Was passiert bei der Münchner Sicherheitskonferenz?

Was passiert bei der Münchner Sicherheitskonferenz?

Sicherheitsexpertin Dr. Ulrike Franke im Interview

Heute beginnt die Sicherheitskonferenz in München. Welche Themen dabei auf der Agenda stehen und ob eine Veranstaltung wie die Sicherheitskonferenz eigentlich zur internationalen Zusammenarbeit beitragen kann, darüber hat egoFM Gloria mit Dr. Ulrike Franke gesprochen.

Start der Münchner Sicherheitskonferenz 2023

Für ein Wochenende kommen Politiker*innen, Staatsoberhäupter und Expert*innen für Sicherheit- und Verteidigung zusammen für - laut der Veranstaltenden – einen "Austausch auf Augenhöhe" zu den drängendsten Themen und Herausforderungen. Natürlich wird auch der russische Angriffskrieg auf Ukraine im Fokus stehen, aber auch andere Themen werden besprochen. Wie das Ganze dann abläuft und welche Themen eine Rolle spielen werden, darüber spricht egoFM Gloria mit Dr. Ulrike Franke vom European Council on Foreign Relations bei egoFM Reflex.
  • Münchner Sicherheitskonferenz: Was wird besprochen?
    Sicherheitsexpertin Dr. Ulrike Franke im Interview


Sicherheits- und Verteidigungspolitik im kleinen Rahmen

Anders als offizielle Staatsempfänge oder Gipfeltreffen wird die Sicherheitskonferenz von einem privaten Träger ausgerichtet und findet deswegen nicht in einem staatlichen Gebäude, sondern im Luxushotel "Bayerischer Hof" statt und ist auch vergleichsweise klein. Trotzdem gilt sie als eines der wichtigsten informellen Sicherheitstreffen weltweit. Dr. Ulrike Franke sieht einen großen Vorteil darin, dass die Konferenz eher klein ist und mitunter nur ein paar Hundert Leute daran teilnehmen. In ihren Augen bestünde so ein engerer Kontakt, es wäre leichter, sich untereinander auszutauschen und inhaltlich sei die komplette Konferenz dadurch sehr intensiv.


Zum 59. Mal findet die Münchner Sicherheitskonferenz dieses Jahr statt. Was sie eigentlich genau ist, wie alles angefangen hat und wo die Ziele der Konferenz liegen, erklären wir dir hier im egoFM Reflexikon.


Ein Blick auf die aktuelle Sicherheitslage

Letztes Jahr um diese Zeit war der ukrainische Präsident Selenskyi noch in München zu Gast und appellierte an die Teilnehmer*innen, nicht nur zuzuschauen bei den Truppenaufmärschen Russlands an der Grenze seines Landes. Wenige Tage später griff Wladimir Putin Ukraine an. Das wurde oft als Wendepunkt für die internationale Ordnung bezeichnet und auch Dr. Ulrike Franke findet, dass die Sicherheitslage in der Welt 2023 viel schlechter ist als vergleichsweise noch fünf Jahre zu vor. Allerdings sagt sie auch, dass wir - zum Beispiel mit Blick auf den russischen Angriffskrieg - Gefahr laufen, einen sehr eurozentristischen Blick auf die Situation und die Sicherheitslage der Welt zu haben. Konflikte, etwa im globalen Süden, werden im Gegenteil zu europäischen Konflikten häufig als regionales Problem abgetan. Trotzdem ist der Angriffskrieg gegen Ukraine natürlich das Thema der Konferenz dieses Jahr in München, denn der Krieg ist relevant für die internationale Sicherheitslage - auch außerhalb Europas.

Um welche Themen wird es dieses Jahr gehen?

Und während es in den letzten Wochen beim Thema Krieg gegen Ukraine vor allem in den Medien um mögliche Panzerlieferungen ging, vermutet Dr. Ulrike Franke, dass die aktuelle Positionierung Europas gegenüber Russland und die mögliche Aufnahme von Schweden und Finnland in die Nato eher eine Rolle spielen werden. Es wird also viel mehr Grundsatzdiskussionen geben. Russische Offizielle sind übrigens nicht zur Münchner Sicherheitskonferenz geladen - dafür aber Oppositionelle oder unter anderem auch die Frau des inhaftierten Alexej Nawalny.

"Ganz grundsätzlich ist, glaube ich, schon die Hoffnung, dass man etwas grundsätzlicher eben zum Beispiel über die Zukunft der europäischen Sicherheitsarchitektur sprechen kann. Sich eben überlegt - auch grade mit den transatlantischen Partnern - [...] was bedeutet es denn jetzt, eine Sicherheitsarchitektur in Europa zu haben, die sich, ja,  zu einem gewissen Grad auch einfach gegen Russland positioniert?" - Dr. Ulrike Franke

Auch wenn der Fokus aktuell auf dem Angriffskrieg gegen Ukraine liegt, so gibt es jedoch auch noch viele weiter wichtige Schwerpunkte, die bei der Konferenz besprochen werden müssen. Das spiegelt sich auch wider, wenn man mal einen Blick in das diesjährige Programm der Münchner Sicherheitskonferenz wirft.

