Die Dörfer unserer Kindheit

Die Dörfer unserer Kindheit

Wir erinnern uns an die Orte, an denen wir groß geworden sind

Früher war alles besser. Wirklich? Wir erzählen, wo wir aufgewachsen sind und was wir mit diesen Orten verbinden.

Dominik (Moderation)

Heimatort: Bergen (Landkreis Traunstein)
Einwohnerzahl: 4.874
Ortszugänge: 3
Berühmt für/Sehenswürdigkeit: Piratensender Radio Kollmann (1999), unser Hausberg "Hochfelln"
Distanz zur nächsten (Dorf-)Disco: 2 km

"Am Alpenrand zwischen Chiemsee und Salzburg liegt das beschauliche Örtchen Bergen. Hier steppte in den Jahren 1995 bis 1999 der Bär, als das Piratenradio Kollmann den Frequenzbereich unsicher machte. Noch heute spricht man davon. Beliebt ist Bergen außerdem für den dorfeigenen Hausberg "Hochfelln", von dessen Gipfel man über den gesamten Chiemgau blicken kann sowie das ehemalige Hüttenwerk "Maximilianshütte". In die internationalen Schlagzeilen geriet Bergen durch einen ortsansässigen Hochstapler, der sich in den USA als Verwandter eines Öl-Multimilliardärs ausgab und wegen Mordes angeklagt wurde. Das FBI höchstpersönlich ermittelte in Bergen, CNN, BBC und weitere internationale Medien berichteten wochenlang aus der Dorfmitte. PS: Radio Kollmann auch..."



Kristina (Sales Team)

Heimatort: Markt Wartenberg (Landkreis Erding)
Einwohnerzahl: 4.706
Ortszugänge: 4, in jeder Himmelsrichtung eine, wie praktisch
Distanz zur nächsten (Dorf-)Disco: Zum "Crazytown" sind's 20 Minuten mit dem Auto oder drei Stunden Fußmarsch (bei dem man die wunderschöne Landschaft betrachten kann). Auf dem Parkplatz stehen auch regelmäßig die Traktoren der Besucher…
Berühmt für/Sehenswürdigkeit: Gibt's keine, aber es gibt alle drei bis vier Jahre an Fasching die Tradition der "Bettelhochzeit", für die Wartenberg relativ bekannt ist. Da herrscht absoluter Ausnahmezustand. Alle schmieren sich Ruß ins Gesicht, verkleiden sich als Bettelleute und ziehen durchs Dorf. Es ist völlig okay, wenn man um 10 Uhr morgens sternhagelvoll ist und es werden heiße Kartoffeln mit Salz auf einem silbernen Tablett verteilt. Die sind nämlich besonders gut bei einem fetzen Rausch. Ich liebe es.



Laura (Marketing)

Heimatort: Gräfelfing alias G-town
Einwohnerzahl: 12.821
Ortszugänge: 7 inkl. sogar einer Autobahnausfahrt
Berühmt für/Sehenswürdigkeit: Wohnort von Derrick Star/Tatort Legende Horst Tappert gewesen sowie jetzt von Güther Sigl von der Spider Murphy Gang und Bata Illic (man kennt ihn durch Hits wie "Michaela" oder "ich möcht' der Knopf an deiner Bluse sein").
Distanz zur nächsten (Dorf-)Disco: 9,2 Kilometer mit dem Auto und 18 Minuten mit der S-Bahn zur Nachtgalerie alias NaGa (Getränkebörse...).

"Gräfelfing, liebevoll G-Town von uns genannt, liegt nicht weit entfernt und kurz hinter Pasing. Es ist tatsächlich gar kein richtiges Dorf, trotzdem zog es mich schnell in die echte Stadt ins Zentrum von München, um unter anderem den Gräfelfinger Getto-Gangstern und der verfeindeten Gang, der Lochamer Crime zu entkommen. Nein, es war sehr beschaulich und schön dort. Um 18 Uhr werden die Gehsteige hochgeklappt, jeder grüßt jeden und da meine Mama ihren Friseurladen direkt in DER Hauptstraße - in der Bahnhofstraße - hat, saß ich direkt an der Quelle, was den G-Town-Gossip angeht..."


