Meinung: Polyamorie - ja, dann macht halt!

Meinung: Polyamorie - ja, dann macht halt!

Und hört auf zu nerven

Immer wieder tauchen im Netz Artikel oder Blogs auf, die sich für Polyamorie oder offene Beziehungen aussprechen und feiern, wie toll das doch ist. Maria fragt sich da langsam: warum genau? Macht doch einfach und lasst es gut sein.

Es gibt unzählige Themen, da halte ich es für wahnsinnig wichtig, dass sie im Internet komplett breitgetreten werden, dass man nicht dran vorbeikommt und es ständig neue Posts, Blogs, Artikel, Foren, wasweißich dazu gibt. Politik, Tierschutz oder Menschenrechte gehören da definitiv dazu. Was ich allerdings ganz und gar nicht in dieser Sparte sehe: das Ding mit den offenen Beziehungen.

Macht doch einfach

Und zwar nicht, weil ich da irgendwie intolerant bin. Eher weil ich mich frage: ja, was wollt ihr denn? Macht doch einfach, wie ihr Bock habt und seid darüber glücklich!

Selbstverständlich ist es erst einmal wahnsinnig wichtig, dass darüber gesprochen wird. Dass Menschen ihre Erfahrung zu offenen Beziehungen teilen, man darüber diskutiert und das Thema dann vielleicht irgendwann total platt und normal behandelt wird - auch weil damit bestimmt einigen Pärchen geholfen wird, die sich vielleicht nicht trauen, den eigenen Wunsch danach anzusprechen. Und weil es eh immer wichtig ist, die Welt ein klein wenig toleranter zu machen.

Trotzdem habe ich das Gefühl, dass es jeden Tag einen neuen Beitrag zu dieser Sache gibt und dass diese Beiträge einfach nur Klicks generieren sollen und deswegen end knapp am Bild-Niveau vorbeischrammen.

"Lasst mich lieben, wen ich will", "Wie wir versuchen, polyamourös zu leben", "Offene Beziehung führen: Sieben Regeln, die Paare beachten sollten", "Ja, ich führe eine offene Beziehung. Nein, ich schlafe nicht mit jedem", "Blablabla, mimimimi". Kein Witz, diese Artikel gibt es wirklich (außer den letzten vielleicht). Leute, übertreibt es doch nicht so!

Es geht doch einfach nur um Liebe. Eine sicherlich herrliche Sache, die doch aber jede*r mit sich und den Menschen in seinem*ihrem Umfeld alleine ausmachen muss. Wenn ihr eine offene Beziehung möchtet, dann führt sie. Wenn ihr das nicht versteht, dann führt sie nicht. Aber redet doch nicht alle mit aller Gewalt darüber. Denn wenn man letztendlich wirklich diese Art der Beziehung bevorzugt, gibt es nur eine einzige Person, die damit cool sein sollte - und das ist der*die Partner*in - was da andere sagen ist doch sowas von egal. 

Dieses unglaubliche Vollpumpen der sozialen Netzwerke mit diesem Thema nervt mich. Aber da wäre noch was!

Jede Beziehungsform ist gleichwertig

Mir ist aufgefallen, dass das Leben in offenen Beziehungen sehr häufig als das einzig Wahre deklariert wird und man manchmal von oben herab gesagt bekommt: "Ja doch! Der Mensch ist nicht dafür gemacht, nur mit einer Person zusammen zu sein! Das geht eben nicht!". So liest man beispielsweise in einem Artikel von Michèle Binswanger, der in der ZEIT erschienen ist:

"Denn sexuelle Treue im umfassenden Sinn ist unmöglich. Wir können uns die Lust versagen, wir können so tun, als gäbe es sie nicht. Aber es ist eine Täuschung."

Oder man guckt sich das Buch Sex. Die wahre Geschichte von Christopher Ryan und Cacilda Jethá an, indem es um folgendes geht: Monogamie ist von der Natur nicht vorgesehen. Mit dieser wissenschaftlich fundierten Erkenntnis stellen die Autor*innen unser Verständnis menschlicher Evolution und den angeblichen Kern unserer westlichen Gesellschaften infrage: die monogame Paarbeziehung.

Hm. Ihr wollt also Toleranz für eure Idee einer Beziehung, toleriert aber nicht, dass ich beispielsweise (zumindest momentan) keine offene Beziehung führen möchte? Einfach weil ich das eben mit den Jahren so für mich bemerkt habe?

Was erwartet ihr denn, wenn ich eure Lobeshymne gelesen habe? Dass ich nach Hause zu meinem Freund spurte und sage: "Mein Lieber, ich werde zwar zerplatzen vor Eifersucht und Trauer, aber offene Beziehungen sind jetzt der Shit und angeblich ist es das einzig Richtige. Cool."

‌Nein, das tut wahrscheinlich niemand. Denn es ist sicherlich wunderbar, dass es Menschen gibt, die ihre Liebsten teilen können und wollen. Es ist aber auch wunderbar, dass es Menschen gibt, die es nicht möchten. Und einfach nur sich wollen.

Auch wenn es angeblich gegen die Natur des Menschen ist und auch wenn es ja angeblich ach so viele Scheidungen, Fremdgeher*innen und Beziehungsunfähige gibt - es gibt trotzdem auch Paare, die sich selbst genug sind und treu sind und nichts anderes im Sinn haben.

Und das ist weder falsch noch richtig. Also lasst die doch einfach machen und stellt eure eigene Meinung und Vorstellung nicht über andere. Sicher dürft ihr stolz sein, dass ihr emotional so gereift seid und ohne Probleme in der Lage seid so einem Schema zu folgen. Genauso dürfen aber auch stinknormale und langweilige Paare stolz sein, dass sie ihre eigenen Ideale mit Bravour hinbekommen - trotz wissenschaftlich fundierter Erkenntnisse, die es mit Sicherheit gibt. Aber man darf ja auch mal was widernatürliches starten, oder? 

Und außerdem: traue nie einer Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast. Wie mein Opa immer sagt.

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