Das komplette Interview aus egoFM Reflex mit Stefanie Lohaus
Von Gloria Grünwald (Interview) | Miriam Fischer (Artikel)
Der neue Bundestag hat einen Frauenanteil von gerade einmal knapp 35 Prozent und auf Länderebene sieht es sogar noch schlechter aus: Nur 9 Prozent der Bürgermeister*innen in Deutschland sind Frauen.
Stefanie Lohaus ist Herausgeberin des Missy Magazine und Director der Non-Profit-Organisation EAF BERLIN - Diversity in Leadership. Im egoFM Reflex-Interview hat sie mit Gloria darüber gesprochen, warum Frauen in politischen Führungspositionen immer noch so unterrepräsentiert sind und wie das in Zukunft verändert werden kann.
Stefanie Lohaus über Parität
Das komplette Interview zum Anhören
Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer
Das hat die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel schon 2018 anlässlich des 100. Jahrestages des Frauenwahlrechts in Deutschland gesagt. Sie meint damit: Nur weil wir die letzten 16 Jahre eine Frau als Bundeskanzlerin hatten, herrscht nicht automatisch Parität in Deutschland. Angela Merkel hat zwar etwas im Bewusstsein der Menschen verändert, sagt Stefanie, um Gleichstellung tatsächlich zu erreichen, braucht es aber einfach mehr:
"Um das [die Unterrepräsentation von Frauen in der Politik] nachhaltig zu verändern, braucht es wesentlich mehr Maßnahmen und auch eine gesellschaftliche Veränderung und eine Modernisierung der Parteien, vielleicht auch so etwas wie Paritätsvorgaben, Paritätsgesetze oder Quoten in Parteien. Nur so kann eben hergestellt werden, dass es nicht immer nur wenige Ausnahme-Frauen sind, die es an die Spitze schaffen." - Stefanie Lohaus
Auf ein solches paritätisch besetztes Kabinett hat die Ampel-Regierung gesetzt: Die Minister*innenposten wurden zu gleichen Teilen an Frauen und an Männer vergeben. Stefanie Lohaus hält solche paritätisch besetzten Posten für sinnvoll:
"Ich sehe die Quote als ein sehr gutes Instrument, um Gleichstellung herzustellen. Und zwar in allen gesellschaftlichen Bereichen und daher auch in der Politik." - Stefanie Lohaus
Was genau Parität überhaupt bedeutet und warum es in Deutschland bisher kein Paritätsgesetz gibt, erfährst du hier im egoFM Reflexikon. Es gibt Parteien (beispielsweise Bündnis 90/ Die Grünen, Die Linke und die SPD), die sich bereits intern Quotenvorgaben gegeben haben und genau diese Parteien sind es auch, die den Frauenanteil in den deutschen Parlamenten erhöhen. Den Vorwurf, dass bei Quoten nicht nach Leistung, sondern nach Identitätsmerkmalen entschieden werden würde, weist Stefanie ab. Im Gegenteil: Die bisherigen Forschungen zeigen, dass durch Quoten diejenigen zum Zug kommen, die genauso qualifiziert sind, aber aufgrund von Vorurteilen und Diskriminierung sonst keine Chance gehabt hätten.
Das Stichwort heißt Perspektivenvielfalt
Von Pauschalisierungen wie "Frauen sind die besseren Politiker*innen" hält Stefani Lohaus gar nichts, da auch das die einzelnen Charaktere in den Hintergrund stellt und außerdem auch nicht der Wahrheit entspricht. Das Ziel einer Quote ist es schließlich nicht, nur noch ausschließlich Frauen in Führungspositionen zu haben, sondern mehr Perspektivenvielfalt zu schaffen - und die fehlt eben aktuell. Und das, obwohl die meisten Parteien gewillt sind, etwas zu verändern:
Eine Studie, die die Non-Profit Organisation EAF mit veröffentlicht hat, kam zu dem Ergebnis, dass die untersuchten Parteien zwar eigentlich diverser werden wollen, aber an Gewohnheiten und festgefahrenen Strukturen festhalten.
Das Problem ist also weniger ein fehlender Wille, sondern mehr die Parteikultur und die Art, wie genetzwerkt wird. Und wenn es die Parteien nicht schaffen, dass von alleine zu verändern, muss eben mit gesetzlichen Vorgaben gearbeitet werden, sagt Stefanie. Solche Paritätsgesetze sind auch nichts Ungewöhnliches - die Vorgabe, Listen paritätisch zu besetzen, gibt es in manchen Ländern schon seit Jahren. In Europa haben bisher Belgien, Frankreich, Portugal, Spanien und Slowenien solche Gesetze. Ob wir auch in Deutschland ein Paritätsgesetz brauchen, wird sich in Zukunft zeigen und hängt maßgeblich davon ab, ob und wie die Parteien selbst tätig werden, um Gleichstellung zu erreichen, sagt Stefanie Lohaus.
"Allein schon, dass wir darüber diskutieren [...] kann mit dazu beitragen, dass sich die Parteikulturen verändern." - Stefanie Lohaus
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