"Es gibt zum Beispiel Diskussionen über den Einfluss von neuen Technologien im Sicherheitsbereich [...], der Klimawandel als Sicherheits- und verteidigungspolitisches Thema steht auf der Agenda." -  Dr. Ulrike Franke

Laut Dr. Ulrike Franke versuche man in den zwei Tagen quasi alles zu besprechen - von Geschehnissen im Nahen Osten bis hin zu Deutschlands neuem Verteidigungsminister Boris Pistorius. Das erhöht die Komplexität der Konferenz natürlich enorm.

Beziehung zwischen China und den USA als Thema in München

Erst vor wenigen Tagen haben die USA einen angeblich verirrten Wetterballon aus China über amerikanischem Staatsgebiet abgeschossen. In der Zwischenzeit sind weitere unbekannte Flugobjekte über den Vereinigten Staaten aufgetaucht, deren Herkunft und Ziel nicht ganz klar ist. Das angespannte Verhältnis zwischen den beiden Ländern und China als immer machtvollerer Player und Gegenpol zum Westen bereitet vielen Menschen Sorge. 
Der Wettbewerb westlicher Länder mit China und die steigende Konfrontation zwischen den USA und China sind jedoch Themen, die bei der Sicherheitskonferenz schon immer eine Rolle spielten, erklärt Dr. Ulrike Franke - nicht erst seit der Sichtung der Flugobjekte.

"Also wir sagen manchmal so: 'Na ja, Russland ist ein bisschen so das Wetter', also soll heißen das ist jetzt aktuell irgendwie wichtig, der russische Angriffskrieg. Aber China, der Aufstieg Chinas, ist das Klima. Also ganz grundsätzlich. Und in sofern wird es darum sicherlich gehen." - Dr. Ulrike Franke

In der Vergangenheit konnte Dr. Ulrike Franke auf der Siko allerdings keinen konkreten Austausch oder Dialoge zwischen dem Westen und China beobachten - zumindest nicht bei den öffentlichen Vorträgen und Diskussionen. Sie ist gespannt, ob der Austausch dieses Jahr etwas konkreter wird, hat aber auch das Gefühl, dass die chinesisch-amerikanischen Beziehungen etwas festgefahren sind. Dieses Jahr wird zum Beispiel der chinesische oberste Außenpolitiker Wang Yi an der Sicherheitskonferenz teilnehmen und auf westliche Vertreter*innen treffen.



Kritik an der Münchner Sicherheitskonferenz

Seit Jahren steht die Siko allerdings auch unter starker Kritik und immer wieder finden Demonstrationen rund um die Veranstaltung statt. Zu den größten Kritikpunkten gehört die mangelnde Transparenz, fehlende Vielfalt der Teilnehmer*innen sowie das Fehlen konkreter Ergebnisse der Konferenz. Immer wieder wird vorgeworfen, dass sie trotz eingehender Diskussionen keine konkreten Lösungsvorschläge für sicherheitspolitische Probleme auf der Welt liefern kann. Da das Event von einer privaten Organisation finanziert und organisiert wird, befürchten viele außerdem, dass die Konferenz nur dazu dient, die Interessen und die Agenda bestimmter Gruppen durchzusetzen - nicht aber unbedingt im Interesse der gesamten Weltbevölkerung handelt. Gegner*innen rufen deshalb zu Demos gegen die "Kriegskonferenz" auf und es gibt Gegenveranstaltungen. Dr. Ulrike Franke findet trotzdem, dass die Siko ihre Daseinsberechtigung hat, denn das Ziel sei ein ganz anderes als das vom NATO-Gipfel. Es geht nicht darum, am Ende mit konkreten Beschlüssen dazustehen, stattdessen gehe es um den Austausch.

"Es ist ein Austausch und daraus kann eben was erwachsen. Und das ist in den letzten Jahren auch immer wieder passiert, dass es eben auf der Sicherheitskonferenz es eben Diskussionen gab und ja, Monate später wurde dann was verkündet. Insofern halte ich die Sicherheitskonferenz da für extrem wichtig - da kommen viele Leute zusammen." - Dr. Ulrike Franke

Laut Dr. Ulrike Franke sollte man den Einfluss der Siko auf die europäische Sicherheitspolitik also absolut nicht unterschätzen. Die Kritik durch Gegenveranstaltungen sieht sie allerdings weniger gerechtfertigt und sieht darin meist generell eher eine Abneigung der Menschen in Deutschland gegenüber allem was mit Verteidigungspolitik zu tun hat.

"Es gibt in Deutschland meines Erachtens so ein bisschen einen großen Skeptizismus gegen allem Militärischen und daher rührt meines Erachtens auch viel des Protestes gegen die Sicherheitskonferenz."- Dr. Ulrike Frank

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Pressefoto: ECFR | Ulrike Franke

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