Sea-Watch-Sprecher Oliver Kulikowski zu Gast bei egoFM Elise
In der Hoffnung auf ein menschenwürdiges Leben sind in den ersten drei Monaten dieses Jahres so viele Menschen im Mittelmeer ertrunken wie seit 2017 nicht mehr. Organisationen wie Sea-Watch, die helfen wollen, werden relativ alleine gelassen von der EU.
Sea-Watch ist ein privater Seenotrettungsverein, der seit 2014 versucht, möglichst viele Menschen vor dem Tod durch Ertrinken zu bewahren. Bisher war die Organisation an der Rettung von über 45.000 Menschen beteiligt. Im Interview mit egoFM Elise spricht Sea-Watch-Sprecher Oliver Kulikowski über seine Arbeit und erklärt, wie sich Europa immer weiter seiner Verantwortung entzieht - allein von Januar bis März 2023 wurden 441 tote Menschen auf ihrer Flucht nach Europa registriert.
Oliver Kulikowski über seine Arbeit bei Sea-Watch
Das komplette Interview zum Anhören
Auf dem Weg nach Europa riskieren Menschen ihr Leben
Eine Wahl haben sie nicht wirklich.
"Grundsätzlich muss man erstmal sagen, sie sind ja bereits in Lebensgefahr, bevor sie sich auf den Weg machen. Das ist ja letztendlich der Grund, überhaupt diese Überfahrt zu wagen. Das zentrale Problem dabei ist natürlich auch: Den Menschen bleibt ja gar nichts anderes übrig, weil es eben keine legalen und sicheren Einreisewege gibt." - Oliver Kulikowski
Auf der Suche nach Sicherheit und einem besseren Leben, müssen flüchtende Menschen deswegen auf dem Weg über das Mittelmeer riskieren zu sterben. Das darf nicht sein und genau deswegen sind Sea-Watch und andere Vereine dort aktiv.
"Es ist aber auch klar, dass wir da nur ein Tropfen auf dem heißen Stein sind. Das ist ja eigentliche eine staatliche Aufgabe und das ist auch uns und allen anderen eigentlich klar, dass wir diese Aufgabe natürlich nicht so lösen können, wie es Staaten tatsächlich könnten, wenn sie denn ihre Verantwortung wahrnehmen würden." - Oliver Kulikowski
Stattdessen schottet sich die EU immer weiter ab
Der letzte EU-Gipfel hat Oliver Kulikowski gezeigt, dass sich die Debatte um Migrationspolitik stark nach rechts verschoben hat, das Ergebnis: Immer mehr Auslagerung, Abschottung und Grenzzäune, statt Lösungen für eine menschenrechtsbasierte Migrationspolitik, erklärt der Sea-Watch-Sprecher. Die EU kooperiert beispielsweise mit der sogenannten Libyschen Küstenwache, die dafür verantwortlich ist, dass Menschen auf offenem Meer abgefangen und völkerrechtswidrig zurück nach Libyen geschleppt werden - diese Kooperation muss sofort aufhören, fordert Sea-Watch. Ein weiteres Problem: Zivile Seenotrettungsorganisationen werden auf dem Mittelmeer relativ alleine gelassen, denn es gibt keine staatlich organisierte Seenotrettungsaktion.
"Und das ist natürlich ein anderer zentraler Knackpunkt, dass Europa sich da willentlich dafür entschieden hat, Menschen dort ertrinken zu lassen, ohne eben einzugreifen." - Oliver Kulikowski
So kannst du helfen
Sea-Watch finanziert sich durch Spenden, du kannst ihre Arbeit hier unterstützen. Und es gibt weitere Möglichkeiten, Menschen auf der Flucht zu helfen, erklärt Oliver Kulikowski: Es ist wichtig, informiert darüber zu bleiben, was an unseren Außengrenzen passiert. Außerdem müssen wir versuchen, nicht abzustumpfen und verhindern, dass wir uns daran gewöhnen, dass Menschen auf der Flucht in ein besseres Leben im Stich gelassen werden und ertrinken. Zudem gibt es natürlich viele Möglichkeiten, selbst aktiv zu werden.
"Ich glaube man kann auch einfach wieder stärker darauf achten: Wo begegne ich zum Beispiel im Alltag rassistischer Hetze gegen Geflüchtete, wo kann ich da aktiv werden, wo kann ich einfach meine Stimme erheben. Und das kann zuhause am Küchentisch mit der Familie sein, das kann im Internet sein - da gibt's ja leider genug Möglichkeiten." - Oliver Kulikowski
Weitere Einblicke und spannende Diskussionen gibt's im Podcast Grenzerfahrung - Der Sea-Watch Podcast. Und hier findest du außerdem ein Interview mit Carola Rackete aus dem Hoffmann & Kollmann Podcast Völlig Überzogen.
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