Nahtoderfahrung: "Wie ich durch den Tod mein Leben fand"

Nahtoderfahrung: "Wie ich durch den Tod mein Leben fand"

Wenn das Ende zum Anfang wird

"Wir haben solche Angst vor dem Tod, dass wir uns nicht trauen zu leben" - Im Interview erzählt uns Christine Brekenfeld von ihrer Nahtoderfahrung und wie positiv ihre heutige Sicht auf Tod und Leben dadurch geworden ist.


Trigger-Warnung: In dem Interview spricht Christine sehr detailliert über ihre Fehlgeburt, ihre Erfahrung mit dem Tod und das Gefühl zu sterben.  



Christine war hochschwanger, zwei Wochen vor dem errechneten Geburtstermin, als sie dem Tod begegnet.

Ihre Placenta löste sich vorzeitig und sowohl sie, als auch das Kind, schweben innerhalb weniger Minuten in großer Lebensgefahr. Sie ist alleine zuhause als sie das Blut entdeckt, das aus ihrem Körper strömt.

Zittern, Zähne klappern, Schwitzen und pure Todesangst - alles in ihr rebelliert und kämpft gegen den nähernden Tod. Dabei verliert sie zunehmend an Kraft. 

Geist und Körper stemmen sich gegen das, was unvermeidbar schien.

"Ich wusste in diesem Moment: 'Ich sterbe jetzt.'"

Der kleine Teil von Christine, der nicht von der Angst und Panik ergriffen worden war, bleibt genügend ruhig, um einen Krankenwagen zu rufen. Als dieser kurze Zeit später eintrifft, hat das Gefühl des nähernden Todes sie innerlich schon vollends ausgefüllt. Ihr gesamter Organismus wehrt sich und kämpft mit voller Kraft um ihr Leben. Bis sie merkt, dass der Kampf verloren ist.
  • "Wie ich durch den Tod mein Leben fand"
    Christine Brekenfeld im Interview

Wir kennen zwar die Filme, die Krimis und Dramen, die Panik, Sirenen und Blut bildlich und dramatisch zeigen.

Aber auch wenn uns Hollywood und unzählige Bücher Versionen der Geschehnisse wieder und wieder vor Augen führen, haben wir doch nie einen Einblick darin, was im Inneren einer sterbenden Person wirklich passiert. 

"Das ist eine Kraft, viel größer ich selbst, als alles, was ich jemals kannte"
So beschreibt Christine diesen Moment, in dem sie merkt, dass ihre Bemühungen keinen Sinn mehr machen.

Sie lässt los und gibt sich dem fremden Gefühl endgültig hin, das unvermeidbar scheint.

Bis dahin hat Christine mit dem Glauben gelebt, sie hätte ihr Leben und ihren Körper in der Hand - doch in diesem Moment liegt das Geschehene vollständig außerhalb ihrer Kontrolle. Ihr Bewusstsein schießt über ihren Körper hinaus. 

Auch wenn sie die Geschehnisse um sie herum wahrnimmt - die Sanitäter*innen, der Notarzt, im Krankenwagen, ihr panischer Mann, das Krankenhaus und bei der Notoperation - so fühlt es sich an, als würde sie ihren Körper und alles um sie herum von außen wahrnehmen. Sie sieht ihren Körper und betrachtet die Szene von ganz weit weg. 

Alles war friedlich und ruhig, als ob Zeit und Raum aufgehört hätten, zu existieren.

Christine beschreibt uns das als eine Art Sog. Ein Strudel zieht sie tiefer und tiefer, weg von ihrem Bewusstsein, hin zur vollendeten Dunkelheit. Wie ein Tunnel, an dessen Ende das Licht ist, dem sie sich näher kommen sieht und mit dem sie letztlich verschmilzt. Es umfließt sie, mit Geborgenheit und einem Gefühl bedingungsloser Liebe.
 "Das war ein unglaublich tolles Gefühl. Das Schönste, was ich bis dahin erlebt habe."

Parallel nimmt Christine die Geschehnisse im Krankenhaus zwar wahr, sie hört sogar die Krankenschwestern über den fehlenden Herzschlag des Kindes sprechen. Aber auch da ist sie auf einer ganz anderen Bewusstseinsebene, weit entfernt und im vollendeten Frieden mit allem, was gerade geschieht. 



"Wie ich wieder zurück in meinen Körper kam, weiß ich nicht mehr."

Irgendwann wacht sie im Krankenhaus auf, an Schläuchen und Geräten hängend, den Arzt über sie gebeugt. Während dieser Moment für ihre Familie wohl einer der glücklichsten Momente ist, so empfindet das Christine anders. Sie kann es kaum glauben, wieder zurück in ihrem Körper zu sein und rationale Gedanken zu fassen.
"Mein erster Gedanke war: Wie komm ich jetzt wieder hier raus?"