Anna (Moderation)

Heimatort: Ladenburg (Baden-Württemberg)
Einwohnerzahl: 11.537
Ortszugänge: 5 und eigene Autobahnausfahrt auf der A5
Berühmt für/Sehenswürdigkeit: Ladenburg ist die älteste Stadt rechts des Rheins. Und Carl Benz hat hier gelebt. Deshalb steht in Ladenburg auch das allererste Automobil, das je von Benz fabriziert wurde.
Distanz zur nächsten Disco: 17 km

"Wenn ma aus Ladebuag kummt, dann babbelt ma erschdemol so. Unn wenn man sisch ganz doll oschdrenge tut, dann schafft mas vielleischd, hochdeitsch zu babbeln.Das habe ich zumindest mittlerweile gelernt – auch wenn der Singsang zwangsläufig wiederkommt, wenn ich an Heidelberg vorbeifahre. Denn Ladenburg liegt nur circa 14 km davon entfernt. Meine Kindheit und Jugend habe ich in LA verbracht – Kindergarten, Grundschule, Gymnasium, Abi. Den Sommer haben wir auf der Neckarwiese verbracht, die Abende beim Billarden im "Falken" oder im "Café Provence". Treffpunkt war immer an der Telefonzelle oder am Wasserturm und der letzte Bus in Richtung Freiheit fuhr gegen 20 Uhr.Ich kann im Nachhinein sagen: Schee wars, in Ladenburg groß zu werden. So schön, dass du mich noch heute dort nachts aussetzen kannst und ich kenne jede Ecke in- und auswendig. LA forever!"



Lola (Moderation)

Heimatort: Preßgrund (bei Regenstauf)
Einwohner: 179
Ortszugänge: 2 über normale Straßen, mehrere durch die Wälder
Berühmt für/Sehenswürdigkeit: Der ehemalige Regenstaufer Polizeichef meinte letztens: Preßgrund, da waren doch früher die Jugendgangs. Nein, es war nur eine "Gang" und das waren meine Freunde und ich... Und einmal im Jahr gibt es am Ostersonntag die "Osterhasenparty" in einer Scheune. Das war's. 
Distanz zur nächsten (Dorf-)Disco: 3 km, das "Way Up" in Regenstauf hat ja jetzt auch wieder aufgemacht. Allerdings gibt's in Preßgrund keine wirkliche Busverbindung, nur den Schulbus in der Früh und am Nachmittag.

"Preßgrund ist seeeehr idyllisch. Es gibt eine Bushaltestelle (ohne richtige Busverbindung), einen Postkasten und zwei Zigarettenautomaten, wobei die mittlerweile auch gar nicht mehr funktionieren. Keine Gaststätte, keinen Bäcker, keine Kirche. Nur Wälder und Felder. Klingt im ersten Moment ziemlich langweilig, war's aber ganz und gar nicht. Mit unserem Leiterwagen "Tante Emma" sind wir als Kinder die leere Hauptstraße runtergefahren, was im Nachhinein so ganz ohne Bremse vielleicht doch nicht immer so die super Idee gewesen ist. Später haben wir im Wald ein riesiges Lager gebaut, in dem wir auch Parties gefeiert haben. Gut, wenn man nach Regensburg zum Feiern wollte, war das mit dem Heimkommen schon immer so eine Sache. Aber seit ich 17 bin, fährt mich immer der gleiche Taxifahrer heim. Und wenn am Ende des Monats mal das Geld knapp wurde, hat er mich auch mal so heimgebracht, ins schöne Preßgrund. Achja, seitdem ich weg bin, gibt's tatsächlich zwei neue Sehenswürdigkeiten: Mittlerweile hat eine Zirkusschule bei uns eröffnet und gerade wird eine große Reitschule gebaut."




