Jonathan Bree: Pre-Code Hollywood

Jonathan Bree: Pre-Code Hollywood

Das Album der Woche

Von  Vitus Aumann
Wenn die Discokugel zum Strahlen aufhört, klingt das ungefähr so.

Schließ mal kurz die Augen und denk an - Disney!

Jetzt, wo du wieder da bist: Was hast du gesehen? Nostalgische Kinderfantasien? Tote Tiermütter? Gnadenlos kapitalistische Ausschlachtung einer Marke? Disney kann für viele Sachen stehen. Vielleicht ja auch für Jonathan Bree: Der bezeichnet seine Musik nämlich als Dark Disney.

Was auch immer er genau damit meint: Es hat bestimmt mit düsteren Synthies zu tun - und es klingt verflucht verführerisch.


 

The Masked Singer

Der Neuseeländer ist eh schon ein ziemlich mysteriöser Geselle: Wenn man Jonathan Bree zum ersten Mal sieht, könnte man meinen, der wäre grade frisch aus einem Horrorfilm geschlüpft. Er trägt bei seinen Konzerten nämlich immer Perücke und eine weiße Spandex Maske - da kann er schon den ein oder anderen Schrecken einjagen. Seine Musik hat dann aber trotzdem nicht so viel mit Horror zu tun - filmreif ist sie aber in jeder Hinsicht. Es reichen schon die ersten Töne von "City Baby" und die sanften Celloklänge, um den Kopfkinoprojektor zum Drehen zu bringen.

Das Kopfkino ist sowieso der richtige Ort für Jonathan Brees neue Platte: Mit dem Titel Pre Code Hollywood spielt er auf eine frühe Ära der Filmschmiede an: Als die Goldenen Zwanziger den gerade frisch erfundenen Tonfilm noch fest im Griff hatten und auf der Leinwand jedes Tabu gebrochen werden durfte - bis nach einiger Zeit der sogenannte Haus Code eingeführt wurde, um zu regulieren, was akzeptabel für die Gesellschaft war und was nicht.

Jonathan Brees Pre-Code Hollywood widmet sich also dem verruchten, dem kontroversen und dem Zügellosen.


Einen roten Faden gibt es dabei nicht wirklich: Die Platte springt von einer schummrig belichteten Szene zur anderen. In "Destiny" hauchen er und Princess Chelsea sich verführerische Botschaften zu – in "Miss You" ist die schicksalhafte Romanze schon wieder schmerzhafte Geschichte. Für den Titeltrack verwandelt er sich dann in einen maskierten Antihelden, der sich im Schatten an den gesellschaftlichen Konventionen vorbeischlängelt. Auch wenn solche Szenarien natürlich klar auf die Nostalgiedrüsen zielen, lebt Pre-Code Hollywood aber nicht nur in der Vergangenheit. Jonathen widmet sich auch Themen, die (leider) vor allem grade hochaktuell sind. So stellt "We’ll All Be Forgotten" die Frage, wie stark man als Künstler*in für das Werk brennen sollte – wenn am Ende doch eh alles vergessen wird und nur die eigene Psyche leidet. Und "You Are The Man" kann als Kommentar auf toxische Männlichkeit verstanden werden. Kann man – muss man aber nicht zwingend.

Denn Jonathan singt in seinen Texten nie ein Wort zu viel: Er lässt immer genug Platz, dass jede*r beim Zuhören ganz individuelle Bilder im Kopf zu sehen bekommt.


 


Mysteriös trotz Megastar

Das Mysteriöse und Geheimnisvolle, für das Jonathan Brees Musik so geschätzt wird, zieht sich auch durch seine neueste Platte. Da ändert es auch nichts, dass mit Nile Rodgers dieses mal ein absoluter Megastar seine Gitarre für ein paar Songs beigesteuert hat. Die fügt sich perfekt harmonisch in Brees Klangwelt ein und passt perfekt zu den düster flirrenden Synthies. Es ist eben diese Art von Musik, die uns innerhalb von Sekunden aus der Realität in eine ganz neue Welt befördert:

Mit Jonathan Bree wird sogar sowas dröges wie Pfandflaschen zurückbringen zum gefühlvollen Film Noir.

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Tracklist: Jonathan Bree - Pre-Code Hollywood

  1. City Baby
  2. Pre-Code Hollywood
  3. When We Met
  4. Miss You
  5. We'll All Be Forgotten
  6. Epicurean
  7. Politics
  8. You Are The Man
  9. Destiny
  10. Steel And Glass

Pre-Code Hollywood von Jonathan Bree erscheint am 14. April 2023 via Lil' Chief Records.

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