Vier Orte in München-Giesing, die du kennen solltest
Von Sophia Rauchhaus
Giesing, ein ehemaliges Arbeiter*innenviertel im Südosten Münchens, besticht durch seinen bodenständigen Charme und dörflichen Charakter. Wir haben uns vier Giesinger Highlights, die den Stadtteil ausmachen, einmal genauer angeschaut.
München-Giesing – was macht den Stadtteil so besonders?
Bekannt für das Gefängnis Stadelheim und seine historische Bedeutung, bietet Giesing erschwinglichen Wohnraum und zieht damit Arbeiter*innen und Handwerker*innen an. Das Viertel ist eng mit dem TSV 1860 München verbunden, dessen Spiele im Grünwalder Stadion eine große Rolle spielen, trotz der Nähe zum FC Bayern. Die traditionellen Boazn, gemütliche Kneipen, kämpfen trotz Gentrifizierung ums Überleben, unterstützt von jungen Betreiber*innen, die die lokale Kultur bewahren wollen. Seit 2006 bereichert das Giesinger Bräu, ursprünglich in einer Garage abgefüllt, die Bierlandschaft Münchens. Giesing ist auch die Heimat der ersten deutschen McDonald's Filiale seit 1971, was die Vielfalt des Viertels unterstreicht.
Was den Stadtteil ausmacht, erzählen wir dir hier noch einmal genauer. Und sonst so? Was sollte man sich bei einem Spaziergang durch Giesing unbedingt mal anschauen? Wir stellen dir vier wichtigen Orte in Giesing vor:
Biegt man auf der viel befahrenen Ichostraße hinter der Heiligkreuzkirche ein, da meint man mitten in München auf einmal, man steht in einem Dorf. Hier reihen sich kleine einstöckige Hauser mit rauen Fassaden und bunten Fensterläden aneinander – du stehst in der Feldmüllersiedlung.
Die Feldmüllersiedlung wurde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gebaut, damals wohnten hier Handwerker*innen und Tagelöhner*innen. Die alten Häuschen überlebten zwei Weltkriege und vier Währungswechsel, aber die Geldgier der Immobilienspekulant*innen überlebten sie nicht.
Am 1. September 2017 riss der Bagger eines Münchner Bauunternehmens das denkmalgeschützte Uhrmacherhäusl illegal ab. Seither klafft ein Loch in der idyllischen Häuserreihe der Feldmüllersiedlung. Das Verfahren gegen den Grundstückseigentümer hat das Landgericht München gegen eine Zahlung von 100.000 Euro eingestellt. Und es hat – und das freut Anwohner*innen und die Stadt – den Eigentümer verpflichtet, das Uhrmacherhäusl Stein für Stein wieder aufzubauen. So nämlich!
Das Schyrenbad
Giesing gehört zu den ältesten Vierteln Münchens. Im Jahr 790 wurde das damals noch eigene Dorf zum ersten Mal urkundlich erwähnt – mehr als 350 Jahre vor der Stadt München, die Giesing im 19. Jahrhundert eingemeindet hat. Da passt es auch, dass in Giesing das älteste Freibad der Stadt steht: das Schyrenbad. Im Jahr 1847 hat das Schyrenbad eröffnet, damals wurde es noch mit Isarwasser gespeist. Ironischerweise hat die Isar das Freibad schon acht Jahre nach Eröffnung bei einem Hochwasser zerstört. Im Jahr 1972 war das wiederaufgebaute Schyrenbad auch Trainingsstätte für die Olympischen Spiele und heute nutzen das Bad vor allem Anwohner*innen.
Das Schyrenbad hat damals immer als erstes Freibad in München eröffnet und tut es auch heute noch jedes Jahr aufs Neue zuerst: Die Münchner Freibadsaison beginnt immer mit der ersten Bahn im Schyrenbad. Jedes Jahr Anfang Mai stellen die Schwimmer*innen von Giesing unter Beweis, dass sie eben aus einem härteren Holz geschnitzt sind als der Rest Münchens. So begrüßen Giesinger*innen den Frühling mit einem frischen Bad, wie damals schon 1847. Auch in diesem Mai heißt es wieder: Becken frei!