Elise (Moderation)

Heimatort: Attendorn (Nordrhein-Westfalen)
Einwohnerzahl: 24.786, aber das hat sich gefühlt erst verdoppelt, seit ich da weg bin
Ortszugänge: 4, auch Porten genannt - da brennt dann an Ostern immer jeweils ein fettes Osterfeuer in Form eines Kreuzes HARHARHAR! 
Berühmt für/Sehenswürdigkeit: Wir haben den Biggesee, die Atta-Höhle eine verdammt große Tropfsteinhöhle und das Jungeninternat, das ich viel öfter besucht habe.
Distanz zur nächsten (Dorf-)Disco: wenn man das "FLAIR" (oller, verschrammelter Kellerraum) nicht mitzählt - was gleich im Mittelpunkt der Stadt lag und noch liegt - musste man nach Köln (89 km) oder Dortmund (77 km) fahren.

"Attendorn war zu meiner Zeit noch eine recht niedliche grüne Stadt im Sauerland, wo die Welt noch in Ordnung war. Auf den Kuhwiesen konnte man im Winter noch Schlittenfahren, im Wald vor dem Haus wurden BMX-Strecken und Buden gebaut - wir hatten kein Kino oder gescheites Schwimmbad, Punk-Bands gab es an jeder Ecke und ständig wurde kräftig irgendwas gefeiert - Hauptsache, es floss Bier."




Konrad Schwingenstein (Senderpapa)

Heimatort: Kempfenhausen
Einwohnerzahl: 8.296
Ortszugänge: 3
Berühmt für/Sehenswürdigkeit: das Mädchenpensionat und die Marianne-Strauß-Klinik
Distanz zur nächsten (Dorf-)Disco: 4 km

"Kempfenhausen liegt auf der Schokoladenseite des Lebens, am Ostufer des Starnberger Sees, das heißt jeden Abend feinster Sonnenuntergang. Genauso die Schlecht-Wetter-Show, die über das Wasser fegt. Hildegard Knef hat in Kempfenhausen gewohnt - ich hab sie nur leider nie getroffen. Früher gab's Frau Kellers Tante-Emma-Laden, da gab es frische Semmeln und Milch. Am See gab es einen Kiosk, bei dem man Gummibärchen etc. kaufen konnte. Bei Hochwasser schipperte man im Schlauchboot durch den Kiosk. Wenn man Stufen-Gebete auf Latein aufsagen konnte, durfte man ministrieren und die Glocke läuten und durfte später in die Schule gehen - also nach der Messe - und bekam frische Semmeln, Bierwurst und einen Kinderkaffee."



Miriam (Redaktion)

Heimatort: Würzburg
Einwohnerzahl: 130.000
Berühmt für/Sehenswürdigkeit: Die Festung, alte Mainbrücke und vor allem Wein und Weinberge.

"Die Franken sind insgesamt nicht gerade für ihre Freundlichkeit bekannt - die Würzburger gehen da mit gutem Beispiel voran! Schaut man aber mal hinter die Fassade der mürrischen Gesichter, lernt man ab und an doch ganz nette Menschen kennen. Und vor allem den Sommer kann man am Main wunderbar mit Wein und Bier genießen (zumindest auf der Mainseite, auf der kein Alkoholverbot herrscht). Alternative Clubs, vegane Restaurants, lange Strecken zum Longboarden am Main, Programmkinos und alles, was das Student*innenherz sonst so begehrt, hat Würzburg zu bieten. Und das Wichtigste: Wir rollen nicht alle das R."



Vitus (Musikredaktion/Produktion)

Heimatort: Haar
Einwohner: 21.000
Berühmt für/Sehenswürdigkeit: Das Isar-Amper-Klinikum München-Ost (auch liebevoll "Kreisirrenanstalt" genannt)
Distanz zur nächsten (Dorf-)Disco: Das "DINO" ist zwar eher ein Jugendzentrum und kein Club, für Schulparties wurde es trotzdem missbraucht. Wenn grade keine war, fuhr einen die S-Bahn (leider) zuverlässig die 10 km ins "Willenlos".

