Hall of Fame: Kate Bush

Hall of Fame: Kate Bush

Musikalische Meilensteine aus der egoPerspektive

Kate Bush prägt die Musikgeschichte wie kaum eine andere Künstlerin - den feministischen Hut will sie sich allerdings nicht aufsetzen. Wir machen es trotzdem.

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  • Kate Bush
    egoFM Hall of Fame

Großbritannien, 1978

Eine unbekannte, irgendwie mystisch wirkende Künstlerin namens Kate Bush veröffentlicht ihre Debüt-Single.

Ihr Song "Wuthering Heights" ist anders und sticht aus der aktuell von Disco und Punkt geprägten Musikszene heraus wie ein Stück Elfenbein in einer Schublade voller Kronkorken. Insbesondere der Gesang wirkt wie eine Momentaufnahme aus einem versteckten Feenreich. Klar, diese extravagante Gesang kommt nicht überall gut an, doch das ist eher die Minderheit, die wegen der hohen Töne über Kopfschmerzen klagt und aufgrund der wechselnden Oktaven scheinbar mit Übelkeit zu kämpfen hat. Die Mehrheit liebt es. Oder ist zumindest derart von Kates Gesangskünsten und den dazu passenden hypnotisiert, dass sie deswegen fest davon überzeugt ist es zu lieben. Eine Ikone ist geboren.

Kate Bush stürmt mit "Wuthering Heights" die UK-Charts

Damit ist sie die erste Frau in der Musikgeschichte, die mit einem selbst geschriebenen und selbst gesungenen Song auf Platz #01 der britischen Charts landet. Der Beginn ihrer Karriere setzt den Maßstab für ihren Fortsatz: Bloß nicht vergleichbar sein. Immer hervorstechen. Und das, obwohl Kate Bush eigentlich wahnsinnig schüchtern und introvertiert ist. Die Öffentlichkeit ist kein angenehmer Ort für sie, Interviews werden nur sehr selten zugesagt und auch Live-Auftritte sind rar: In ihrer gesamten Karriere geht Kate Bush lediglich einmal auf Tour und zwar 1979, die Tour of Life. Eine zweite Konzertreihe gibt sie erst 35 Jahre später, also 2014: Before the Dawn ist eine Konzertresidenz im Hammersmith Apollo in London, die 22 Live-Shows umfasst. Dass Kate Bush dennoch zum Weltstar wurde ist also gerade in Anbetracht der Tatsache, dass viele Musiker*innen wie blöd touren müssen um sich Gehör zu verschaffen, bemerkenswert. 


Ein vorbildliches Fabelwesen

Kate Bush scheint in einer anderen Welt zu leben. Sie muss keinen Regeln folgen, ihre Handlungsfreiheit ist ihr Erfolgsgarant. Mit dieser Art beeinflusst sie den musikalischen Werdegang von wahnsinnig vielen Künstlerinnen maßgeblich. Ob Björk, Aurora oder Florence Welch - Kate Bush gilt als Inspiration für viele starke, erfolgreiche Frauen in der Musikszene.

Als eine Ikone des Feminismus kann man Kate Bush allerdings nicht bezeichnen.


Kate Bush und Feminismus

Es scheint unter Journalist*innen irgendwann zu einer Art gezwungenem Realitätscheck geworden zu sein, dass Kate Bush in den eigentlich sehr raren Interviews immer und immer wieder mit einer Frage konfrontiert wird:

"Do you consider yourself a feminist?"

