Stadtkräuter kennen und nutzen

Stadtkräuter kennen und nutzen

Auf Kräutertour in München

Von  Sophia Rauchhaus
Um Kräuter zu sammeln, muss man irgendwo in den Bergen unterwegs sein? Denkste - auch in der Stadt gibt es jede Menge Wildkräuter zu entdecken.


In Deutschland gibt es über 10.000 verschiedene Pflanzenarten

Nur sehr wenige sind giftig, die allermeisten können wir Menschen auf die eine oder andere Art nutzen, viele sind essbar. Man muss sich nur auskennen. Caroline Deiß hat mehrere Bücher, auch Kochbücher, über wilde Kräuter geschrieben. Wir treffen uns für einen Spaziergang durch den Englischen Garten in München, sie zeigt mir unsere Kräuter.


Nach wenigen Metern pflückt sie schon das erste Blatt

"Was ein ganz tolles Kraut ist, ist hier der Gundermann. Ja, den Gundermann, den sieht man auf jeder Wiese. Wenn man ihn mal in die Hand nimmt, erkennt man ihn an einem fast runden Blatt und am Rand hat es überall diese runden Einkerbungen. Und wenn man dann mal dran riecht, riecht das sehr würzig. Und in Verbindung mit Milchprodukten schmeckt das auch ganz lecker. Das heißt also, wenn du jetzt ein Stück Brot hast, Frischkäse und da gibst du den Gundermann drauf - das schmeckt fantastisch!" - Caroline Deiß

Fünffingerkraut, Hohlzahn, Braunelle, Spitzwegerich, Gundermann - auf einer Fläche von wenigen Quadratmetern zeigt mir Caroline Deiß schon fünf verschiedene essbare Kräuter. Sie stehen da völlig unberührt, keine*r kennt sie. Eine Studie aus den 2000ern hat gezeigt, dass die meisten amerikanischen Kinder mehr als 1.000 verschiedene Firmenlogos identifizieren können und zugleich weniger als zehn dort heimische Tier- und Pflanzenarten. Die Situation in Deutschland ist eine Ähnliche.

Sind wir von der Natur entfremdet?

"Wir haben uns insofern entfremdet, dass wir heute da nicht mehr reingehen. Das ist so schade, weil heutzutage steht etwas anderes im Vordergrund. [...] Ja, haben wir uns entfremdet? In gewissem Maße schon, weil die Kinder gehen heute kaum noch in die Natur. Wenn wir früher aus dem Haus waren, wir sind automatisch in die Natur gegangen, haben dort gespielt. Und heute ist das Leben irgendwie anders. Das Leben draußen, einfach in der Wildnis, findet nicht mehr statt." - Caroline Deiß

Caroline geht deshalb auch mit Schulkindern auf Kräutertour. Sie ist der Meinung: Die Kinder lernen dabei noch viel mehr als bloß Arten bestimmen.

"Es macht einfach Spaß, Kräuter aus unserer Natur zu sammeln. Das macht so selbstständig, autark. Es gibt Selbstsicherheit, man wird willensstark, weil man einfach vom Unterbewusstsein her so programmiert wird: Keiner kann mir was! Wenn die Supermärkte zu sind, dann gehe ich einfach raus vor die Tür und fang mal selbst an zu sammeln!" - Caroline Deiß

Und davor Angst haben, dass Tiere schon auf etwas drauf gepinkelt haben, muss man auch nicht, sagt Caroline Deiß:

"Bei Beeren ist das Einzige, was passieren kann, dass vielleicht mal ein Hund oder ein anderes Tier drübergepinkelt hat. Man erwartet dann was Süßes oder einen sauren Geschmack, wenn man aber auf einmal bitter-sauer schmeckt, dann weiß man genau… Also die Vorstellung ist dann zwar ein bisschen unangenehm, aber es passiert nichts. Das ist sogar stark desinfizierend." - Caroline Deiß


Zum Schluss unseres Spaziergangs will mir Caroline noch zeigen, was wir aus den Stadtkräutern kochen können.

Dafür pflücken wir Gundermann, Spitzwegerich, Majoran und ein paar Blüten zum Garnieren. In meiner Küche kochen wir eine Kartoffel-Wildkräutersuppe, das geht schnell und einfach. Das Fazit: der Nachmittag war mir ein Denkanstoß. Caroline strahlt eine große Begeisterung für ihr Fach aus, sie wirkt zufrieden und geerdet. Sie selbst ist der beste Beweis: Kräuter kennen und nutzen ist mehr als nur praktisch. Es trägt auch dazu bei, dass wir einen engeren Bezug zu unserer Wildnis lernen und uns in der Natur zuhause fühlen.

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Rezept Kartoffel-Wildkräutersuppe

Zutaten:

  • eine Handvoll Gundermann, Sauerampfer und Spitzwegerich
  • 4 mittelgroße Kartoffeln
  • 1 Zwiebel
  • 1 Knoblauchzehe
  • Salz und Pfeffer nach Belieben
  • ein paar Zweige Majoran und Storchschnabelblüten zum Garnieren

Zubereitung:

  1. Die Kartoffeln in Scheiben schneiden und kochen, bis sie gar sind. Vor dem Abschütten ein paar Löffel vom Kochwasser beiseitestellen.
  2. Derweil die Zwiebel in Würfel schneiden und anbraten. Gundermann und Spitzwegerich von den Stielen abzupfen.
  3. Dann die Kartoffelscheiben zusammen mit den gebratenen Zwiebeln, der Knoblauchzehe, Gundermann, Spitzwegerich und Salz und Pfeffer pürieren. Etwas Kartoffelwasser hinzugeben, damit die Suppe flüssiger wird.
  4. In eine Schüssel geben und zum Schluss mit Majoranblättern und Storchschnabelblüten garnieren.



Gundermann:

Den Gundermann erkannt man an seinen runden Blättern. Er wächst auf jeder schattigen Wiese und schmeckt hervorragend in Verbindung mit Milchprodukten, zum Beispiel auf dem Butterbrot.

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Storchschnabelbüten:

Storchschnabelblüten gibt es in blau, lila und rosa. Alle sind genießbar und eignen sich perfekt zum Garnieren.

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Majoran:

Majoran wächst nicht nur am Mittelmeer, sondern auch bei uns. Man erkennt ihn auch an seinen schönen buschigen, helllila Blüten.

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Ampfer:

Die jungen Blätter vom großen Ampfer schmecken auch als Salat gut.


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Spitzwegerich:

Den Wegerich gibt es in spitz und in breit. Beide Sorten sind essbar und weit verbreitet.

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Bild: Von Curtis, William; Darton, William; Edwards, Sydenham; Kilburn, William; Sansom, Francis; Sowerby, James; White, Benjamin | gemeinfrei 

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