"Haar ist ziemlich an der Grenze zwischen der bayrischen Dorflandschaft und der "Stadt" München. Der Ort ist viel zu langweilig, um sich Stadt schimpfen zu dürfen, aber dann doch zu überfüllt, um noch irgendwelche Dorfidylle transportieren zu können. Die komplette Tristesse wurde durch unerlaubte Grillparties in der Kiesgrube oder durch ebenfalls unerlaubtes herumlungern am sogenannten Tümpel bekämpft. Im Ernst, da gab es ein Schild das wortwörtlich HERUMLUNGERN untersagt hat. Wer hängt sowas auf??"


Valentin (Redaktion)

Heimatort: Dechsendorf aka Dechsenhood
Einwohnerzahl: 3.448
Ortszugänge: 5
Berühmt für/Sehenswürdigkeit: Dechsendorfer Weiher
Distanz zur nächsten (Dorf-)Disco: 6 km (Zille beschte)

"Ich bin zwar erst mit sechs Jahren nach Dechsendorf gezogen, aber weil ich da aufgewachsen bin und meine Eltern immer noch dort leben, betrachte ich es als Dorf meiner Kindheit und Jugend. In den ersten paar Jahren konnte man im Weiher immer noch baden, inzwischen eutrophiert er aber jeden Sommer, sodass man miesen Ausschlag bekommt. Im Winter konnte man auf ihm Schlittschuh laufen, aber auch diese Zeiten sind ja leider vorbei. Trotzdem hat die riesige Wasserfläche nichts an Charme eingebüßt. Es gibt kaum einen schöneren Date-Spot als den Weiher bei Sonnenuntergang. Und meine ganzen Freunde, die im Sommer Geburtstag hatten, haben natürlich am Weiher gefeiert. Egal, wie feucht-fröhlich der Abend wurde, ertrinken ging nicht. Dafür war der Weiher kaum tief genug. Früher gab es noch einen "Spar" und danach einen "Schlecker". Bis heute gibt es eine Dorfkerwa, auf der man es unter zwei Promille nicht länger als zehn Minuten erträgt. Unser Treffpunkt für deepe Gespräche und dem ungewissen Ende der Schulzeit entgegenblicken war stets "Der Baum" - ein großer, umgestürzter, aber noch verwurzelter Baum im Wiesengrund."



Sebastian (Redaktion)

Heimatort: Niederwinkling (Landkreis Straubing-Bogen)
Einwohnerzahl: 2.607
Ortszugänge: zwei Kreisstraßen in den Ort selbst (+Donauufer und Bundesautobahn A3 im Gemeindegebiet)
Berühmt für/Sehenswürdigkeit: legendärer Bandraum im ehemaligen Gemeinderatssitzungssaal und Hans-Jürgen Buchner aka. Haindling hat als Kind und Jugendlicher auch in NW gewohnt
Distanz zur nächsten (Dorf-)Disco: 23,4 km nach Ascha zum legendären "Penker" (wurde leider 2015 - wie man munkelt - warm saniert). Ansonsten stabile 21,4 km nach Straubing, 17,5 km nach Deggendorf. Wenn es keinen anderen Ausweg gab: 4 km zu Fuß ins Nachbardorf in das Engelbert-Strauß-Hosen belagerte Tanzlokal "A3".

