Gefahren des Schwarz-Weiß-Denkens

Gefahren des Schwarz-Weiß-Denkens

Psychoanalytikerin Christine Kirchhoff im Gespräch mit Elise

Psychologin Prof. Dr. Christine Kirchhoff war bei uns zu Gast und hat mit egoFM Elise darüber gesprochen, warum wir gerade in Krisenzeiten so gerne dem Schwarz-Weiß-Denken verfallen.


Entweder oder

Uns allen ist dieses Phänomen bekannt - wir denken oft nicht in vielen verschiedenen Nuancen, sondern im Entweder-Oder-Modus: dem Schwarz-Weiß-Denken. Warum ist das so? Was können wir tun, um ein bisschen mehr Farbe in unsere Gedanken zu lassen? Christine Kirchhoff, Psychoanalytikern an der International Psychoanalytic University in Berlin, hat anlässlich unserer Themenwoche Schwarz-Weiß mit egoFM Elise darüber gesprochen, was es mit diesem Phänomen auf sich hat, und wie es sich auf unser Leben auswirken kann.
  • Christine Kirchhoff über schwarz-weiß-Denken
    Das Interview zum Nachhören


Die Welt einfacher machen


Das ist in erster Linie die Funktion, die das Schwarz-Weiß-Denken für uns erfüllt. Dabei wird das Problem in zwei Hälften aufgeteilt: die schwarze und die weiße. Das Ganze findet statt, bevor man sich überhaupt richtig mit dem Problem oder der Situation auseinandergesetzt hat.
"Das kennt glaub ich auch jeder vom Streiten, wenn man einen richtigen Konflikt hat. Dass man dann denkt, der andere hat auf jeden Fall in allen Punkten total unrecht und alles was ich denke ist richtig" - Christine Kirchhoff


Kein Platz für Zwischentöne


Vor allem der eindeutige Charakter, den unser Denken in solchen Situationen hat, wird mit dem Begriff des Schwarz-Weiß-Denkens betont.
"Wenn etwas entweder schwarz oder weiß ist, dann gibt es keinen Platz für Zwischentöne." -Christine Kirchhoff
In Wahrheit haben die meisten Probleme jedoch verschiedene Aspekte - und sind nicht schwarz oder weiß, sondern vielleicht auch mal grau oder sogar bunt.


Warum machen wir so was?

"Die Ursachen liegen so in der Individualpsychologie oder Psychoanalyse. Man sagt, die Ursachen liegen wirklich darin, dass man sich nicht mit dem Problem oder Konflikt beschäftigen möchte. Denn dann würde man mit Gefühlen konfrontiert werden, die irgendwie schlecht auszuhalten sind."
Dann werden die Gedanken einfach aufgeteilt - und man muss sich nicht negativen Gefühlen, Ängsten oder Zweifeln aussetzen. Außerdem macht das Schwarz-Weiß-Denken die Welt übersichtlicher:
"Das kann man nicht nur an Debatten bezüglich der Coronakrise erkennen, sondern zum Beispiel auch an der Popularität der Rechtspopulisten. Sie liefern einfache Antworten auf komplizierte Probleme" - Christine Kirchhoff


Die Gefahren des Schwarz-Weiß-Denkens


Hier verdeutlicht sich, dass diese Art zu denken nicht ganz ungefährlich ist. Dies zeigt sich auch auf individueller Ebene, aber das gleiche gilt auch für gesellschaftliche Probleme.
"Wenn man sich die Welt so einfach macht, dass man zum Beispiel sagt Corona ist so unglaublich schwierig und eine komplette Zumutung und es passt überhaupt nicht in unser gesellschaftliches Selbstbild, dann ist es einfach zu sagen Corona gibt es gar nicht." -Christine Kirchhoff


Was können wir daraus lernen?


Schwarz-Weiß-Denken passiert dann, wenn man psychisch unter Druck gerät. Daher könnte es auch sein, dass die Tendenz zum Schwarz-Weiß-Denken wieder nachlässt, wenn sich die gesellschaftliche Situation wieder entspannt. Auch bei sich selbst merkt die Psychoanalytikerin manchmal, dass sie ins Schwarz-Weiß-Denken verfällt.
"Ich glaube, es geht weniger darum, das auszuschalten, wie die Fähigkeit zu entwickeln, das zu merken". - Christine Kirchhoff

Am besten also, man versucht innerlich stabil zu bleiben - und sich daran zu erinnern, dass unsere Welt eigentlich bunt ist.

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