Oder: Wie Reggae zu seinem Namen kam…
Wenn wir über Jamaika und Reggae sprechen, müssen wir auch unbedingt über Toots sprechen. Warum sich der jamaikanische Musiker einen Platz in der Musikgeschichte erspielt und ersungen hat und welchen enormen Einfluss er als Begründer des Reggae hatte, erfährst du hier.
Mehr als nur Musik
Der 6. August 1962 ist ein wichtiger Tag in der Geschichte Jamaikas. Der 6. August 1962 ist der Tag, an dem das Land seine Unabhängigkeit von Großbritannien erreicht. Nach über 400 Jahren Kolonialismus muss das Land nun wieder zu sich selbst finden, seine eigene Identität neu entdecken. Ein wichtiger Weg dahin ist dabei die Musik, insbesondere Roots-Reggae, ein Subgenre des Reggaes, das sich vor allem auf politische Inhalte fokussiert. Es geht um Armut, politische Unterdrückung und Rassismus. Zu den wichtigsten Vertreter*innen zählen hier zum Beispiel Bob Marley und Peter Tosh. Die ursprüngliche Musik, zu denen sie ihre Texte singen und die einen Platz im Herzen eines gesamten Landes gefunden hat, ist der Reggae. Dass dieses Genre nicht nur in Jamaika, sondern quasi auf der ganzen Welt bekannt wurde und genau eben diesen Namen trägt, verdanken wir Frederick Nathaniel "Toots" Hibbert. Eine Legende, die den Weg für eben solche Größen wie Bob Marley ebnen sollte.Wer war dieser Frederick Nathaniel "Toots" Hibbert?
Am 8. Dezember 1942, 20 Jahre vor der Unabhängigkeit Jamaikas, wird Toots als jüngstes von sieben Kindern geboren. Er wird eines Tages maßgeblich dazu beitragen, dass viele Jamaika bis heute mit einem ganz bestimmten Genre verbinden.Doch man wird eben nicht von heute auf morgen zur Legende - auch Toots nicht.
Toots wächst in ärmlichen Verhältnissen in einem sehr liebevollen und frommen Elternhaus auf. Sowohl zu Hause als auch in der Schule geht es für ihn bereits in jungen Jahren sehr spirituell zu. In der Schule oder im Kirchenchor werden Gospels gesungen - musikalische Einflüsse, die ihn bis ins hohe Alter prägen werden. Aber auch weltliche Musik prägen den jungen Toots: Otis Redding, Ray Charles, Wilson Pickett, Elvis Presley und James Brown haben einen großen Einfluss auf ihn. Als er acht Jahre alt ist, stirbt seine Mutter, nur ein paar Jahre später sein Vater. Er zieht vom Land zu seinem Bruder nach Trenchtown (Stadtteil von Kingston) und beginnt später in einem lokalen Friseursalon zu arbeiten. Hier lernt er Henry "Raleigh" Gordon und Nathaniel "Jerry" Matthias - zwei Weggefährten, die ihn auf seiner musikalischen Reise von nun an immer begleiten werden…The Maytals
1962 gründen Toots, Raleigh und Jerry das Ska-Vokaltrio The Maytals. Erste kleinere Charterfolge hat die Band beim legendären jamaikanischen Label Studio One mit der Hilfe von Produzent Clement "Coxsone" Dodd. 1966 beginnen The Maytals erste Aufnahmen mit Produzent Byron Lee. Dank seiner Hilfe gewinnt die Band noch im gleichen Jahr den Jamaican Independence Festival Popular Song Competition mit dem Song "Bam Bam". Auch in den Jahren 1969 und 1972 gewinnen The Maytals zusammen mit Toots den Wettbewerb. Seine einzigartige Stimme und seine Art und Weise zu singen überzeugen dabei von Anfang an genauso wie seine Texte. Im Gegensatz zu vielen anderen jamaikanischen Künstler*innen versucht sich Toots bei seinem Gesang nicht dem amerikanischen Englisch anzunähern, sondern sang genau so, wie die einfachen Menschen in Jamaika sprachen.Nach dem ersten Erfolg von "Bam Bam" beim Jamaican Independence Festival Popular Song Competition, kommt die Karriere von The Maytals zunächst ins Stocken. Toots wird nach einem Konzert wegen dem Besitz von Cannabis festgenommen und soll für 18 Monate hinter Gittern.
