine engstirnige Floskel an den Kopf geworfen zu bekommen, ist viel zu groß. Und so wird man eben einsam. Entzieht sich aus dem sozialen Leben. Wartet auf die Nacht und dann wieder auf den nächsten Morgen.

Aber wir sollten darüber reden, ehrlich

Weil der Schlafentzug frischer Eltern oft total unterschätzt und teilweise einfach verschwiegen wird, ist es wichtig, offener darüber reden zu können. Ein Erfahrungsaustausch und ein 'Du bist nicht allein, mir geht es auch so', ist tröstend und meistens das Beste, was in solchen Situationen helfen kann.

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Wann wird der Schlaf besser?

Wenn ich eines in dieser ganzen Zeit gelernt habe, dann dass Zeit eine Illusion, beziehungsweise einfach nur ein soziales Konstrukt ist. Und damit mehr oder weniger irrelevant - gerade in diesem Fall. Denn für das jeweilige Alter des Kindes gibt es auch eine entsprechende Zeitmarke, wann "alles besser" wird. Handelt es sich um ein Neugeborenes, wird sich das mit dem Schlaf in drei Monaten einpendeln. Ist das Kind dann älter als drei Monate, versetzt sich die Aussicht auf besseren Schlaf auf sechs Monate. Dann neun Monate und schließlich ein Jahr und dann ist es auch egal. Denn dann lebst du schon so lange als Zombie, dass du mittlerweile im Alltag einfach funktionieren kannst. Und guter Schlaf ist nur noch ganz entfernt eine schöne Utopie, ähnlich wie ein Lottogewinn. Nur, und das muss man bei all dieser negativen Stimmung hier jetzt auch mal sagen: Dass Eltern irgendwann wieder gut schlafen, ist mehr oder weniger sicher. Zumindest millionenfach sicherer als ein Lottogewinn. Das zeigen auch die Ergebnisse einer Studie über Auswirkungen einer Geburt auf die Schlafgewohnheiten von Eltern von Oxford Academic:

Circa nach sechs Jahren ist der elterliche Schlaf wieder annähernd so wie vor der Geburt.

Das klingt dramatisch, aber letztlich war es doch diese große Zahl, die mich beruhigt hat. Einfach, weil es kein leeres Versprechen ist. Hätten die Ärzt*innen von Anfang an diese Zahl genannt, hätte ich die vielen ersten Monate sicherlich mehr das Baby an sich genießen können, anstatt ständig auf das Voranschreiten der Zeit zu warten.



Was mir durch die schlimmste Zeit geholfen hat

Ich kann mir vorstellen, dass sich jetzt einige Tipps erhoffen, die man an dem Baby anwenden kann. Sowas wie "Lavendelkissen", "Abstillen und Flasche geben", "im eigenen Bett / Zimmer schlafen lassen" oder sonstiges. Einmal, weil schlechter Babyschlaf tausend Ursachen haben kann und ich dafür nicht ausgebildet bin und dann aber auch aus dem Grund, weil mir persönlich nichts von all den Tipps und Tricks von pfiffigen Elternblogs geholfen hat. Aus einem einfachen Grund: Meistens ist nicht das Baby das Problem, sondern der*die Erwachsene. So, aber fangen wir von vorne an, das Ganze ist nämlich mehr oder weniger geordnet:

