Die größten Identitätsschwindler*innen

Die größten Identitätsschwindler*innen

Und ihre Geschichte

Von  Sabrina Luttenberger
Einfach mal jemand anders sein? Haben wir uns wahrscheinlich alle schon mal gewünscht. So professionell wie diese fünf Personen ziehen es aber die wenigsten durch.


Anna "Delvey" Sorokin

Party-Brunch, teure Kleider und Sterne-Restaurants. Hach ja, die New Yorker High Society genießt ihr Luxusleben in vollen Zügen. Alles was zählt, ist Geld, Macht und Aussehen. Und wer's nicht hat, kann ja zumindest so tun. So wie Anna Delvey - Deutsche Erbin mit wahnsinnig viel Kohle. Also zumindest wie gesagt - sie tut so. Sie checkt in schicke Hotels in SoHo ein, erzählt, dass sie ein riesen Kunst Business plant und spendiert allen Leuten, die sie in New York kennenlernt, erstmal teure Abendessen und Urlaube in Luxus Suiten. Das macht sie mit einem Kredit, für den sie Dokumente fälscht und Finanzberater*innen erfindet.

Irgendwann ist das Geld aber weg, also leiht es sich Anna bei ihren Freund*innen – wobei leihen das falsche Wort ist, sie hat nicht vor, es zurückzuzahlen. Eine Freundin kommt ihr schließlich auf die Schliche und liefert sie 2017 der Polizei aus. Vier Jahre lang hat sie ihre "Freund*innen", Hotels und Banken betrogen. Um insgesamt 275 Tausend Dollar! Und jetzt wird auch klar: Anna Delvey gibt es gar nicht – eigentlich heißt sie Anna Sorokin und kommt aus Russland. Wirklich schuldig fühlt sie sich für ihre Taten nicht.

Trotzdem kommt sie fast 2 Jahre in Haft.

Als sie aus dem Gefängnis kommt wird sie wieder festgenommen, weil sie ihr Visum überzogen hat. Mittlerweile lebt sie mit Fußfessel in einer Wohnung im East Village – sie hat immer noch Hausarrest. Business macht sie trotzdem: Einmal mit selbstgezeichneten Skizzen, andererseits durch die Netflix-Serie Inventing Anna, für die ihr mehr als 300.000 Dollar gezahlt werden. Und die Serie fasst nochmal ganz gut zusammen, wie Anna Delvey… Anna Sorokin so drauf ist:


Frank William Abagnale Jr.

Es gibt da diese eine nervige Frage nach der Schule oder Uni, die uns wahrscheinlich alle in den Wahnsinn treibt: "Uuuund, was willst du mal werden?" Keine Ahnung, ich weiß es doch selbst nicht! Wenn du dich auch nicht festlegen willst, dann mach doch einfach alles auf einmal. So wie Frank Abagnale: Er ist Pilot, Arzt, Anwaltsassistent oder Unidozent. Moment Jura und Medizin gleichzeitig studieren und um die Welt jetten, geht ja gar nicht, sagst du? Najaaa, Frank tut ja auch nur so. Er ist der meistgesuchte Hochstapler der 60er-Jahre.

Alles fängt damit an, dass sein Vater ihn zu Geschäftsessen mitnimmt. Dort ist er begeistert von den Männern in Anzügen und will werden wie sie: reich und begehrt. Schließlich bricht er die Schule ab und zieht nach New York, um dort Blankoschecks in Bargeld zu tauschen. Am Flughafen beschließt er eines Tages quasi spontan, sich als Pilot auszugeben, einerseits damit er nicht auffliegt, andererseits, um kostenlos durch die Welt zu jetten. Und es klappt.

Als die Polizei ihn fast erwischt, sucht er sich eine neue Identität: als Kinderarzt.

Mittlerweile hat er seine Täuschungstaktik perfektioniert und fälscht Schecks und alle möglichen Dokumente. Eines Tages fliegt aber auch Frank Abagnale auf: ausgerechnet am Flughafen – wo alles begann – wird er verhaftet und zu 12 Jahren Haft verurteilt. Aber: das FBI macht ihm ein Angebot: Sie brauchen seine Expertise beim Massenphänomen Scheckbetrug. So kommt es, dass er nicht nur vorzeitig entlassen wird und seine ergaunerten 2,5 Millionen Dollar zurückzahlt, sondern auch bis heute an der FBI-Akademie junge Agent*innen ausbildet. So eine absurde Story, dass Steven Spielberg sie mit Catch Me if You can verfilmt.


Eine Geschichte, die auch Hollywood nicht besser hätte erfinden können.
  • Anna "Delvey" Sorokin
    Die größten Identitätsschwindler*innen
  • Frank William Abagnale Jr.
    Die größten Identitätsschwindler*innen
  • Simon Leviev
    Die größten Identitätsschwindler*innen
  • Prinzessin Carabu
    Die größten Identitätsschwindler*innen
  • Rémi Gaillard
    Die größten Identitätsschwindler*innen


Simon Leviev

Ein Swipe kann dein Leben verändern. So wirbt gefühlt jede Dating-App für sich. Aber dass genau so ein Swipe es auch zur Hölle machen kann, das verraten uns Tinder und Co. natürlich nicht vorher. Mehreren Frauen ist aber genau das passiert. Der Grund: Simon Leviev. Besser bekannt als der "Der Tindler-Schwindler", aber mal von vorne. Shimon Hayut wächst in einfachen Verhältnissen in Tel Aviv auf, ändert aber dann seinen Nachnamen in Leviev. Denn: Ein Diamanten Mogul heißt genauso – praktisch, so kann sich Simon also als vermeintlicher Sohn ausgegeben und die Frauen, die er in der Dating-App kennenlernt mit seinem extravaganten Lifestyle bezirzen.

