Das komplette Interview aus egoFM Reflex mit Felix Brückner
Von Gloria Grünwald (Interview) | Miriam Fischer (Artikel)
Bei Barrierefreiheit denken viele zuerst an Aufzüge oder Rampen, dabei muss das Thema viel ganzheitlicher betrachtet werden - auch in Bezug auf die Kulturbranche.
Felix Brückner ist Teamleiter der Initiative Barrierefrei Feiern, einem deutschlandweit aktiven Kollektiv von Menschen mit Behinderung, das Veranstaltenden hilft, ihre Events barrierefreier und inklusiver zu gestalten. Felix ist außerdem selbst Musiker und erzählt im Gespräch mit egoFM Gloria auch von seinen eigenen Erfahrungen als auftretender Künstler im Rollstuhl.
Felix Brückner über Barrierefreiheit
Das komplette Interview zum Anhören
Ein gleichberechtigter Zugang für Menschen mit Behinderung
Dafür setzt sich die Initiative Barrierefrei Feiern ein und unterstützt nicht-behinderte Menschen bei diesem Prozess. Denn damit, die Stufen vor einem Club im Namen der Barrierefreiheit zu einer Rampe umzubauen, ist es nicht getan, erklärt Felix. Barrierefreiheit muss schon viel früher beginnen und umfassender gedacht werden: Veranstalter*innen müssen sich beispielsweise die Frage stellen, ob die Onlinekommunikation auch für blinde und sehbehinderte Menschen zugänglich und auch für Menschen mit Lern- und Leseschwierigkeiten verständlich ist oder sich damit auseinandersetzen, wie zugänglich der Anreiseweg zu einem Event überhaupt ist.
"Wir sagen immer: Hinkommen, reinkommen, klarkommen müssen. Das heißt, wir müssen uns im Voraus die Kommunikation angucken, den Anreiseweg, dann wirklich wie wir reinkommen und dann geht's halt wirklich auch um die Struktur innerhalb einer Veranstaltung, beispielsweise mit Blick auf Toiletten [...]." - Felix Brückner
Dafür ist es unerlässlich für die Veranstalter*innen, mit Menschen mit Behinderung zusammen zu arbeiten. Die Initiative Barrierefrei Feiern verfolgt den Ansatz, dass Menschen mit Behinderung Menschen ohne Behinderung beraten. Das heißt, die Expert*innen von der Initiative stellen ihr Wissen und ihre Kontakte zur Verfügung, um (mehr) Barrierefreiheit und Inklusion in die Kulturbranche zu bringen. Das ist der einzig richtige Weg, betont Felix.
Fehlende Barrierefreiheit ist allerdings kein alleiniges Problem der Clubkultur, sondern ein gesamtgesellschaftliches Problem, was sich lediglich in der Kulturszene spiegelt.
Damit eine längst überfällige Veränderung endlich gelingt, braucht es das Zusammenspiel von Sanktionen und finanzieller Förderung. Denn nur mit Freiwilligkeit und sozialem Engagement klappt das kaum beziehungsweise nur sehr langsam, betont Felix. Dabei gibt es schon sehr klare Gesetzesgrundlagen. In Artikel 3, Satz 3 des Grundgesetzes heißt es beispielswiese: Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Und auch die UN-Behindertenrechtskonvention definiert klare Regelungen. Bisher werden diese allerdings immer noch nicht als geltendes Recht behandelt und Verstöße nicht genug verfolgt.
"Ich glaube auch, dass der Bedarf nach wie vor sehr unterschätzt wird und man uns Menschen mit Behinderung so in die 'Wir bleiben Zuhause und sind eigentlich gar nicht so interessiert-Ecke' schiebt. Und das ist nicht so. Wir wollen da draußen sein, wir wollen sichtbar werden, wir wollen zeigen, dass der Bedarf groß ist zur Veränderung - aber wir werden einfach infrastrukturell und kommunikativ diskriminiert." - Felix Brückner
Was Barrierefreiheit bedeutet und wie weit Deutschland zum Beispiel mit barrierefreien Bahnhöfen ist, erfährst du hier im egoFM Reflexikon.
Es braucht ganzheitliche Inklusion
Inklusion beschränkt sich natürlich nicht auf die Besucher*innenebene, sondern muss - in der Kulturbranche wie auch überall sonst - ganzheitlich betrachtet werden:
"Man muss Inklusion eben auch ganzheitlich denken und das bedeutet eben nicht nur, sich auf Besucher*innen zu konzentrieren, sondern auch auf Künstler*innen mit Behinderung und auf Angestellte mit Behinderung in der Kultur. Sodass einfach ganz selbstverständlich unsere Bedürfnisse und Perspektiven mitgedacht werden. Und dann kommen wir irgendwann zu dieser Inklusion, weil gerade sind wir irgendwie bemüht, Barrierefreiheit herzustellen und Zugänge zu schaffen und sind noch weit von Inklusion entfernt." - Felix Brückner
Denn wenn ein Team divers ist, wird auch ganz selbstverständlich an verschiedene Bedürfnisse gedacht und ein diverses Publikum angesprochen. Und um das zu erreichen braucht es einen niedrigschwelligen Zugang zum Arbeitsmarkt. Auch gehörlose Menschen haben beispielsweise einen besonders schweren Zugang zur Kulturbranche. Das könnte verbessert werden, in dem die Kosten für Gebärdendolmetscher*innen bei Praktika oder Minijobs übernommen werden.
Hindernisse erlebt Felix auch selbst immer wieder. In seinem Alltag, aber auch bei Auftritten mit seiner Band FHEELS. Als Künstler mit Behinderung gehört es für ihn dazu, ständig auf Barrieren zu stoßen, erzählt er.
"Grundsätzlich ist die Geschichte meist so, dass ich auf die Bühne getragen werden muss. Das zeigt, denke ich, ganz deutlich, wo wir uns bewegen. Gerade in den Künstler*innenbereichen wird noch viel weniger an Barrierefreiheit gedacht als im Besucher*innenbereich - und da siehts schon schlecht aus." - Felix Brückner
Solidarität von der nicht-behinderten Mehrheitsgesellschaft ist gefragt:
Um Veränderung zu schaffen, brauchen Menschen mit Behinderung Solidarität und Verbündete. Das heißt zum Beispiel, dass Nicht-Betroffene mit offenen Augen durch die Welt gehen und die Verantwortlichen auf Hindernisse wie fehlende Rampen oder schlecht leserliche Inhalte aufmerksam machen.
"Es gibt einfach viele Möglichkeiten, sich als nicht-behinderter Mensch quasi solidarisch zu zeigen, sich zu verbünden und uns dabei zu helfen, eben schneller Fortschritte zu machen. Weil ich denke, ein gewisser öffentlicher Druck ist einfach auch wichtig." - Felix Brückner
Felix Brückner | credits: Sophie Schwarzenberger
Infos zum Angebot der Initiative Barrierefrei Feiern findest du hier:
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