Die Antworten darauf sind stets ernüchternd. "When you hear 'feminist' you go 'ugghhh!'" (Hot Press 1985), "Yuck! God, I hate that word. It's like calling someone a Sadist!" (gegenüber Greater London Radio, 1989) oder "I think a lot of respect went for the feminist movement. I think it's really wrong" (Vox, 1993) wären zwei Beispiele. Diesen Stempel will Kate Bush nicht aufgedrückt bekommen, denn ihrer Meinung nach wirken Feministinnen wie eine Gruppe radikaler, männerhassender Frauen. In einem Interview mit Bruce Elder bei 2JJ (heute als der australische Radiosender Tripe J bekannt) gibt sie sogar damit an, dass ihre komplette Plattensammlung lediglich aus männlichen Musikern bestehe - weibliche fände sie nämlich langweilig und stereotypisch. Über das eine Geheimnis ihres Erfolges sagt sie:
"It seems to me that all the women I've met who can make it in the business think like a man. It's your attitude. So many women are conditioned from a very young age to be concerned about marriage, looking pretty, not getting overweight, having babies and this sort of thing." - Kate Bush gegenüber 2JJ
Doch genau das ist der Punkt: Geschlechtsspezifische Klischees sind lahm und gehören eigentlich verboten. Nicht jede Frau putzt und kocht gerne. Nicht jede Frau will oder kann überhaupt Kinder bekommen. Nur solange diese Klischees verbreitet werden, setzen sie sich in Köpfen fest und zwängen Individuen in bestimmte Rollen.
Dass viele Frauen also ein Leben als schöne Ehefrau und Mutter anstreben, ist reine Kondition - und dessen ist sich Kate Bush durchaus bewusst. Sie habe nämlich noch ein zweites Erfolgsgeheimnis, wie sie Bruce Elder verrät: Sie habe eine männliche Einstellung gegenüber ihrer Arbeit. Eine logische, direkte und klare Art und Weise. Wobei es durchaus falsch sei, dies als männliche Eigenschaften zu bezeichnen:
"It's unfair to call it a man's thinking [...]. I think any human being is capable of that if they're aware of it. It's harder for women because they're conditioned to behave softer."
Bingo! Ohne sich selbst an Feministin zu bezeichnen, hat Kate Bush also durchaus feministische Ansichten und erkennt zumindest einen Teil des Problems. 

Doch die Sexismusdebatte in der Musikbranche will Kate Bush nicht wirklich an sich ran lassen. 

Geschweige denn ihren Support gegenüber Opfern aussprechen. So kommt es zumindest rüber, als sie 2016 in einem Interview gefragt wird, wie sie es empfinde, dass manche sie für ein kräftiges Beispiel einer Künstlerin halten, die trotz Sexismus in der Branche viel erreichen konnte. Ihre Antwort: Ihr sei zwar nie sowas (wie Sexismus) passiert, aber hey, danke für das Kompliment! Mehr oder weniger:
"It's not really something that has ever occurred to me, but I take that as a huge compliment. I'm happy if people can connect at all to anything I do. I don't really mind if people mishear or misunderstand it."



Die lyrische Kate Bush

Trotz all der Distanzierungen zum Feminismus finden sich feministische Gedanken in ihren Texten. Wenn schon nicht für die weibliche Allgemeinheit beansprucht sie zumindest für sich selbst eine gleiche Behandlung von Mann und Frau. Als Paradebeispiel fungiert das Meisterwerk "Running up that Hill" (1985 vom Album Hounds of Love).
 

"Tell me, we both matter, don't we?"

Es geht um eine Frau, die so wahnsinnig gerne einen Deal mit Gott abschließen würde - um einmal den Platz mit dem Mann zu tauschen. Von dieser geteilten Erfahrung verspricht sich die Frau mehr Empathie des Mannes gegenüber ihren Gefühlen. Das könnte alles um einiges leichter machen.
"Say, if I only could / I'd make a deal with God / And I'd get him to swap our places / I'd be running up that road / Be running up that hill / With no problems" - aus dem Song "Running up that Hill" von Kate Bush




Keine Feministin, aber eine feministische Inspiration nichtsdestotrotz

Nun denn, wenn sie nicht will, muss Kate Bush keine Schlüsselfigur im Feminismus sein. Ihren positiven Einfluss auf die weibliche Musikindustrie kann sie oder überhaupt jemand trotzdem nicht leugnen. Kate Bush hat Andersartigkeit (insbesondere für Frauen) salonfähig gemacht. Durch die Türen die sie geöffnet hat konnten immerhin Künstlerinnen wie Björk, Florence + The Machine, St. Vincent, Lilly Allen, Grimes und Aurora treten - Musikerinnen, die sich nicht von der männerdominierten Branche unterjochen lassen oder den gewöhnlichen Klischees hingeben.

Die Musikszene würde ohne Kate Bush definitiv langweiliger sein. Und bestimmt um einiges männlicher.




Noch mehr Legenden der Musikgeschichte findest du in unserer egoFM Hall of Fame.

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