Klimaneutral dank Emissionshandel?

Klimaneutral dank Emissionshandel?

Juliette de Grandpré im egoFM Reflex Interview

Von  Gloria Grünwald (Interview) | Miriam Fischer (Artikel)
Der Emissionshandel ist in Europa das zentrale Instrument, um CO2 zu reduzieren. Aber wie gut funktioniert das aktuell eigentlich - halten wir so die Klimakrise auf?

Juliette de Grandpré ist seit Januar 2023 beim NewClimate Institute – ein ThinkTank, der Ideen zur Bekämpfung der Klimakatastrophe bündelt und deren Umsetzung vorantreibt und Maßnahmen gegen den Klimawandel durch Forschung, Politikgestaltung und Wissensaustausch entwickelt. 
  • Juliette de Grandpré über den Emissionshandel
    Das komplette Interview zum Anhören


Hohe CO2-Preise für weniger Emissionen

Am 20. März ist der aktuellste (Synthese)Bericht des Weltklimarates IPCC erschienen – dieser warnt davor, dass wir schon bis 2035 eine Erderwärmung von 1,5 Grad erreichen könnten und fordert deswegen von Staaten drastischere Maßnahmen bei der Treibhausgasreduzierung. Das zentrale Instrument, um innerhalb der EU Emissionen zu senken, ist der Emissionshandel. Wie genau das funktioniert, erklären wir hier, ganz grob gesagt ist es aber so: Durch die Bepreisung von CO2 wird emissionsintensives Wirtschaften immer teurer - das soll dazu führen, dass der Ausstoß von CO2 reduziert und in klimafreundlichere Technologien und Verfahren investiert wird.

Seit 2005 sind die Emissionen in den Emissionshandelssektoren um 40 Prozent gesunken

Das liegt aber nicht allein am Emissionshandel selbst, denn dieser ist vor allem ein Ausstiegsinstrument - denn es geht darum, fossile Energie teurer zu machen, sagt Juliette de Grandpré.

"Aber damit ist es nicht getan, wir brauchen auch Alternativen, wir brauchen Instrumente, um die Alternativen durchzupushen, zum Beispiel die Förderung von erneuerbaren Energien. Deshalb funktioniert ein Emissionshandel immer als ein Teil in einem Instrumentenmix." - Juliette de Grandpré

Sie ist außerdem der Meinung, dass beim Emissionshandel von Anfang an der Mut fehlte, ihn wirklich wirkungsvoll zu gestalten.

Ihrer Meinung nach wurden vor allem zwei große Fehler begangen:

Zum einen war die Obergrenze der verfügbaren Zertifikate zu hoch, wodurch es schon immer viel zu viele Zertifikate auf dem Markt gab. Dies hat dazu geführt, dass eine Tonne CO2 jahrelang weniger als zehn Euro gekostet hat. Zum anderen ist es nicht sehr zielführend, wenn ein Teil der Zertifikate kostenlos ausgegeben wird.

"Damit entsteht für die Industrie kein Anreiz, in klimafreundliche Technologien zu investieren. Und auch noch dazu: Die kostenlose Zuteilung, die führt auch zu weniger Einnahmen, weil [diese] Zertifikate werden nicht versteigert, die werden ja kostenlos vergeben und das bedeutet auch für den Staat weniger Einnahmen, die potentiell in Klimaschutzmaßnahmen investiert werden können." - Juliette de Grandpré


Beide Fehler soll die Reform, die Ende 2022 beschlossen wurde, nach und nach beheben.

Juliette de Grandpré und viele NGOs und Forschungsinstitute sind allerdings der Meinung, dass die kostenlose Zuteilung schon jetzt enden muss - ein Auslaufen der kostenlosen Zertifikate wurde allerdings erst auf 2034 datiert. Ein Grund dafür: die Sorge vor einem sogenannten Carbon Leakage, also der Verlagerung von Industrien in außereuropäische Länder, um die Emissionskosten zu umgehen. Viele Studien zeigen allerdings, dass dieses Risiko - wenn überhaupt - nur sehr gering existiert, erklärt Juliette de Grandpré.

Außerdem wurde im Rahmen der Reform beschlossen, dass die Anzahl der Zertifikate nach und nach sinkt, wodurch der Preis wiederum steigen wird, aktuell liegt er bei um die 90 Euro pro Tonne CO2, vor ein paar Wochen sogar erstmal bei 100 Euro.

"Mit 100 Euro bewegt sich im Stromsektor natürlich etwas, es drängt die Kohle aus dem Strommix, das ist genau was wir wollen, aber im Industriesektor bräuchten wir höhere Preise und im Flugverkehr bräuchten wir noch höhere Preise. Das heißt, wir sind noch nicht da, wo wir hinmüssen. Aber tatsächlich ist die Dekarbonisierung des Strommixes eine wichtige Herausforderung, um in den anderen Sektoren weiterzumachen." - Juliette de Grandpré 

Bedeuten höhere CO2-Preise auch höhere Produktpreise?

In erster Linie betrifft der Emissionshandel Unternehmen und Fabriken wie beispielswiese Kraftwerke, Raffinerien, Stahl- und Zementwerke oder den innereuropäischen Flugverkehr. Verbraucher*innen haben allerdings die Sorge, dass die Kosten für Emissionen am Ende einfach an sie weitergegeben werden. Ob und wie das realistisch ist, unterscheidet sich allerdings je nach Sektor. Produkte beispielsweise müssen weiterhin auf dem internationalen Markt wettbewerbsfähig bleiben, bei den Verkehrs- und Wärmesektoren, die ab 2027 einen eigenen Emissionshandel bekommen sollen, ist die Betroffenheit der Verbraucher*innen allerdings um einiges höher.

Grundsätzlich ist es deswegen wichtig, dass klimafreundliche Alternativen für die Verbraucher*innen geschaffen und einkommensschwächere Haushalte geschützt werden.

"Und da der Emissionshandel viele Einnahmen generiert durch die Versteigerung, kann man eigentlich diese Einnahmen auch nutzen, um Kompensationsmaßnahmen umzusetzen." - Juliette de Grandpré

Bei den Reformplänen wurde deswegen auch beschlossen, einen Klimasozialfonds einzuführen. Abgesehen davon wäre es gut, durch ein sogenanntes Klimageld, das eigentlich auch ein Kernpunkt der Ampelregierung ist, die Akzeptanz gegenüber des Emissionshandels beziehungsweise des Klimaschutzes allgemein, zu stärken.

Insgesamt gibt es aktuell 28 verschiedene Emissionshandelssysteme

Die EU steht also nicht alleine da, in den USA beispielsweise gibt es entsprechende Systeme auf regionaler Ebene - national wird vor allem auf Subvention gesetzt - und auch China hat seit 2021 ein Emissionshandelssystem eingeführt.

"Der Emissionshandel ist auf jeden Fall ein sinnvolles Instrument, um alle Prozesse, die auf fossilen Energien basieren, aus dem System zu drängen. Allerdings brauchen wir auf jeden Fall zusätzliche Instrumente, um die Alternativen zu fördern. Aber das tolle mit dem Emissionshandel ist, dass er viele Einnahmen generiert, die zurück in Klimaschutz investiert werden können. Er wirkt bei guter Ausgestaltung quasi doppelt positiv." - Juliette de Grandpré



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Credits: Stefanie Loos

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