Werden Songwriter durch Künstliche Intelligenz ersetzt? Und Popstars durch Hologramm-Bilder? Wir wagen einen Blick in die Zukunft und schauen mal, in welche Richtung sich die Musik entwickeln könnte.
Mitte 1970 sitzt Giorgio Moroder vor einem seiner Auftritte im Auto. Er kommt mit seiner Musik gerade so über die Runden und überlegt, wie er sich verbessern kann. Er will etwas neues schaffen: Einen 'Sound of the Future', wie er in dem Daftpunk-Song "Giorgio by Moroder" erklärt.
"Sobald du dich vom Konzept und der festen Vorstellung von Harmonien befreist, und davon, dass Musik richtig sein muss, kannst du alles machen, was du willst." - Giorgio Moroder im Song "Giorgio by Moroder"
Giorgio Moroder gilt als der Godfather des Disco. Mit dem Synthesizer und der unverkennbaren Energie von Donna Summer hat er den Hit "I Feel Love" produziert und den Musikstil geprägt wie kein Zweiter.
Ähnlich wie Giorgio Moroder denken auch wir darüber nach, was uns in der fernen - aber auch nahen - Zukunft musikalisch so erwarten könnte:
Eine Künstliche Intelligenz als Songwriter?
Jede*r mit einem Smartphone und einem halbwegs stabilen Internetzugang ist heutzutage in der Lage, selbst Musik zu produzieren und somit die gegenwärtige Musiklandschaft mitzuprägen. Dass Computer aber auch Musik machen können, kommt uns (immer) noch weit weg vor. In anderen Lebensbereichen haben wir schon jetzt Angst davor, dass künstliche Intelligenz (KI) den Menschen ersetzen könnte - die Musik war bisher immer noch ein wenig außen vor. Roboter können schließlich viel, aber auch kreativ sein?In Filmen und Serien wird dieses Szenario schon jetzt ständig thematisiert. Im Science-Fiction-Film HER von Spike Jonze aus dem Jahr 2014 beispielsweise installiert sich der sensible Protagonist Theodore ein PC Betriebssystem - die superintelligente, empathische und auch musikalische Computerstimme Samantha. Sie schreibt ihm ein Musikstück und er verliebt sich in sie. Damit ersetzt er eine menschliche Partnerin durch einen Computer.
KIs wie Samantha werden mittlerweile auch in der Realität von Unternehmen eingesetzt, um Musik zu produzieren.
Das Programm AIVA – Artificial Intelligence Virtual Artist aus Luxembourg ist eine KI, die Musik komponieren kann. Und zwar unerschöpflich viel Musik. Mit über 30.000 Partituren von Mozart, Bach oder Beethoven wurde AIVA trainiert, die Theorie hinter der Musik großer Komponist*innen zu verstehen. Mit den Takten der Partituren lernt AIVA vorherzusagen, welche Noten auf die vorhandenen folgen. Mit diesem Wissen kann die KI neue Stücke komponieren - die dann zum Beispiel in Filmen oder Videospielen eingesetzt werden:
Cyborg-Musik
Auch das Projekt Flow Machines der Pariser Universität Pierre und Marie Curie wollte 2016 in Zusammenarbeit mit Sony das Geheimnis des Komponierens entschlüsseln. Das Programm zieht Inspiration aus vorhandenen Musikstücken, kurze Gitarren-Riffs, aber auch ganze Orchester-Stücke und generiert daraus neue Werke. Die Lieder werden vom Nutzer ausgewählt und schon entsteht eine neue Melodie.Für den Song "Mister Shadow" haben die Forscher*innen die KI mit Musik von Irving Berlin, Duke Ellington, George Gershwin und Cole Porter gefüttert. Das Ergebnis wurde von Benoît Carré produziert und arrangiert - Cyborg-Musik, eine Zusammenarbeit von Mensch und Maschine.
Die Maschine soll dem Menschen hier helfen aus den gewohnten Mustern auszubrechen, um so einen neuen Flow zu generieren.
"Um Schönheit zu finden und zu kreieren braucht man menschliche Sensibilität", sagt der Komponist Benoît Carré zu Flow Machines. Na ja, schön schief ist der Song auf jeden Fall:In "Daddy's Car" wurden die Beatles als Vorlage genommen und ebenfalls von Benoît Carré zusammengemischt:
Konzerte von überall sehen
Die Zukunft bringt nicht nur neue Musik, sondern auch neue Möglichkeiten mit sich, Musik zu erleben. 2016 konnten Fans beim Konzert der britischen Popband Years & Years dabei sein - und das, ohne physisch anwesend zu sein. Der Trick? Eine Virtual Reality-Brille aufsetzen und schon konnte jede*r die Band aus drei Positionen verfolgen – VR-Konzerte geben also schon jetzt einen Ausblick in die Zukunft.Auch das Berliner Unternehmen concertVR kann uns seit 2016 per PC, Smartphone, VR Brille oder Smart TV zu unterschiedlichen Konzerten beamen.
Ersetzen wird die VR-Brille Live-Konzerte sicherlich nicht, denn: Die Hitze der tanzenden Masse und der Geruch von verschüttetem Bier kann - finden wir - keine App überzeugend genug simulieren.
Virtual Popstars
Hatsune Miku füllt ganze Hallen. Die Konzerte des japanischen Popsternchens sind immer innerhalb kürzester Zeit ausverkauft. Doch sie ist nicht etwa ein Mensch, sondern eine Hologramm-Manga-Figur. Hinter Hatsune Miku steckt ein ganzes Kollektiv, dass die Figur nur für einen Werbefilm zum Leben erweckt hatte. Fans waren aber so begeistert von Hatsune, dass sie die Manga-Figur weiter aufgebaut haben.Das Kollektiv gab den Fans sogar die Chance, selbst Songs und Choreografien für Hatsune zu schreiben - mithilfe des Programms Vocaloid.
Hatsunes Name bedeutet übersetzt übrigens "Klang der Zukunft" und gibt damit schon einen Hinweis auf ihren Sound:Auch "echte Musiker" werden mit derselben Technik natürlich Konzerte geben können. Erste Versuche gibt es ja jetzt schon mit verstorbenen Künstler*innen: für Fans von ABBA, Whitney Houston oder Amy Winehouse wurden bereits Hologramm-Touren angekündigt.
Die Zukunft der Musik könnte sich - wie wir an diesen Beispielen gesehen haben - also in ganz unterschiedliche Richtungen bewegen. Ob KIs jemals wirklich ganz alleine kreativ werden können, das kann uns nur die Zukunft sagen. Und selbst dann wird die Künstliche Intelligenz dem Menschen wahrscheinlich mehr beistehen und neue Denkweisen liefern, auf denen er aufbauen kann.
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