Im Rahmen unserer Themenwoche "Follow Me" hat egoFM Gloria mit Cyberpsychologin Catarina Katzer gesprochen.
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21.07.2021
How To Be Online (Fast)
Cyberpsychologin Catarina Katzer im Interview
Oder hast einen Tag verbracht, ohne ein soziales Netzwerk zu öffnen? Ist wahrscheinlich eher selten. Was genau die ständige Konfrontation mit der Onlinewelt mit unserer Psyche macht und wie wir lernen könne damit umzugehen, erzählt uns Cyberpsychologin Catarina Katzer im Interview.
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Cyberpsychologin Catarina Katze zu Gast bei egoFM GloriaDas Interview zum Anhören
Der Mensch und das Smartphone
Die Technik ist mittlerweile unser ständiger Begleiter. Dabei nimmt sie zunehmend Einfluss auf unser psychisches Wohlbefinden. Jede*r liked, shared und postet, eventuell liest du diesen Artikel gerade auf deinem Handy."Das Smartphone ist mittlerweile ja fast ein Körperteil geworden. Und das verändert unser Denken, unser Verhalten, unsere Psyche und unsere Emotionen. Wir werden nicht nur abhängig von den Geräten, wir sehen auch, dass mittlerweile unser Wohlbefinden davon abhängt." - Catarina Katzer
Dabei spielen soziale Medien eine nicht ganz unwichtige Rolle...
Selbstdarstellung. Jeder Mensch hat ein Grundbedürfnis, gesehen zu werden und Anerkennung zu erhalten. Sich dabei mit anderen Menschen zu vergleichen ist relativ normal, hilft uns sogar mitunter dabei, unsere eigene Realität und Identität aufzubauen, da wir aus den Reaktionen auf unser Verhalten lernen können. Soziale Medien bilden dabei jedoch meistens eine eher unrealistische Abbildung unserer Umwelt ab. In der Welt aus Urlaubs-Selfies, gut aussehendem Essen und unmöglichen, hinretuschierten Körperformen kann es eine Gefahr darstellen, sich ständig damit konfrontiert zu sehen."Ein Problem ist es, wenn wir merken dass dieses tolle Leben gar nicht meinem eigenen Leben entspricht und wir da auch gar nicht rankommen und wir eigentlich wissen müssen, dass ja auch vieles gefaked ist. Aber in unserer Psyche findet das gar nicht statt, also dieses digitale Bewusstsein müssten wir eigentlich schulen." - Catarina Katzer
Dabei spielt auch eine Rolle, wie wir uns gerade persönlich fühlen. Wenn wir gerade schlecht drauf sind, macht es uns eher zu schaffen damit klarzukommen und reflektiert genug mit dieser Onlinewelt umzugehen. Gerade bei jüngeren Menschen besteht eine gewisse Gefahr, den Bezug zur Realität leicht zu verlieren und Follower mit Freund*innen zu verwechseln.
"Wir brauchen da häufiger mal einen Reality Check und müssen aufpassen, dass wir uns nicht zu abhängig von den Eindrücken und vor allem den Bewertungen des Netzes machen. Gerade die Rolle von Influencern sollte dabei hinterfragt werden, da Personen, die in der Öffentlichkeit stehen damit auch eine gewisse Verantwortung tragen." - Catarina Katzer
Soziale Netzwerke bieten jedoch auch enorm viele Chancen und Potenzial. Gerade um sich zu vernetzen, auszutauschen und an Gesellschaft und Leben teilzuhaben sind Netzwerke wie Facebook eine praktische Möglichkeit. Auch politisches Engagement und bildende Inhalte sind auf den Plattformen vertreten und frei zugänglich. Schwierig wird es dann nur, wenn diese Freiheit dazu genutzt wird, gezielt zu instrumentalisieren und gezielten Einfluss auf gewisse Dinge zu nehmen, wie unter anderem die US-Wahlen gezeigt haben.
"Wenn wir zum Beispiel in die Coronakrise schauen, wie sehr da Verschwörungstheorien gepusht und gefördert werden. Die technologischen Möglichkeiten potenzieren da den Einfluss negativer Quellen." - Catarina Katzer
Gerade auch die Art, in der etwaige Debatten online geführt werden, lässt einen nachdenken. Oft geht es weniger darum, einander zuzuhören als vielmehr seine eigene Meinung zu vertreten. Im Tonfall wird sich dabei oft vergriffen. Hatespeech, Cybermobbing und öffentliche Anfeindung sind mittlerweile in sozialen Medien kein Einzelfall mehr, sondern finden leider zu viel Platz und Gehör.
"Wir sehen da die Trennung von Körper und Handeln. Ich sitze am Smartphone aber bin nicht physisch in der Situation drin und sehe nicht die Opfer. Das verändert die Wahrnehmung und lässt extreme Hemmschwellen sinken." - Catarina Katzer
Wichtig ist dabei vor allem zu sehen, dass dieses Verhalten gravierende Auswirkungen auf die Realität haben. In dem Moment, wo Hass und Hetze im Internet verbreitet wird, finden diejenigen auch Zustimmung von Netzwerken und Personen, die ihre Gedanken teilen. Dabei entsteht ein Gefühl der Gemeinschaft, wobei schnell in den Hintergrund rückt, dass man dabei nicht Mitglied einer großen Mehrheit, sondern einer Gruppe von wenigen Leuten angehört.
"Man muss einfach von der Politik härter dagegen vorgehen, aber es braucht auch mehr digitale Zivilcourage. Man muss dabei Social Media nutzen, stärker auf diese Dinge eingehen und so auch versuchen diese Leute aufzuhalten und anzuprangern. Man darf es nicht einfach hinnehmen und sagen Hass und Hetze sind halt vertreten und das ist halt so." - Catarina Katzer
Politik gegen Cybermobbing
Gerade in der Politik besteht, was das Thema angeht, noch dringend Handlungsbedarf. In Ländern wie Österreich, Italien und den USA wurden bereits explizite Cybermobbing Gesetze erlassen, welche etwaiges Verhalten strafbar machen und mit strengen Maßnahmen belegt. Auch die Betreiber*innen der Plattformen müssen mehr in die Verantwortung gezogen werden und dafür sorgen, dass Hass und Anfeindung auf ihren Plattformen zu Konsequenzen führt.Um sich einen gesunden Umgang mit der virtuellen Welt zu erarbeiten, sein digitales Bewusstsein zu schulen, bietet Catarina Katzer am Ende noch ein paar praktische Tipps.
"Man könnte zum Beispiel anfangen, ein online Logbuch zu führen, viele Apps bieten es ja auch an, sich die Nutzungsdauer anzeigen zu lassen. Das Interessante ist daran, dass wir das meistens unterschätzen. Wenn wir dann mal sehen, was wir alles anschauen, wie viel wir machen, dann ist man meistens doch überrascht." - Catarina Katzer
Es geht also um die Reflexion über das eigene Online-Verhalten und den bewussten Gebrauch der dazugehörigen Medien.
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