Antiwork: Ohne Fleiß kein Preis?

Antiwork: Ohne Fleiß kein Preis?

Was hinter dem Reddit-Hype um die Antiwork-Bewegung steckt

Von  Anne Mederacke
"Du musst nur fleißig sein, dann kannst du alles erreichen" - viele Arbeitnehmer*innen glauben fest an diesen Grundsatz, vor allem in den USA. Dass die Idee hinter dem American Dream schon lange nicht mehr funktioniert, wurde gerade in der Pandemie etlichen Menschen bewusst.

Arbeit nervt

Auf dem Netzwerk Reddit, auf dem sich bekanntlich die unterschiedlichsten Communitys (von Pflanzenfans bis Börsen-Enthusiast*innen) in sogenannten Subreddits austauschen, sorgte insbesondere ein Subreddit in den letzten Wochen für Aufsehen. Der "r/antiwork" Subreddit hat sich seit der Pandemie, insbesondere seit 2021, zu einem der aktivsten Threads von Reddit entwickelt. 1,6 Millionen Nutzer*innen (Oktober 2020 waren es noch 180,000) teilen täglich Screenshots von kreativen Kündigungsmails, Anti-Karriere- und Arbeitsrecht-Memes oder auch von verpeilten Jobangeboten. Und obwohl die Bewegung hauptsächlich in besagtem Reddit-Thread stattfindet, merken aufmerksame Social Media-Konsument*innen doch, dass der ein oder andere Post und das ein oder andere Meme nun auch immer öfter im Mainstream landen.

Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an

Ein Beitrag geteilt von GoodJobs (@goodjobs_eu)


Dass das Thema gerade ab 2020 Anklang fand, ist nicht verwunderlich: Sehr vielen Arbeitnehmer*innen fehlte während des Lockdowns jahrelang neben dem Job der gewohnte Ausgleich und in vielen Jobs stieg außerdem der Druck auf Arbeitnehmer*innen - aber nicht alle Arbeitgeber nehmen auf diese neue Normalität Rücksicht. 

Was genau ist das Ziel der Antiwork-Bewegung?

Zunächst einmal muss man festhalten, dass die Antiwork-Bewegung an sich nichts Neues ist, eher lose organisiert ist und unterschiedliche Grundsätze und Ziele hat. Das Spektrum reicht von Forderungen nach einer grundlegend neuen Arbeitsethik, der 4-Tage-Woche oder einer Gesellschaft basierend auf dem bedingungslosen Grundeinkommen. Das ursprüngliche Ziel des 2013 gegründeten Subreddits r/antiwork war es, die heutige (vor allem in den USA weitverbreitete) Arbeitsethik "wer sich überarbeitet, erreicht die Karriereziele" zu kritisieren und sich dagegen zu wehren. User*innen ermutigen sich zum Beispiel gegenseitig, die eigenen Bedürfnisse über den Job zu stellen und über alternative Arbeitsweisen nachzudenken. Gerade während der Pandemie, in der nicht nur Arbeitnehmer*innen, sondern auch kleinere Unternehmen enorm unter Druck gerieten, entschieden sich viele aufgrund mangelnder Sicherheit im Job, Burnout und fehlender Unterstützung durch den Arbeitgeber, zu kündigen.

Fuck this shit I'm outta here

Höhepunkt fand r/antiwork im Laufe von 2021 in kollektiven Kündigungswellen. Was Expert*innen bei diesem Trend allerdings stutzig machte: Vor allem in Krisen oder bei steigender Arbeitslosigkeit geht die Kündigungsrate normalerweise zurück. Klar, wenn's in der Welt scheiße läuft, willst du wenigstens deinen Job behalten – selbst wenn du ihn nicht ausstehen kannst. Mit der steigenden Popularität von r/antiwork drehte sich diese Statistik aber. Im April 2021 kündigten 4 Millionen Amerikaner*innen ihren Job, im Juni 3,9 Millionen (heute auch Great Resignation oder Big Quit genannt). Im Oktober gipfelte das Ganze dann im sogenannten Striketober. Auch wenn die Arbeitsbedingungen in den USA für Arbeitnehmer*innen wesentlich schlechter sind, zeichnete sich der Trend auch außerhalb von Amerika ab: Laut einer Umfrage des Work Trend Index spielten 2021 41 Prozent der weltweiten Angestellten mit dem Gedanken, sich noch im selben Jahr einen neuen Job zu suchen.

Abreitnehmer*innen machen sich für ihre Rechte stark - eigentlich eine gute Sache, oder?

