Kiwi Jr.: Chopper

Kiwi Jr.: Chopper

Das Album der Woche

Von  Vitus Aumann
Manchmal braucht auch das echte Leben eben ein bisschen mehr Mysterydrama.

Welches Album das schwierigste ist – auf diese Frage gibt es eine Vielzahl von Antworten.

Beim Debüt ist man zwar noch recht unerfahren, hat aber noch keine große Erwartungshaltung, gegen die man bestehen muss. So muss man ab der zweiten Platte schon mit kritischen Stimmen rechnen, wenn man sich zu viel oder zu wenig weiterentwickelt hat. Kiwi Jr. aus Kanada haben sowohl Debüt als auch ersten Nachfolger mit Bravour abgeliefert – und stehen jetzt bei Chopper vor der nächsten großen Herausforderung. Das dritte Album macht aber schnell klar, dass man sich um Kiwi Jr. keine großen Sorgen machen muss:
 

Mit Chopper zeigen die Kanadier, dass sie eigentlich bald zu den Größen im Indierock zählen könnten.



Auf Dämonenjagd

Der Charme von Kiwi Jr. war eigentlich immer recht leicht zu erklären: Texte über nur allzu bekannte Horrorszenarien, wie anstrengende Vermieter und unerfüllte Träume – dazu luftig fröhlicher Indierock, um das ganze irgendwie erträglich zu machen. Aber die Welt, die in Chopper besungen wird, ist schon nicht mehr ganz so alltäglich. Gleich im ersten Song ist von unaussprechlichen Schrecken die Rede. Danach muss sich Jeremy Gaudet in "Parasite II" plötzlich mit einem Dämon der ganz fiesen Sorte in den eigenen vier Wänden auseinandersetzen: Er ist unsichtbar, bringt den Haushalt durcheinander und hat nicht zuletzt den ganzen Kühlschrank leer geräumt. Es spukt allerdings nur aufs erste Hören: Ähnlich wie bei Scooby Doo verstecken sich hinter den paranormalen Aktivitäten meistens nur menschliche Abgründe. Das Übernatürliche und Absurde wird dazu genutzt, den immer wiederkehrenden Alltagswahnsinn zu erklären.

Dementsprechend hat der Sänger es sich scheinbar zum Ziel gesetzt, in jeden Song irgendeine Absurdität einzubauen: So sinniert er über die Gehaltsvorstellungen von Superhelden, luxuriös teure Armprothesen, die dann aber nur im Regal verstauben oder über Rasenmäher in Katar. Es finden sich aber immer wieder auch allzu nachvollziehbare Sorgen über die Zukunft der Band in den Texten.

Doch wie man es von Kiwi Jr. kennt, wird der Sound selbst in diesen Momenten nicht düster, sondern animiert weiter zum durch die Wohnung tanzen.



Metamorphose geglückt

Trotz allem textlichen Grusel: Der größte Schock könnte für Kiwi Jr. eigentlich schon da sein, bevor Jeremy den Mund aufmacht. Denn ja: "Unspeakable Things" beginnt wirklich mit einem Moog Synthesizer. Kiwi Jr. waren bisher eigentlich fast schon puristisch der Gitarre verschrieben, aber für Chopper haben sie ihr Soundspektrum ein gutes Stück weit aufgerissen. So bekommt "The Extra Sees the Film" gegen Ende sogar leichte The War on Drugs Züge und "The Sound of Music" driftet leicht ins Barocke ab.

Rockbands, die plötzlich anfangen wahnsinnig viele Zusatzelemente in ihre Musik einzubauen, laufen ja gerne mal Gefahr, in kitschige Territorien abzudriften – aber den Kanadiern steht der angepasste Sound ausgezeichnet.


Mal klingen sie entrückt verträumt, was perfekt zu den gleichzeitig absurden und doch wieder realistischen Texten passt. Und auch wenn Kiwi Jr. Wie in "Downtown Area Blues" einfach nur die Menge zum Ausrasten bringen wollen, fügen sich die Synthies perfekt in den etwas raueren Sound ein.

So klingen Kiwi Jr. immer noch so wie die Band, in die wir uns spätestens bei Cooler Returns verliebt haben – aber eben ohne unnötig auf der Stelle zu treten.





Tracklist: Kiwi Jr. - Chopper

  1. Unspeakable Things
  2. Parasite II
  3. Clerical Sleep
  4. Night Vision
  5. The Extra Sees the Film
  6. Contract Killers
  7. The Sound of Music
  8. Downtown Area Blues
  9. Kennedy Curse
  10. The Masked Singer

Chopper von Kiwi Jr. wird am 12. August 2022 via Sub Pop veröffentlicht.

Design ❤ Agentur zwetschke