Mitski: The Land Is Inhospitable and So Are We

Es gibt sie dann doch noch, die schönen Geschichten:

Eigentlich hatten wir uns ja schon auf einen schweren Abschied eingestellt, denn Mitski war schon auf halbem Weg zur Tür raus. Erreicht war ja eh schon so gut wie alles: Mitski ist absolutes Vorbild für alle amerikanischen Singer-Songwriter*innen, Be The Cowboy war ein gigantischer Erfolg in der Musikpresse und sogar der TikTok Hit klappte über Umwege. Aber plötzlich fühlte sich die Sängerin so sehr von der eigenen Kunst entfremdet. Eigentlich hätte sie ihre Karriere sogar beenden wollen, aber im Plattenvertrag war noch explizit eine Platte ausgemacht.

Aber jetzt, gerade mal ein gutes Jahr, nachdem dieser mit Laurel Hell doch noch erfüllt wurde, ist Mitski wieder da – und sie zeigt sofort wieder, warum das ein großer Grund zu Jubeln ist.

Endlich Cowboy...

Hin und wieder kommt das ja schon vor: Jemand bringt nach überraschend kurzer Zeit wieder ein neues Album raus. Meistens ist die neue Platte dann aber mehr so etwas wie ein kleines Geschwisterchen zum Vorgänger, mit ähnlichem Sound und ähnlichem Feeling. The Land Is Inhospitable and So Are We ist da so ziemlich das komplette Gegenteil. Weiter weg vom Synthie Pop Sound von Laurel Hell könnte die neue Platte kaum noch sein. Statt Sad Banger ist hier alles erst mal scheinbar nur noch Sad.

Die Platte beginnt mit "Bug Like an Angel", so ein Song der so persönlich ist, dass es sich beim Hören so anfühlt, als würde Mitski mit Gitarre gegenübersitzen und strengen Augenkontakt halten. Dass sie noch einen ausgewachsenen Chor mitgebracht hat, fällt dann eben erst beim Refrain auf. Lagerfeuer in der Wildnis ist sowieso ein Bild, dass beim Hören immer öfter vor dem inneren Auge aufblitzt. Oder weite, offene Prärie. Eben irgendetwas, was mit dem wilden Westen zusammenhängt. Scheinbar hat sich Mitski, fünf Jahre nach Be The Cowboy, endgültig ins Red Dead Redemption-Szenario verliebt.

The Land Is Inhospitable and So Are We kombiniert Mitskis schonungslos ehrliches Songwriting mit Americana und Country Einflüssen – und wenn man sich gedanklich durch die verlorene Steppe reiten sieht, treffen die Texte über Einsamkeit noch viel stärker ins Herz.

...aber bitte zeitgemäß!

Allzu bequem machen sollte es man sich im wilden Westen aber dann doch nicht. Denn Mitskis Songs haben immer wieder diesen einen, fast schon gruseligen Twist. Wenn zum Beispiel in "The Deal" plötzlich Snare Drum Schläge unwirklich bedrohlich herabregnen, wird man schon ziemlich intensiv durchgeschüttelt. "Star" beschwört wiederum ein düsteres Orchester herauf und der Closer "I Love Me After You" lässt dann doch noch die verzerrten Gitarren unterschwellig grollen.

Und textlich befindet sich Mitski sowieso in zeitloser Brillanz. Die ersten Zeilen, die sich um komplizierte Beziehungen zur Familie und zum Alkohol drehen, passen sowohl zu Cowboys als auch zu Berufsverkehrspendler*innen. Für "I Don't Like My Mind" verwandelt sich Mitski dann in einen unbelehrbaren Workaholic, der nur darum fleht, bitte keine Zeit außerhalb des Büros verbringen zu müssen.

Aber zwischen aller umwerfenden Trostlosigkeit scheint doch noch ein unerwarteter Besucher durch: Die Hoffnung.

In "Buffalo Replaced" werden die besungenen Probleme zu kleinen Moskitos, die zwar nervig sein mögen, aber Mitski nicht von ihrer Lust nach Freiheit abbringen können. Und "I Love Me After You" schafft den schweren Schritt zurück zur Selbstliebe nach dem Ende einer Beziehung. Ein hoffnungsvoller Schluss für ein düsteres Album.

Aber dass Mitski sich scheinbar wieder wohl mit ihrer eigenen Kunst fühlt, ist sowieso die beste Nachricht.