Ry X: Unfurl

Ry X: Unfurl

Der Lieblingstonträger der Woche

Ry X liefert mit seinem neuen Album wieder reichlich Musik zum Nachdenklich-gen-Himmel-starren. Besonders toll, weil der zur Zeit ja wieder schön blau ist.

Mehr als 700 Rezeptorzellen befinden sich in den Fingerkuppen eines Menschen, weswegen bereits ein klitzekleiner Pikser mit einer klitzekleinen Nadel wie die Hölle schmerzen kann. Ähnlich viele Rezeptoren muss auch die Musik von Ry X stimulieren, der sich auch auf seinem zweiten/dritten Album (die Zählung ist nicht ganz eindeutig) aufs Reduzieren von Einflüssen fokussiert und den Klang wieder auf Gesang, Akustikgitarre, ein bisschen Piano und hier und da mal ein paar wabernde Synths reduziert.

Dadurch erwächst Unfurl organisch aus seinem wahren Debütalbum Dawn, das er 2016 veröffentlichte. 


Die Geschichte hinter dem Ry X den wir heute kennen wäre eigentlich perfekter Stoff für einen amerikanischen Musikstreifen, in dem der süße Surfer von der abgeschiedenen Ostküste Australiens eine Findungsreise nach Costa Rica macht, dort (wahrscheinlich beim Jammen am Lagerfeuer) von einem amerikanischen Regisseur entdeckt und prompt nach Los Angeles verfrachtet wird. Dort nimmt der süße Surfer eine Platte auf, die von John Alagía (Dave Matthews Band, Blue Man Group) produziert wird und spielt als Voract von Künstlern wie Maroon 5 und Phantom Planet.

Doch das alles macht ihn ganz und gar nicht glücklich - der Klang seines Debütalbums ist zu überladen, die Emotionen gar nicht echt. Ry Cuming fand seine Platte ziemlich schlecht und beschloss, noch mal alles zu schmeißen. So zog es ihn erst nach Asien zur erneuten Selbstfindung und irgendwann dann nach Berlin, wo er den Produzenten und Hälfte von Âme Frank Weidemann kennenlernte. Der fand Gefallen an dem Zeug, das Ry Cuming an den Lagerfeuern Indonesiens komponierte, fügte dem Ganzen lediglich noch ein bisschen Beat hinzu und sorgte mit "Howling" 2012 für einen kleinen, aber authentischeren Hype des Musikers, der sich fortan Ry X nennen sollte.
Kurz darauf nahm ihn das das schwedische Label Dumont Dumont unter Vertrag, über das Ry X 2013 seine EP Berlin veröffentlichte. Den gleichnamigen Track erfuhr ebenfalls einen ziemlichen Hype, nachdem er im Werbespot irgendeines neuen Fernsehgeräts verwendet wurde. Im gleichen Jahr noch schloss sich Cuming mit dem DJ Adam Freeland und dem Produzenten Steve Nalepa zusammen und gründete ein weiteres Bandprojekt: The Acid.

Aber dies auch nur mal so am Rande - damit wirklich klar wird, mit was für einer inneren Kraft Ry Cuming davon totalen Abstand nimmt. Immerhin würden geschätzt neun von zehn Personen, die derartige Erfolge feiern (mit allem, was sie auch nur anfassen), kilometerweit abheben. Ry X aber bleibt am Boden. Und feiert sein neues Album-Release ganz für sich, ohne groß die Medien oder Social Media über Reaktionen zu überprüfen - das hat er uns im Interview verraten.

Apropos, Interview...

Neulich hat uns der Australier nämlich besucht, um unserem Moderator Max im Interview Rede und Antwort zu stehen - diese unglaubliche innere Ruhe, die er in den Sender mitgebracht hat, hat alle instant angesteckt.
Das komplette Gespräch haben wir für dich hier unten zum Nachhören verlinkt - da kannst du einiges darüber lernen, dich nicht aus der Fassung bringen zu lassen, auch wenn du von einem guten Anteil der Weltbevölkerung als Superstar gefeiert wirst. Du lernst vom Meister X die wirklich wichtigen Dinge (also alles andere als Konsum, Mode und Selbstdarstellung) zu schätzen. Und du erfährst wie es ist, sich ein paar Monate nicht im Spiegel anzuschauen...




Tracklist: Ry X - Unfurl

01 Body (Ambient)
02 Untold
03 Bound
04 Body Sun
05 YaYaYa
06 Coven
07 Hounds
08 Foreign Tides
09 The Water
10 Mallorca 
11 To Know
12 Sun (Ambient)
13 Fumbling Prayer

Unfurl von Ry X wurde am 15. Februar 2019 via Warner veröffentlicht.

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