"Weitere "Spaßfakten": Niederwinkling liegt genau fünf km vor der Grenze zum Bayrischen Wald. 2010 und 2013 wurde Niederwinkling als eine der drei wirtschaftlich stärksten Kommunen Deutschlands ausgezeichnet. Einmal im Jahr stürmen bis zu 3000 Menschen (und mehrere Krankenwägen) aus ganz Niederbayern den Ort, um sich beim Faschingsball der Landjugend für zwei Euro mit "Rüscherl" und "Flügerl" die Lichter auszuschießen. Dazu lauschen sie den Beats von DJ Tommy Locco & DJ Schinken. "Einlass unter Vorbehalt und ab 14 Jahren" (Originaltext aus der VA, hell yeah!) Persönliche Pros & Cons: Cons: verkopfter Heimatstolz, ewige Vereinsmeierei (der erste Vorstand des Fußballvereins steht in der sozialen Dorfhierarchie gefühlt meilenweit über dem Bürgermeister), kein Zugang zu (sub-)kulturellen Angeboten - Naja, außer man steht auf ehrlichen Garagensuff im Neubaugebiet mit Musik von AC/DC. und den immer zwei gleichen STS Songs. Um 0 Uhr wird dann die Bayernhymne auf einem sehr bayerischen Sender (...) gehört. Pro: Landschaftlich ganz schön, Mama & Papa."



Julian (Musikchef)

Heimatort: Ilshofen (Landkreis Schwäbisch Hall, Baden-Württemberg)
Einwohnerzahl: 3.500
Ortszugänge: offiziell 7
Berühmt für/Sehenswürdigkeit: Die Nähe zur Autobahn, der einheimische Maschinenbaubetrieb (Weltmarktführer!), die Burgruine Leofels und Zuchtviehauktionen in der Arena Hohenlohe
Distanz zur nächsten (Dorf-)Disco: 15 km (oder: eine Flasche vorgemischter Wodka-Lemon zu viert)

"Ich liebe Ilshofen. Es ist eine Kleinstadt wie jede andere. Die gleichen tristen Geschichten, kein (oder nur besoffen ertragbares) kulturelles Angebot und ein beschissener Fußballverein. Mit anderen Worten: Es ist wie Giesing. Und da leb ich jetzt seit fast zehn Jahren. Aber in Ilshofen sind die Mieten billig, die Nachbarn klauen nicht meine Pakete und dort sehe ich tagsüber genauso viele Kühe wie nachts Sterne."



Max (Moderation)

Heimatort: Niedergebraching (Landkreis Pentling, Regensburg)
Einwohner: ca 1500
Berühmt für/Sehenswürdigkeit: die Hubertusschützen und den Schweinswirt (beides im selben Haus)
Distanz zur nächsten (Dorf-)Disco: 14 Minuten zum "Airport Obertraubling", 15 Minuten zur "Suite15" in Regensburg. Zwar nur eine Minute Differenz, aber dazwischen liegen Welten!

"Ich liebe Niedergebraching. Vom Lager bauen im Wald bis zum Mixtape basteln im Jugendheim ist es der perfekte Ort, um eine glückliche Kindheit zu haben. Das "Judgement" haben wir mit Musiksessions sogar Zeitweise über die Dorf- und Stadtgrenze hinaus bekannt gemacht. Leider wurde dieser Hotspot vor über 10 Jahren zur Hälfte abgerissen und dient jetzt als malerische Dauerbaustelle neben der Kirche."



Anna (Leitung Online-Redaktion)

Heimatort: Münchner Stadtbezirk 2 aka Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt
Einwohnerzahl: 51.644
Ortszugänge: Hier stellt sich eher die Frage: Wo ist kein Ortszugang?
Berühmt für/Sehenswürdigkeit: Offenheit, gute Feiermöglichkeiten, eine florierende LGBTQI*-Szene, die besten Spielplätze Münchens, die größte Anhäufung vietnamesischer Restaurants auf einem Fleck
Distanz zur nächsten (Dorf-)Disco: 400 Meter von der Haustür bis zur Milla

"Man muss dazu sagen, dass der Auftrag, auf den ich mit diesem Steckbrief antworte, eigentlich ein ganz anderer war. Nämlich: 'Schreibt mal einen Steckbrief über euren Heimatort'. Und der hat mich dezent überfordert, weil mich diese Heimatfrage ratlos stimmt - immerhin bin ich weder in München geboren, noch aufgewachsen, niemand meiner nächster Verwandten wohnt hier und überhaupt bin ich selbst auch erst seit knapp zwei Jahren am alten Südfriedhof zu Hause. Aber ehrlich gesagt war das die beste, die für mich ehrlichste Antwort, die ich finden konnte.

