Warum wir gendern

Warum wir gendern

Argumente gegen das Gendern - und was dafür spricht

Von  Viktoria Molnar
All we hear is Gender ga ga, Gender blah blah. Aber jetzt mal Tacheles: Was spricht eigentlich wirklich dagegen - und was dafür?

Die ewige Diskussion

Hitzig diskutiert mit teilweise ziemlich verhärteten Fronten: die Frage danach, wie und ob gegendert wird. Tatsächlich belegt eine Studie der Unis Kassel und Würzburg, dass das Gendern mit Sternchen oder Auslassung nicht für mehr Gleichberechtigung sorgt, sondern aus dem "Male Bias" einen "Female Bias" macht. Beim Sternchen wird also mehr an Frauen gedacht. Nur die konsequente Verwendung von beiden Formen bringt eine Annäherung an die Gleichberechtigung. Wobei man hier wieder non-binäre, Trans und Intersexuelle Menschen ausschließt. Sicher ist jedoch, dass das, was Feminist*innen in den 60er Jahren starteten und eigentlich simpel scheinen mag, für viele Menschen mit großen Ängsten und Hürden behaftet ist.

Im Jahr 2021 noch lehnten laut einer Umfrage des Mitteldeutschen Rundfunks fast drei viertel der Befragten das Gendern in den Medien ab. Da es aber auch sachliche Kritikpunkte am Gendern gibt, durchleuchten wir nun mal ein paar Argumente, die dagegen sprechen.
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Argumente gegen das Gendern - und was dafür spricht

Gegenargument #01: "Mit Forscher meine ich auch Frauen, Gendern bringt nichts!"

Bei diesem Argument gehen wir davon aus, dass weder wir die Sprache beeinflussen können, noch die Sprache uns Menschen. Sprache ist aber kein bloßes Mittel, das neutrale Informationen transportiert. Ganz im Gegenteil: Über Sprache werden Gefühle geweckt und Assoziationen verlinkt. Laut Kersten Roth, Professor für Linguistik an der Universität Magdeburg und Leiter der Arbeitsstelle für Linguistische Gesellschaftsforschung schafft Sprache Wirklichkeit.

Sprachhandlungen sind also nie neutral, sondern mit Denkweisen und auch Ideologien verknüpft. Wenn wir nur von Lehrern, Forschern und Unternehmern sprechen, dann schließen wir also mit diesem generischen Maskulinum Frauen, nicht-binäre und diversgeschlechtliche Menschen aus vielen Lebensbereichen aus. Das mag subtil passieren, hat aber tatsächlich Einfluss auf unsere Wahrnehmung und somit auch auf unser Handeln. Mehrere Studien belegen, dass gendergerechte Sprache sowohl Erwachsenen als auch Kindern dabei hilft, Rollenklischees in Berufsbildern zu überwinden: 

Wenn die Berufe gegendert werden, entscheiden sich Mädchen laut der Freien Universität Berlin eher für den Beruf der Mathematikerin und Jungs für den Weg des Kosmetikers. Mit dem Gendern können wir also bei einer ganz bestimmten Personengruppe - den jüngsten der Gesellschaft - ziemlich viel ändern.

Gegenargument #02: "Spar dir doch die Pause und sag einfach Bürger und Bürgerinnen!"

Berechtigter Punkt - auf den ersten Blick. Denn die Pause, die das Sternchen bei Bürger*innen angibt, hat einen simplen Grund: Im Gegensatz zum Binnen I und dem Schrägstrich, schließt das Sternchen neben männlich und weiblich gelesenen Personen auch nicht-binäre und diversgeschlechtliche Menschen mit ein. Wirklich Barrierefrei ist das Sternchen aber leider nicht so ganz, nach einer Studie der Überwachungsstelle des Bundes für Barrierefreiheit in der IT  zumindest. Die empfiehlt zwar die Nutzung des Sternchens, jedoch sparsam. 

Ob das Mitdenken von anderen Geschlechtern generell Sinn macht, lässt sich noch nicht sicher sagen, da das Sternchen noch zu jung ist: Einer schwedischen Studie zufolge führe aber ein neu eingeführtes, geschlechtsneutrales Pronomen dazu, dass die Teilnehmenden in den Folgebefragungen sowohl Frauen als auch der LGBTQ+ Community gegenüber besser eingestellt waren.

Gegenargument #03: "Das Gendern macht unsere Sprache zu kompliziert"

Ja, es macht die Sprache erstmal komplizierter, aber Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch entkräftet dieses Argument in einem Interview mit der Welt:

"Sprachwandel passiert normalerweise ganz langsam. Und in diesem Bereich geht er jetzt gerade sehr schnell voran. Und kratzt natürlich irgendwo an unseren eingeschliffenen Sprachgewohnheiten." - Anatol Stefanowitsch 

Wir bräuchten also laut Stefanowitsch nur Zeit, um uns an das Neue zu gewöhnen. Unsere Sprache sei aus historischen Gründen im Ungleichgewicht, also müssten wir diese Komplexität nun auch ein paar Jahre aushalten. Die eine richtige Lösung scheinen wir also noch nicht gefunden zu haben. Aber darum geht es ja auch nicht: Denn wie es Stefanowitsch auf den Punkt bringt:”

"Was auf jeden Fall klar ist, solange wir weiterhin so sprechen, als ob die Welt nur aus Männern besteht, wird es uns sehr schwer fallen uns vorzustellen, dass es auch anders sein könnte." - Anatol Stefanowitsch 

Dem haben wir nichts hinzuzufügen.

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