Wo Martin Luther-Straße und Tegernseer Landstraße zusammenlaufen, da formen sie in ihrem Zwischenraum ein kleines Eck, etwa 150 auf 100 Meter Grün umrahmt von mehrspurigen Schnellstraßen – das Grünspitz. Im dicht bebauten München mit seinem strapazierten Wohnungsmarkt fragen sich wohl manche Passant*innen: Wie hält sich dieser freie Fleck? Warum hat kein Wohnungskonzern die wertvolle Baufläche längst zu Geld umgegraben?
Das Grünspitz hält, weil sich Anwohner*innen dafür stark gemacht haben. Bis 2010 gehörte es noch zu einem Automarkt, dann kaufte es die Stadt. Seit 2014 lässt sie es vom gemeinnützigen Münchner Verein Greencity e.V. verwalten, der hier seitdem Hochbeete bewirtschaftet und Flohmärkte, Glühweintreffen und Stadtteilfeste veranstaltet. Mit seiner Lage in Rufweite zum 1860-Stadion ist das Grünspitz auch Freilichtkneipe für die Löwen-Fans. Nach einem gewonnenen Fußballspiel weist der Stadionsprecher traditionellerweise die Auswärtsfans an, das Stadion durch den Südausgang zu verlassen, Löwenfans werden zum Feiern am Grünspitz eingeladen. Dabei bringen Sparfüchse ihr eigenes Helles mit – in allerbester bayerischer Biergartentradition dürfen sie auch Mitgebrachtes essen und trinken – alle anderen versorgt der Kiosk. Bei Weißbier, Radler und Bier treffen sich hier seit Jahren die Menschen des Viertels und feiern, was es eben zu feiern gibt. Ein gewonnenes Spiel, Stadtteilfest, den Sommer, Giesing. Und wenn du noch mehr Orte zum Feiern oder Abhängen suchst, haben wir hier noch ein paar persönliche Empfehlungen aus dem egoFM Team für dich.
Nach einem 1860-Spiel drängen sich auf der Tegernseer Landstraße von Wettersteinplatz bis Silberhornstraße die Löwen-Fans in dichtem Weiß und Blau. Im seltenen Fall eines Sieges feiern sie in einer der verbliebenen Traditionsboazn (eine ranzige, gemütliche Kneipe) an der Straße. Haben die Löwen verloren, dann ertrinken sie hier ihre Sorgen. Besonders beliebt: Der Trepperlwirt. Wegen der kleinen Treppe am Eingang nennen die Giesinger*innen das Lokal schon seit den 60ern so, offiziell trägt es den Namen erst, seit Alice Völtl, ehemalige Betreiberin vom Trepperlwirt, und ihr Mann Robert den Laden pachten. Zwischen den blau-weißen 1860-Fahnen hing im Lokal damals auch die Brasilianische, denn Alice Völtl kommt aus Brasilien. Ihr Einfluss hat sich auch auf Speisekarte gezeigt – neben bayerischen Spezialitäten gab es auch brasilianische Eintöpfe.
Im September 2023 haben die Völtlts dann das letzte Bier ausgeschenkt, dann mussten sie schließen. Der Vermieter hat klargemacht, dass er eine Kneipe hier nicht mehr haben wolle. Daraufhin wehren sich 1860-Fans und Giesing-Ultras gegen die zunehmende Gentrifizierung des Viertels und sammeln mit einer Petition zum Erhalt des Trepperlwirts fast 1000 Unterschriften. Für die Völtls kommt die Hilfe zwar zu spät, sie wollen demnächst aber ein neues Lokal eröffnen, allerdings weit draußen in Niederbayern, denn Giesing können sie sich nicht mehr leisten.
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