Ich bin auf einem anderen Kontinent geboren, auf dem ich lediglich vier Jahre meines Lebens verbracht und zu dem ich heute höchstens noch Bezug durch das Essen und Tequila habe. Aufgewachsen bin ich dann in Hofolding, im Landkreis München. Dort waren wir aber immer die Zugeroasten, wie man auf Bayerisch sagt, wenn man vielmehr meint: "Du gehörst hier nicht her." Trotzdem mochte ich es dort sehr: die weiten Wiesen, der Wald, der Kramerladen… Kontakt zu irgendwem von da pflege ich heute aber nicht mehr. Außerdem sind wir dann, als ich frisch eine Teenagerin wurde, in den Speckgürtel gezogen. So richtig angekommen bin ich in Perlach aber nie. Die Verbindung in die Stadt war nachts fast genauso unmöglich wie vom Land aus und die Nachbar*innen kümmern sich alle nur um ihren eigenen Scheiß und wollen nichts mit einem zu tun haben. Auch in Nymphenburg, wo ich in meine erste und wahrscheinlich letzte WG gezogen bin, war ich nie so verankert, dass ich das jemals als meine Heimat bezeichnet hätte.

Jetzt aber Stadtbezirk 2. Endlich angekommen: Ich gehe gerne im Viertel spazieren, habe meinen Stammplatz an der Isar bei der Wittelsbacherbrücke, kenne die Besitzer*innen und Mitarbeiter*innen des Zeitschriftenladens, des Cafés, die meisten Kellner*innen der Restaurants im Umkreis meiner Wohnung mit Namen und umkehrt und habe mein zweites Wohnzimmer in der Milla eingerichtet. Hier fühle ich mich also wirklich endlich mal dahoam, wie man schon wieder auf Bayerisch sagt. Nur, dass hier zum Glück niemand Bayerisch spricht."



Sandra (CvD und Moderation)

Heimatort: Bad Tölz
Einwohnerzahl: 18.802
Ortszugänge: Keine Ahnung
Berühmt für/Sehenswürdigkeit: Den Bullen von Tölz, Erlebnisbad Alpamare (beides gibt es nicht mehr)
Distanz zur nächsten (Dorf-)Disco: Großraumdisco "Blu" gab's in der Stadt, ich hab allerdings lieber den damals legendären Indiekeller "Subraum" aufgesucht, der drei Stockwerke unter der Erde und noch dazu direkt in meiner Straße lag.

"50 km südlich von München bin ich in der beschaulich-pittoresken Kleinstadt Bad Tölz aufgewachsen. Nachdem meine Eltern beide nicht von dort kamen, war Bairisch meine erste Fremdsprache, deren Erlernen mir meine Kindheit durchaus erleichtert hat. Ich habe dort eine sehr schöne Kindheit und Jugend erlebt, in der ich jeden Tag nach der Schule Skifahren oder in einem der nahe gelegenen Seen baden gehen konnte (wo kann man das sonst?) und in der es doch immerhin so viel "Szene" gab, dass man künstlerische, musikalische und kulturelle Interessen entwickeln konnte. In dem Zusammenhang war ich auch dankbar für meine Schule, in der so etwas sehr gefördert wurde. Mein Fazit heute: ideale Stadt zum Aufwachsen und alt werden. Dazwischen habe ich dort nicht viel zu tun, weil meine Familie nicht von dort kam und heute auch keiner mehr dort wohnt. Aber unbedingt vormerken als Zwischenstopp für einen Spaziergang und die Aussicht vom Kalvarienberg genießen, falls du mal in der Nähe bist."