"The arrest was a thing that was planned, but I didn't know about it until a policeman told me afterwards. A promoter planned it. They didn't want me to go to England and hit first. That act affected my career seriously because I was about to go on the biggest tour of my career." - Toots in Reggae Routes
Auch wenn die Verhaftung zunächst ein ziemlicher Rückschritt für die Musiker ist, inspirierte sie Toots jedoch zum Song "54-46 That's My Number” (1968), der ein riesiger Hit in Jamaika wird.
The Maytals und auch anderen jamaikanischen Musiker*innen geht es damals selten um den kommerziellen Erfolg. Toots denkt wie viele andere eher daran, dass seine Stimme gehört wird. Auch wenn die Maytals und Toots keine politischen Musiker sind und ihren Fokus mehr auf Optimismus und Spiritualität legen - ein Wink Richtung Politik und Gesellschaft schwingt doch immer mit.Geburt von Reggae
Zugegeben - Toots hat Reggae nicht erfunden, allerdings haben er und The Maytals eine Schlüsselrolle in der Geschichte von Reggae eingenommen. Nachdem der Anfang der 1950er und 1960er Jahre populär gewordene Ska für eine kurze Zeit dem etwas langsameren Beat des Rocksteady wich (circa 1966-1968), zieht das Tempo der jamaikanischen Popmusik Ende der 1960er-Jahre wieder an und die Basslinien in den Songs werden komplexer. Die Ersten, die diesen Sound erstmals namentlich in einem Song erwähnen, sind The Maytals.Mit "Do the Reggay" (1968) erreicht der Begriff "Reggay" erstmals auch ein breiteres Publikum außerhalb Jamaikas - vorrangig in den USA und Großbritannien. "Do the Reggay" gilt bis heute als richtungsweisender Song für das gesamte Genre. Vor dem Song war mit dem dem Begriff "Reggay" eine Tanzrichtung gemeint, die damals in Jamaika in Mode war. Toots sorgt aber dafür, dass man Reggae von nun an auch mit einem bestimmten Sound verbindet, sodass sich daraus ein ganzer Musikstil entwickelt. Er bleibt trotz seiner prägenden Rolle als Namensgeber des Genres recht bescheiden. Er kannte den Begriff Reggay eigentlich aus einem ganz anderen Zusammenhang:
"People tell me that, but when I did it, I didn't know. There was the beat in Jamaica, reggae was played long before I started singing. And there was a slang, like a nickname for someone who don't dress properly - like if you are barefoot, people would call you 'streggae." - Toots
Toots & The Maytals
1970 erlangen The Maytals mit "Monkey Man" (später gecovert von zum Beispiel The Specials und Amy Winehouse) erstmals größeren internationalen Charterfolg und landeten zum Beispiel auf Platz 47 der UK Singles Charts. Ab 1971 arbeitet die Band wieder mit Produzent Byron Lee zusammen, der sie in Toots & The Maytals umbenennt. Die Gründe dafür sind simpel: Toots schreibt die Songs und ist mit seiner unverkennbaren facettenreichen Stimme und Performance der Kopf der Band. 1972 unternehmen Toots & The Maytals einen weiteren Schritt in ihrer Musikkarriere, der auch das Genre des Reggae nachhaltig prägen soll: Zusammen mit Desmond Dekker, Jimmy Cliff und The Melodians steuern sie zwei Songs zum Soundtrack für den Film The Harder They Come bei. Gerade der Soundtrack ist es, der dazu führt, dass Reggae-Musik abermals bei einem neuen und noch breiteren Publikum außerhalb Jamaikas bekannt gemacht wird.Mit ihrem 1973 erschienenen Album Funky Kingston knüpfen Toots & The Maytals weiter an ihrem internationalen Erfolg von "Monkey Man" an. Bis heute zählt das Album zu den absoluten Klassiker jamaikanischer Musik, da es die Bedeutung von Reggae auf seinem kreativen Höhepunkt reflektiert. 1975 veröffentlichten Toots & The Maytals ihr elftes Studioalbum Reggae Got Soul. In dieser Zeit wagen sich viele jamaikanische Musiker*innen auch inhaltlich immer mehr an politische und gesellschaftskritischen Themen, Roots-Reggae wird immer populärer:
"This music now was more reflective of our inner feelings, of our cultural heritage. Not just jamaican culture, but beyond Jamaica. How we came there, before we came there, what happened. Because [...] our inspirational leaders were Marcus Garvey and his Majesty Emperor Haile Selassie. Then we started tracing there roots and what they were saying and this reflects in the music." - Jimmy Cliff in "Toots and the Maytals - Reggae Got Soul", Dokumentation des BBC
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