Weil Herbst halt nur mit sanften Akustikklängen Spaß macht.
Dass der Sommer viel zu kurz war, merkt man meistens erst, wenn er vorbei ist.
Und bevor man es sich versieht, ist auch noch genau der Ernst des Lebens wieder da, den man doch eigentlich am Strand mit Mischgetränken so weit wie möglich verbannen wollte. Während die Bäume also ihre Blätter verlieren und die ganze Welt sich nebenher wieder darauf vorbereitet ins komplette Chaos abzudriften, muss man sich vielleicht schon einmal vorausschauend einen kleinen Rückzugsort sichern.
Da kommt das neue Album von José González gerade recht.
Sanfte Revolution
Alles an José González schreit nach Zurückhaltung. Egal ob sein Sound, sein Auftreten, seine Stimme und auch seine Platten veröffentlicht er immer mit höflichem Zeitabstand. Local Valley ist gerade mal sein viertes Album – bei fast 20-jähriger Solokarriere ist das schon beeindruckend wenig. Trotzdem dauert es meistens nicht einmal Sekunden, bis man den Künstler hinter den Songs erkennt. Seine Stimme und sein hypnotisches Gitarrenspiel sind einfach einzigartig.
Eigentlich gibt es hier absolut keinen Grund, etwas an seiner Musik zu ändern. José González ist wahrscheinlich der einzige Mensch, der sogar einem Supermarktbesuch tiefgründige Melancholie verliehen kann. Trotzdem gibt es dann doch fast so etwas wie eine Revolution. Bislang hat der Schwede mit argentinischen Wurzeln ausschließlich auf Englisch gesungen. Damit mach gleich der erste Song "El Invento" Schluss: Zum ersten Mal traut sich José an spanische Lyrics, später dürfen mit "Tjomme" und "en stund på jorden" auch schwedische Texte genossen werden. Und auch wenn man keine dieser Sprachen spricht, trifft Josés bittersüßes Songwriting immer noch zielsicher jeden relevanten Nerv.
Die Texte sind zwar erst seit Local Valley mehrsprachig, die Gitarre war das eigentlich schon immer.
José González hatte schon seit jeher erstaunlich viele Einflüsse aus allen Ecken der Welt mit seinen Fingern in die Gitarrensaiten gezupft. Und auch Local Valley müsste eigentlich eher Global Valley heißen. Für "Head On" nennt José explizit den nigerianischen Künstler Bombino als Vorbild, und "Swing" sprüht nur so voller lateinamerikanischer Einflüsse. Hier wird auch zum ersten Mal in seiner Karriere zu einer Drummachine gegriffen – ein kleiner klanglicher Kniff, der den Song zum vielleicht tanzbarsten José González Song überhaupt macht.
Neben der Musik aus fernen Ecken haben aber auch die ganz unmittelbaren Dinge des Lebens ihren Platz auf Local Valley. Seine Partnerin hat nicht nur das Cover beigesteuert, sondern auch ihre Stimme hergeliehen und mit Lilla G ist auch das Schlaflied von Josés Tochter auf der Platte gelandet.
Sanftes Fuck You
Man merkt es, wenn man sich von seiner gezupften Gitarre langsam einlullen lässt vielleicht nicht gleich – aber José Gonzalez hat einen ziemlich scharfen Blick auf den Zeitgeist geworfen. So versteckt er in "Tjomme" hinter dem schwedischen Text einen eigentlich ziemlich deutlichen Rüffel an korrupte Politiker*innen und "Head On" ist ein Appell an alle, die großen Ungerechtigkeiten des Lebens endlich anzugehen. José liefert dabei keine flammenden Ansagen, viel mehr sind es kleine Anhaltspunkte, über die man reflektieren sollte und die sich so perfekt in den zurückhaltenden Sound von Local Valley einfügen.
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