Erst umgarnt er sie mit Geschenken und Luxusurlauben, spielt ihnen die wahre Liebe vor und dann zack, erklärt er ihnen, er wird von Feinden bedroht, schwebt in Lebensgefahr und braucht deshalb Geld. Das erzählen betroffene Frauen auch in einer Netflix-Doku:


Sobald die ihm die teilweise sechsstelligen Geldsummen ausgezahlt haben - insgesamt rund 10 Millionen US-Dollar, verschwindet er und sucht sich sein nächstes Opfer. Deshalb dauert es auch, bis ihm die Polizei auf die Schliche kommt. Nach seiner Haft ist er mittlerweile wieder auf freiem Fuß, die Vorwürfe gegen ihn bestreitet er bis heute. Die Doku hat ihm ganz schön viel Aufmerksamkeit beschert: Gerade versucht er es in Hollywood: Angeblich plant er einen Podcast, ein Buch und – ironischerweise eine Dating-Show. Auf die Tipps sind wir mal gespannt!

Prinzessin Carabu

Es ist ein normaler Frühlingstag im Jahr 1817, als an einer Hütte im kleinen englischen Dorf Almondsbury plötzlich eine Frau an der Tür klopft. Sie trägt einen Turban und spricht eine völlig unverständliche Sprache. Keine*r weiß, was mit ihr passiert ist oder wer sie ist, keine*r versteht sie. Mit Händen und Füßen erklärt sie am nächsten Tag, dass sie Carabu heißt. Sie sei eine Prinzessin der Insel Javasu, von der sie von Piraten entführt wurde. Von ihrem Schiff konnte sie aber fliehen indem sie von Bord sprang und durch den stürmischen Ärmelkanal schwamm. Die Geschichte spricht sich schnell herum und so werden auch Journalist*innen auf sie aufmerksam. Einer davon veröffentlicht ein Portrait über die vermeintliche "Prinzessin" - der Anfang von Carabus Ende. Denn ihre ehemalige Untermieterin erkennt Carabu in der Zeitung, allerdings nicht als reiche Prinzessin, sondern als Mary, eine ordinäre Frau aus Devonshire.

Mary gibt den Betrug zu und rückt mit der Wahrheit raus.

In London hat sie einen Mr. Baker geheiratet, der ihr viel von seinen fernöstlichen Reisen erzählt. Als er plötzlich verschwindet, will sie nach Amerika auswandern, hat aber nicht genug Geld dafür. Ihre Rolle als Prinzessin Carabu soll ihr dabei helfen. Erstaunlicherweise wird sie nach ihrem Geständnis nicht der Polizei übergeben, sondern bleibt in Almondsbury und wird zur Berühmtheit. Letztendlich schafft sie es so doch noch nach Amerika, kommt aber ein paar Jahre später wieder nach England zurück. Tja, selbst als Hochstaplerin - zuhause ist es eben doch am schönsten.

Rémi Gaillard

Dass Comedians für ihre Shows in andere Rollen schlüpfen, ist ja nichts Neues, Hape Kerkeling als Horst Schlämmer oder Bully Herbig als Sissi. Aber - auf der Bühne ist das ja fast ein Kinderspiel. Der französische Comedian Rémi Gaillard geht noch einen Schritt weiter: Er gibt sich als Profisportler aus landet damit genau dort, wo man ihn vermuten würde: auf dem Spielfeld! Bei der Tour de France gibt er sich als Teilnehmer aus und setzt sich während eines Interviews mit Trikot und Radlerhose ganz selbstverständlich neben die Profiradler*innen. Und bei der Volleyballweltmeisterschaft steht er neben dem Rest der französischen Mannschaft als Spieler mit auf dem Feld und singt lauthals die französische Nationalhymne mit.

Das Highlight ist aber das Finale des französischen Fußballpokals zwischen Lorient und Bastia 2002.

Lorient gewinnt mit 1:0 und feiert ausgelassen auf dem Spielfeld. Und mittendrin… genau Rémi. Dafür zieht er sich das Trikot der Gewinnermannschaft an und kommt so überraschend leicht auf den Rasen. So schleicht der Komiker sich mitten ihn die Siegerehrung, hält sogar den Pokal, läuft eine Ehrenrunde und unterschreibt die Fußbälle der Fans. Weder die Mitspieler noch sonst irgendjemand bemerkt den falschen Spieler. Sogar der damalige französische Präsident Chirac schüttelt ihm die Hand und sagt "Gut gespielt!" - womit er im Endeffekt ja gar nicht so unrecht hat…

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