Ihr ist sofort klar, dass das ein Nahtoderlebnis war. Auch wenn Christine alles noch genau weiß, fühlt es sich nicht an wie eine Erinnerung, sondern wie etwas, was einfach präsent war und im Herzen abgespeichert.

Sie wünscht sich zwar nicht zu sterben. Aber will zu diesem Zustand zurück. 
 



Die Zeit danach und ihre Suche nach einem Zurück

Christines Sohn hat das Unglück nicht überlebt. Jeder kann verstehen, beziehungsweise sich nur ansatzweise vorstellen, wie schwer die folgende Zeit für sie und ihren Mann war. Im Interview erzählt sie, dass das Schwierigste vor allem war, alles Erlebte miteinander zu verknüpfen und zu verarbeiten.

Sie ist nicht gestorben, sie war noch hier und hatte durch den Tod ihres Sohnes gleichzeitig die schlimmste und durch ihr bewusstseinserweiterndes Geschehnis das schönste Erlebnis ihres Lebens empfunden. 
Lange erzählt Christine niemanden etwas von ihren Erfahrungen mit dem Tod. Christine kann sich nicht vorstellen, dass ihr jemand glaubt oder versteht, worum es ihr geht. Sie will nicht sterben, aber sie will zurück zu diesem Gefühl.

Als sie bei den ersten Therapeut*innen nach Unterstützung dafür sucht, das Erlebnis zu verstehen und zu verarbeiten, wird sie nicht ernst genommen. Sie solle doch froh sein, überhaupt noch zu leben. Andere schätzen sie durch den Tod ihres Sohnes und ihre Erzählungen als suizidgefährdet ein.

Irgendwann findet Christine aber einen Therapeuten und spirituellen Lehrer, der letztlich der erste Mensch war, der sie versteht und von solchen Erlebnissen bereits gehört hatte. Er meinte, dass solche Erfahrungen zwar im Moment des Sterbens passieren können, aber auch durch eine bewusste, tiefe innere Einkehr, zum Beispiel durch Meditation.

Durch ihn hat sie dieses Erlebnis seit ihrer Nahtoderfahrung sogar noch einmal durchlebt - und das sogar noch viel tiefer und intensiver.

In der Meditationsarbeit wird Christine sich darüber bewusst, dass dieses Gefühl nicht außerhalb ihres Körpers stattfindet, sondern im Gegenteil, tief in ihr. Sie ist weniger eine Erfahrung des Jenseits, sondern eine mit sich selbst. 

Sie bezeichnet sie als "tiefere Erfahrung". Und diese kann jeder Mensch erleben. 
 



Christines Bezug zum Tod und dem Leben heute 

Als sie von vielen Leuten darauf hingewiesen wird, dass sie ihr Erlebnis unbedingt schriftlich für andere zugänglich machen sollte und sogar ein Verlag sie darauf ansprach, verfasst Christine ein Buch. Es trägt den Titel "Begegne dem Tod und gewinne das Leben". Dies ist aber nicht nur dazu da, um es anderen möglich zu machen, ihr Nahtoderlebnis zu verarbeiten.

Sie möchte damit vielmehr alle Menschen dazu einladen, sich auch im Leben mit dem Tod zu beschäftigen.

Christine merkte nämlich, dass sich ihre Einstellung zum Tod seither deutlich verändert hat. Sie hat gemerkt, dass man davor keine Angst haben muss und dass das Empfinden im Kontakt mit dem Tod ein unglaublich schönes ist.

Aber nicht nur das - sie bemerkt auch, wie eng die täglichen Ängste und die Todesfurcht mit der Angst vor dem Leben verbunden ist:
"Wir haben solche Angst vor dem Tod, dass wir uns nicht trauen, zu leben."

Wir Menschen sind durchwegs von dem Gedanken beeinflusst, dass jeder Schritt im Leben den Tod bedeuten kann. Sabine liegt es am Herzen, die Furcht vor dem Sterben auch bei anderen zu lösen. 

Angst begleitet sie seit ihrem Nahtoderlebnis kaum noch. Ihr Leben fühlt sich lebendiger und reicher an, seitdem sie weiß, dass sie nichts zu fürchten hat. 
 



Christine hat uns egos durch ihre Geschichte, ihre Ruhe und Besonnenheit sehr berührt. Sie zeigt uns neue Seiten des Lebens und öffnet dabei ein neues Bewusstsein über Dinge, die das Tiefste unseres Daseins betreffen. 
 

Sie inspiriert uns auch, uns mit den existenziellen Themen zu beschäftigen, die für uns in der Gesellschaft meist als Tabu gelten und eine Balance von unserem Gefühl über Leben und Tod anzustreben - und das auch ohne Nahtoderlebnis. 

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