Katharina (Mediaberatung)

Heimatort: Pforzheim (ich kenn schon alle Witze und der Name kommt von Pforte zum Schwarzwald und nicht, was ihr denkt)
Einwohnerzahl: 125.542 - ja, wir sind eine Großstadt!
Ortszugänge: EINIGE
Berühmt für/Sehenswürdigkeiten: Pforzheim ist die Goldstadt. Ja okay, sie war es mal. Sie ist bekannt für ihren Nachkriegscharme. Ja okay, sie ist ziemlich... ähhhm... unschön (zumindest die Innenstadt). Wir haben eine sehr tolle Fachhochschule, den coolsten Wildpark des Landes, drei Flüsse und jede Menge Wald. René Weller und Marcus Prinz von Anhalt (Prollprinz) kommen aus Pforzheim. Und man kennt Pforzheim aus den Verkehrsmeldungen: Stau zwischen Pforzheim Süd und Nord.

"Viele sagen, Pforzheim sei hässlich aber die kennen unsere tolle Stadt und die Menschen auch nicht richtig. Rund um Pforzheim ist es herrlich mit ganz viel tollem Wald, jeder Menge Wiesen und auch in Pforzheim gibt es schöne Plätzchen. Unser Dialekt ist einzigartig dank der tollen Mischung aus badischem Singsang und den schwäbischen Verniedlichungen (ohne die Silbe -le am Ende ergeben Worte keinen Sinn)."



Viktoria (Redaktion)

Heimatort: Schwabing-West (laut Wikipedia gehört Schwabing zu den wenigen homogenen Stadtbezirken Münchens mit einheitlichem Erscheinungsbild)
Einwohnerzahl: 68.527 (15.706 je km²)
Ortszugänge: Ich rechne jetzt mal die großen Straßen: Sieben sind's.
Berühmt für/Sehenswürdigkeiten: Stuckdecken, Pelzjacken, schöne Häuserfasaden, aber auch für den Satz: "Ach, Schwabing das ist ja das ehemalige Künstlerviertel".
Distanz zur nächsten (Dorf)Disco: 1,1 km bis zur Schwabinger-Disko mit absolutem Dorf-Charme: dem Crash und bis vor kurzem noch 700 m in die legendäre X-Bar in der Clemensstraße.

"Ich bin born and raised am Viktoriaplatz (ja, Viktoria vom Viktoriaplatz, die Übereinstimmung ist verblüffend), an der Grenze zwischen dem schönen Alt-Schwabing (Schwabing-West) und dem neu vermarkteten Schwabing-Freimann (alles in Richtung Norden entlang der Leopoldstraße, gefühlt bis zum Hasenbergl). Laut jedem Nicht-Schwabinger durchgentrifiziert, in meiner Wahrnehmung enttäuschend normal: Es gibt kleine Tante-Emma Läden, Hifi-Fachgeschäfte (kein Witz) und Kaugummi-Automaten (ob in reger Nutzung, weiß ich nicht). Zu meiner Grundschule habe ich zu Fuß drei Minuten gebraucht, zu meinem Gymnasium stabile vier. Meine Kinderkrippe war drei Häuser weiter. Ich sehe mich in meiner Erinnerung mit meinem Bruder die Karl-Theodorstraße zum alten Orterer Getränkemarkt runterschlendern, auf dem Weg, um Spezi-Nachschub zu holen. Wenn ich heutzutage gen Süden laufe, also Richtung Uni, wird mit bewusst, dass ich zu beinahe jedem Haus eine Verbindung habe, ob über Nachbarskinder, Schulfreunde oder Bekannte meiner Eltern. Fast wie auf'm Dorf, würde ich sagen. Wenn wir früher aus dem Urlaub zurückgekommen sind, hab ich jedes mal wieder gemerkt: Zuhause ist nicht unsere Wohnung, Zuhause ist Schwabing."



Und wie ist's bei dir? Bist du Stadt- oder Landkind? Und was kann deine Hood? Erzähl's uns per Mail an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! oder per Whatsapp an die 089 / 360 550 460!

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