Klimaneutral bis 2045 - klappt das?

Klimaneutral bis 2045 - klappt das?

Dr. Sascha Samadi im Interview mit egoFM Lola

Klimaneutralität bis 2045, das ist eigentlich der Plan von Deutschland. Wie es aktuell um die Energiewende steht und ob wir dieses Ziel überhaupt noch erreichen können, erklärt Dr. Sascha Samadi.

Dr. Sascha Samadi ist Co-Leiter des Forschungsbereichs Sektoren und Technologien des Bereichs Zukünftige Energie- und Industriesysteme am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie, wo er deutsche, europäische und globale Energie- und Klimaschutzszenarien analysiert. Im Interview mit egoFM Lola hat er über den Status quo der Energiewende gesprochen und Wege zum Ziel der Klimaneutralität eingeordnet.
  • Dr. Sascha Samadi über die Energiewende
    Das komplette Interview zum Anhören


Deutschlands Klimaschutzziele

Deutschland will bis 2045 klimaneutral werden und bis 2030 80 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien gewinnen. Dafür müsste sich der Ausbau der Wind- und Solarenergie bis 2030 ungefähr vervierfachen, erklärt Dr. Sascha Samadi. 
"Also wir müssen viermal so viele Windenergieanlagen, viermal so viele Photovoltaikanlagen zubauen jedes Jahr, wie in der Vergangenheit. Das ist meiner Einschätzung nach grundsätzlich machbar, das ist technisch möglich, aber dafür müssen die politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen deutlich günstiger werden, als sie es bisher waren für den Ausbau der erneuerbaren Energien." - Dr. Sascha Samadi

In den letzten Monaten hat die Bundesregierung bereits einige Verbesserungen in den Rahmenbedingungen umgesetzt, um das Ziel allerdings wirklich zu erreichen, braucht es vermutlich noch mehr Veränderungen, so der Experte. Einen Überblick darüber, wie sich die Klimaschutzziele der Bundesregierung seit dem Beginn der neuen Umweltbewegung in den 1970ern entwickelt haben, bekommst du hier. Unter anderem wurden dieses Jahr mehr Flächen für Photovoltaik- und Windkraftanlagen freigegeben, es ist allerdings wichtig, dass die Bundesregierung ihre langfristige Zielsetzung glaubhaft verfolgt, weil dann auch Unternehmen investieren.
"Das ist, glaube ich ganz wichtig, dass da eine Glaubwürdigkeit ist aufseiten der Politik, dass wir diesen Weg jetzt wirklich gehen und nicht immer nach ein paar Jahren die Förderbedingungen schlechter werden und wir wieder ganz wenig Wind und Solar ausbauen." - Dr. Sascha Samadi

Im August hat Dr. Sascha Samadi uns übrigens in einem Interview eingeordnet, warum der Ausbau von Windenergie aktuell so stockt. Das komplette Gespräch kannst du hier nachlesen- und hören.

Die Auswirkungen des russischen Angriffskriegs auf die Energiewende

In ihrem Jahresbericht sagt die Internationale Energieagentur: Der Rückgang der russischen Exporte fossiler Brennstoffe im Zuge des Ukraine-Kriegs wird die globale Energielandschaft für immer verändern. Dr. Sascha Samadi erklärt, dass es positive, aber auch potenziell negative Auswirkungen auf die Energiewende haben kann. Positiv könnte sein, dass der Druck, Effizienzmaßnahmen umzusetzen, größer wird, beispielsweise wenn es um Gebäudesanierung oder den Ausbau der erneuerbaren Energien geht. Denn im Vordergrund steht jetzt nicht mehr "nur" die Klimakatastrophe, sondern ganz klar auch Energieversorgungssicherheit und wirtschaftliche Notwendigkeiten.

Was hingegen problematisch sein könnte, sind die Versuche, an Erdgas zu kommen, sagt Dr. Sascha Samadi. 
"Da finden jetzt Investitionen statt in neue Erdgasinfrastruktur - vor allem ja diese Flüssigerdgas-Terminals, die gebaut werden - Verträge werden abgeschlossen und das hilft uns zwar kurzfristig, aber wir müssen sehr aufpassen, dass wir da nicht langfristig in Sachen investieren, die wir dann zu lange nutzen und es uns erschwert, von fossilen Energieträgern wegzukommen." - Dr. Sascha Samadi


Deutschlands Weg in die Unabhängigkeit

Deutschland ist nicht nur von russischem Gas abhängig, auch viele wichtige Rohstoffe wie zum Beispiel seltene Erden, die wir in Deutschland für Technologien und Batterien bei den erneuerbaren Energien brauchen, beziehen wir aktuell aus dem Ausland, vor allem aus China. 
"Das ist natürlich eine potenzielle Gefahr, wenn es in Zukunft irgendwann ähnlich laufen sollte wie jetzt mit Russland, dass wir nicht mehr die Versorgung haben, die wir in der Vergangenheit hatten [und] dann haben wir große Probleme, unsere Energiewende umzusetzen. Dieses Problem ist schon länger bekannt, aber jetzt durch diese aktuellen Entwicklungen stärker auch ins Bewusstsein der Politik gerückt." - Dr. Sascha Samadi


Deswegen finden gerade vermehrt Versuche statt, die Unabhängigkeit von Deutschland und Europa auch in diesem Bereich zu erhöhen.

Dr. Sascha Samadi erklärt, dass versucht werden sollte, mehr Rohstoffe hier zu gewinnen und auch mehr Anlagen hier herzustellen. Das ist bis zu einem gewissen Teil möglich, dass wir aber 100 Prozent unseres Rohstoffbedarfs inländisch bekommen wird nicht gelingen, ist aber aus seiner Sicht auch nicht notwendig. Vielmehr sollte Deutschland weiterhin auch mit anderen Ländern kooperieren. Denn internationaler Handel an sich ist richtig, problematisch wird es nur dann, wenn wir bei bestimmten Energieträgern oder Rohstoffen eine extrem hohe Abhängigkeit von einzelnen Ländern haben. Außerdem könnten wir unseren Rohstoffbedarf durch mehr Recycling deutlich reduzieren, merkt Dr. Sascha Samadi an.



Es gibt verschiedene Studien die sagen, dass es klappen kann, bis spätestens 2040 100 Prozent erneuerbare Energien in unserem Stromsystem zu haben. Bei Wärmeenergie und Kerosin beispielsweise wird das etwas länger dauern, aber wenn wir bis 2045 komplett klimaneutral sein wollen, sollte bis dahin auch das ausschließlich auf erneuerbaren Energien basieren.

"Das ist aus meiner Sicht auch machbar, wenn wir politisch und gesellschaftlich die entsprechende Priorität setzen, dass zu verfolgen." - Dr. Sascha Samadi

Design ❤ Agentur zwetschke