Ärztliche Beratung

Wenn dein Kind nicht schläft, also wirklich beunruhigend wenig, dann sollte die erste Anlaufstelle der*die Kinderarzt*ärztin sein. Dort wird erstmal grob geschaut, ob nicht doch ein gesundheitliches Problem die Ursache ist. Du solltest ehrlich sein und erklären, wie sehr dich die Situation belastet. Dann kann man dir mit einer Überweisung in eine spezialisierte Kinderzentrum geben, wo nochmal genauer nach körperlichen Ursachen geforscht und - was ich persönlich ganz wichtig finde - du oder ihr als Eltern auch eine psychologische Beratung bekommt. Zudem gibt es die Möglichkeit, auch eine beobachtete Nacht im Krankenhaus zu verbringen, um sich das ganz genau anzuschauen. Was uns allerdings schon arg geholfen hat, ist, dass uns die Psychologin empfohlen hat, unsere Tagesabläufe über einen größeren Zeitraum hinweg einmal genau zu beobachten. Dazu bekommst du einen Stundenplan, in den du akribisch notieren kannst, wann das Baby schläft, isst oder spielt. Daraufhin ist es möglich herauszufinden, ob vielleicht etwas an der Schlafroutine gewerkelt werden muss. In unserem Fall kam erstmal raus, dass wir mehr auf regelmäßige Nickerchen tagsüber achten müssen, damit das Kind nachts besser schläft. Aber das nur mal als Beispiel zum Verständnis, wie so eine Beratung helfen kann. Alle Probleme wurden letztlich auch nicht einfach gelöst, doch konnten wir die Situationen immerhin etwas verbessern.

Die frühen Hilfen

Ein weiteres fantastisches, kostenloses Hilfsprogramm für junge Eltern sind die frühen Hilfen. Dabei handelt es sich um ein nationales Zentrum ehrenamtlicher, nicht zwingend professioneller, aber erfahrener Eltern, die dir enorm helfen können. Ob lediglich zum Austauschen oder gar die Möglichkeit, dir das Baby für ein, zwei Stunden abzunehmen, damit du dich währenddessen hinlegen kannst - mir hat es geholfen. Hier findest du alle Infos.

Therapie

Über den*die Kinderärzt*in ist es außerdem möglich, zu genau darauf spezialisierten Psychotherapeut*innen zu verweisen. Die Münchner Arbeitsgemeinschaft für Psychoanalyse zum Beispiel bietet eine Beratungsstelle für Schwangere, Eltern mit Babys und Kleinkindern (hier kannst du dir das genauer anschauen und dich sogar auch direkt anmelden). Dabei handelt es sich um eine tiefere psychologische Analyse, in der es nicht nur um das Kind geht, sondern vor allem auch um die Kindheitserfahrungen der Eltern. Ich kann das sowieso nur empfehlen - ein Kind zu bekommen ist eben nicht nur einfach so ein Event, sondern auch ein massives Wiederaufleben der eigenen Vergangenheit. Wenn dort etwas begraben wurde, holt dein Kind das definitiv wieder raus. Deswegen wäre es nur gut, mit professioneller Begleitung selbst zur Schaufel zu greifen. 
Und ja: Das hat tatsächlich enorm geholfen, mit der ganzen Situation besser umgehen zu können. 



Es wird besser

Ich weiß, das kann man irgendwann auch einfach nicht mehr hören. Deswegen ist es umso wichtiger, dass du dir das immer und immer wieder ins Gedächtnis rufst: Es wird besser. Es wird besser. Es. Wird. Besser. Spätestens wenn die Kinder in die Pubertät kommen - dann sollen die ja nur noch pennen. Kleines schmerzhaftes Späßchen am Rande. Ansonsten kann ich es wirklich nur empfehlen, sich professionelle Hilfe oder eine Beratung zur Seite zu holen. Auch wenn man als Eltern sowas alleine durchstehen will, weil "Kinder ja nun mal so sind", musst du es nicht alleine durchstehen. Sprich zumindest mit Freund*innen und Bekannten, die bestenfalls selbst Kinder haben (kinderlose Menschen können das zwar schon auch verstehen, aber oft nicht wirklich verstehen (no offense)).
Wir müssen mit diesem Tabu brechen. Wir müssen das Narrativ ändern, dass Eltern allen möglichen Kack ertragen müssen. Nur so können wir letztlich auch wirklich gute Eltern sein - wenn wir uns selbst nicht verlieren. 

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