Hot Chip: A Bath Full of Ecstasy

Hot Chip: A Bath Full of Ecstasy

Der Lieblingstonträger der Woche

Existenzialismus auf der Tanzfläche - Hot Chip nehmen ein Bad in Ekstase und finden beim Planschen zu sich selbst.

Wie schön es ist, sich im Leben auf Dinge verlassen zu können, kann wohl niemand so gut nachempfinden, wie Fans und Anhänger*innen von Hot Chip.

Seit 19 Jahren steht das Quintett aus London für spannende elektronische Musik, der es gelingt, sowohl den Körper als auch den Hirnschmalz in Bewegung zu versetzen.

Trotz dieses bis zur Perfektion ausgearbeiteten Rezepts hatte man zuletzt das Gefühl, die Band habe sich etwas in Nuancen verloren. Auf dem 2015 erschienenen Why Make Sense? blieb der clubbige Sound zugunsten von simpleren Strukturen auf der Strecke und trotz Über-Songs wie "Started Right" und "Huarache Lights" schien ihnen die Radikalität etwas abhanden gekommen zu sein. Mit A Bath Full of Ecstasy, ihrem siebten Album, finden Hot Chip allerdings nicht nur zu den kraftvollen Beats zurück, es gelingt ihnen auch, dabei so unbeschwert und frisch zu klingen wie nie zuvor.

Große Gefühle mit schelmischem Augenzwinkern

Das Wechselspiel zwischen schelmischem Augenzwinkern und herzzereißendem Gefühl beherrschen Alexis Taylor und Joe Goddard noch immer wie kaum jemand ihrer Zunft. Bestes Beispiel dafür ist die erste Single "Hungry Child", die textlich von einer ziemlich obsessiven Liebschaft handelt.

Dank einer ebenso simplen, wie ungewöhnlichen Melodie, unter der sich ein mitreißender House-Rhythmus aufbaut, begeistert der Song sofort.

Und obwohl man den 13 Minuten langen Jam, auf dem der Opener "Melody of Love" basiert, nur noch in Ansätzen spürt, ist seine hypnotische Kraft geblieben. Zum ersten Mal haben sich Hot Chip dabei aus ihrer Komfortzone bewegt und mit externen Produzenten zusammengearbeitet. Fürs starke, konzise Songwriting ist Rodaidh McDonald verantwortlich, der für gewöhnlich bei Sampha an den Reglern sitzt. McDonald stutzt etwa "Melody of Love", ursprünglich ein 13 Minuten langer Jam, auf das Nötigste herunter, ohne dass der charakteristische Sound der Band verschwindet. Herausgekommen ist ein hypnotischer Track mit Gospel-Samples und einem Text, in dem Taylor den Moment verarbeitet, in dem sein Vater vom Tod seines Bruders erfahren hat.


Wesentlich deutlicher lässt sich der Einfluss von Philippe Zdar erkennen. Das kürzlich verstorbene Mastermind von Cassius und klanglicher Veredler von Phoenix verleiht den Briten einen luftigen Sound, irgendwo zwischen stampfendem French House und elegantem Yacht Pop. Das funktioniert immer dann am besten, wenn sich Hot Chip voll und ganz auf die Experimente einlassen. Im Titeltrack etwa lässt Taylor seine charakteristische Kopfstimme von Autotune und Daft Punk-Gedächtnis-Vocoder verfremden.

Wirklich magisch wird es dann im letzten Drittel von A Bath Full of Ecstasy, wo das überraschend sanfte und emotionale "Why Does My Mind" dem langen, freakigen "Clear Blue Skies", bei dem Goddard sich austoben darf, gegenübersteht.

Vielleicht hat es all diese kleinen Anstöße von außen gebraucht, damit sich die Band selbst findet. Denn Hot Chip klingen auf A Bath Full of Ecstasy selbstbewusst und kraftvoll - eben nach sich selbst. Vor allem "Spell" versprüht diese ekstatische Freude - obwohl der Song ursprünglich für Katy Perry - ja, genau, die Katy Perry! - komponiert worden ist. In den Händen der Londoner wird die eingängige Hook mit tuckernden Keyboards, verfremdeter Stimme und einem Groove angereichert, der selbst Prince neidisch machen würde.

Dabei macht die Band es sich und ihren Hörer*innen nie einfach. Viele Ideen offenbaren sich erst nach einer Weile, denn ganz so simpel, wie es dank der neu gewonnenen Leichtfüßigkeit klingt, ist die Ekstase auf A Bath Full of Ecstasy nie. Und schließlich wollten Hot Chip eine Platte mit Songs abliefern, in denen man sich verlieren, sozusagen baden kann - und genau das ist ihnen hervorragend gelungen.



Tracklist: Hot Chip - A Bath Full of Ecstasy

01 Melody of Love
02 Spell
03 Bath Full of Ecstasy
04 Echo
05 Hungry Child
06 Positive
07 Why Does My Mind
08 Clear Blue Skies
09 No God


A Bath Full of Ecstasy wurde am 21. Juni 2019 via Domino Records veröffentlicht

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