Definitiv - zumal bereits erwiesen ist (und vielleicht musstest du es selbst schon erleben), dass Unzufriedenheit im Job auch schnell zu gesundheitlichen Problemen - sowohl psychisch als auch physisch - führen kann. Allerdings ist sich die r/antiwork-Community auf Reddit eben selbst auch nicht ganz einig, was denn nun ihr Ziel ist. Neben dem ganzen Chef*innen-Bashing, Kapitalismus-Spott und Kündigungs-Lobpreisungen teilt sich die Community aktuell immer mehr in zwei Lager. Grund dafür - oder besser gesagt, der Auslöser, der die Spaltung zum Vorschein brachte - war ein Interview zwischen Fox News und eine der (jetzt ausgeschlossenen) Moderator*innen des Subreddits, Doreen Ford. Das Interview war für die Bewegung gelinde gesagt ein Desaster. Der Guardian bezeichnete es recht treffend als "classic schoolyard bullying", in dem Moderator Jessie Watters Doreen während des Interviews förmlich in der Luft zerriss und absolut lächerlich machte. 


Die Idee vom American Dream - also dass du in den USA alles schaffen kannst, wenn du nur hart genug dafür arbeitest - ist gerade bei dem rechtskonservativen Sender Fox natürlich noch durchaus verbreitet. Wenn sich die Arbeiter*innenklasse (vermeintlich) auf Kosten des Kapitalismus für mehr Rechte für Arbeitnehmer*innen einsetzt, passt das beim Sender dann eben doch nicht so ins Programm - das würde das System, von dem auch Fox profitiert, ja zum Wanken bringen.

Das Ende vom Lied war, das Doreen als Galionsfigur einer Gruppe von Faulenzer*innen dargestellt wurde, die einfach keinen Bock haben zu arbeiten.

Worte wie Work-Life-Balance, Mindestlohn, 4-Tage-Woche, Homeoffice oder Elternzeit fielen nicht.

Der Reddit-Thread wurde nach dem PR-Fiasko kurze Zeit offline genommen, ist aktuell zwar wieder erreichbar, aber die Uneinigkeit bleibt. Einerseits streitet man sich darüber, dass der Thread seine ursprüngliche Leichtigkeit verloren hat - der Subreddit sei keine Bewegung, sondern doch eigentlich nur ein Ort, um über den eigenen Job zu lästern und wie schön es doch wäre, wenn niemand mehr arbeiten müsste. Andererseits präsentiert sich die Community laut Beschreibung eher gewerkschaftsfreundlich und nicht prinzipiell gegen das Arbeiten, sondern mit dem Wunsch nach Veränderung in der Arbeitswelt:

"The point of r/antiwork is to start a conversation, to problematize work as we know it today. [...]. We're not against effort, labor, or being productive. We're against jobs as they are structured under capitalism and the state: Against exploitative economic relations, against hierarchical social relations at the workplace." - r/antiwork 

Also alles heiße Luft?

r/antiwork hatte zwar einen sehr kometenhaften Aufstieg, aber leider eben auch einen sehr chaotischen. Dass der Thread so viral gegangen ist, zeigt jedoch auch, dass sich Arbeitgeber*innen vermehrt mit Themen wie zum Beispiel Work-Life-Balance auseinandersetzen müssen, um in Zukunft ihre Arbeitnehmer*innen halten zu können. r/antiwork spiegelt zumindest das Stimmungsbild vieler Arbeitnehmer*innen wider und könnte ein Anstoß für eine echte (und diesmal organisierte) Bewegung sein. Für das nötige Grundrauschen, dass sich Arbeitnehmer*innen bewusst mit der vorhandenen Arbeitsethik auseinandersetzen, hat r/antiwork zumindest schon einmal gesorgt. Auch große Medien setzen sich dank des Subreddits immer öfter auch kritisch mit dem Thema auseinander. Und wer weiß, vielleicht wird es ja doch irgendwann normal, dass Arbeitgeber zukünftigen Arbeitnehmer*innen ein Zeugnis von ehemaligen Angestellten vorlegen oder das Kreativarbeiter*innen für beim Bewerbungsprozess geforderte Arbeitsproben bezahlt werden.

@zach_mander Reply to @thor_freya #creative #filmmaker #writer #actor #artist #design #musician ♬ original sound - Zach Mander

So, und jetzt gibt's natürlich auch noch einen kleinen Einblick, was bei r/antiwork so geht:




Bist du unzufrieden mit deinem Job oder der Situation, wie mit Arbeitnehmer*innen und Bewerber*innen auf dem Arbeitsmarkt um gegangen wird? Erzähl's uns an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! oder per Whatsapp an die 089 / 360 550 460. Mit dem Zukunftsforscher Kai Gondlach haben wir uns übrigens hier schon einmal darüber unterhalten, wie sich die Arbeitswelt in der Zukunft noch verändern könnte.

Design ❤ Agentur zwetschke