Bericht über die Lebensrealität Schwarzer Menschen

Bericht über die Lebensrealität Schwarzer Menschen

Afrozensus: Rassismus ist für viele Alltag

Von  Kaja Lübeck
In Deutschland leben über eine Million Menschen afrikanischer Herkunft und trotzdem gibt es fast keine Statistiken über die Communities. Deshalb wurde der Afrozensus ins Leben gerufen - nun gibt es die Ergebnisse.


Ausführliche Befragung

Der Afrozensus ist die erste umfangreiche Online-Befragung unter Schwarzen, afrikanischen, afrodiasporischen Menschen in Deutschland. Each One Teach One und Citizens For Europe haben dazu einen breit gefächerten Fragebogen zu Diskriminierungserfahrungen in allen Bereichen, Forderungen an die Politik, Vertrauen in Institutionen und ihrer Lebensrealitäten entwickelt. Fast 6000 Menschen ab 16 Jahren nahmen an der Umfrage teil, die zwischen Mitte Juli und Anfang September 2020 durchgeführt wurde.
 

Den gesamten Bericht gibt es hier zum Download.

 

Rassismus ist ein systematisches Problem

Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass anti-Schwarzer Rassismus in Deutschland weit verbreitet und institutionell verankert ist. Es gibt keinen Lebensbereich, der frei von Diskriminierung und Rassismus ist. Betrachtet wurden diverse Räume: Arbeitsleben, Geschäfte und Dienstleistungen, Wohnungsmarkt, Öffentlichkeit, Freizeit, Kunst und Kultur, Ämter, Behörden und Justiz, Polizei, Sicherheitspersonal, Medien und Internet, Privatleben und Gesundheitswesen.
 

Die Ergebnisse

Daniel Gyamerah, Vorstand von Each One Teach One, hat die wichtigsten Ergebnisse zusammengefasst:
 
  • 90,4 Prozent der Befragten wird ungefragt in die Haare gefasst – ein Beispiel für Othering und Exotisierung Schwarzer Menschen.
  • 79,9 Prozent bekommen sexualisierte Kommentare bezüglich ihres Aussehens oder ihrer "Herkunft".
  • 56,7 Prozent werden ohne erkennbaren Grund von der Polizei kontrolliert.
  • 93,3 Prozent der Teilnehmer*innen wird nicht geglaubt, wenn sie einen rassistischen Vorfall ansprechen oder gesagt, dass sie zu empfindlich seien.
  • 84,7 Prozent der Befragten geben an, im Arbeitsleben Diskriminierung erlebt zu haben.
  • 74,1 Prozent wurden bereits auf dem Wohnungsmarkt diskriminiert.
  • Der Lebensbereich Öffentlichkeit und Freizeit, also zum Beispiel öffentliche Verkehrsmittel, ist der Bereich, in dem die Befragten am häufigsten Rassismus erleben.


Veränderungen sind nötig

 Daniel Gyamerah schreibt auf Twitter außerdem, welche Schlussfolgerungen daraus gezogen werden sollten.  
 
"1.) Finanzielle Förderung: Empowerment muss als strategisches Ziel das Demokratiefördergesetz strukturieren.
2.) Institutionalisierung: Es braucht Empowerment-Infrastruktur, u. a. in Form von Communities-Zentren. [...]
3.) Spezifische Maßnahmen notwendig: a.) Aktionspläne zur Bekämpfung von Anti-Schwarzem Rassismus und zum Empowerment Schwarzer, afrikanischer und afrodiasporischer Menschen b.) Beratungsstellen für Betroffene von Anti-Schwarzem Rassismus [...]
4.) Forschung: Das Forschungsfeld Intersectional Black Studies und Empowerment muss durch die Etablierung und Finanzierung von Lehrstühlen und entsprechenden Masterstudiengängen nachhaltig im deutschen Wissenschaftsraum verankert werden." - Daniel Gyamerah
 
Der Bericht zeigt also: Diskriminierung ist für Schwarze Menschen in Deutschland Alltag. Der Afrozensus stellt für Schwarze Communities einen Durchbruch dar, da nie zuvor so tiefgehend untersucht wurde, welche Formen Anti-Schwarzer Rassismus annehmen kann.

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