Faber: Addio

Faber: Addio

Das Album der Woche

Von  Vitus Aumann
Höllentief grölend zu Tode betrübt.

Wenn die deutschsprachige Musikszene eine Schulklasse wäre…. 

... dann hätte Faber ziemlich sicher den Unterricht geschwänzt. Das, was da unterrichtet wird, braucht er nicht. Er sitzt viel lieber in der zwielichtigen Kneipe ums Eck, starrt scheinbar in sein Getränk, während er eigentlich mit allergrößter Genauigkeit die menschlichen Abgründe um ihn herum erkundet.

Fabers Faszination mit dem Morbiden und dem Tabubruch hat er nie versteckt. Und trotzdem bekommt sein neues Album Addio wirklich das Kunststück hin, seine bislang düsterste Platte zu werden.

Aber keine Sorge: Auch wenn es textlich in finstere Abgründe geht – musikalisch wird es ganz ganz groß.
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Die höllische Komödie

Ja, Faber hatte schon immer genug Sauerstoff im Tank, um auch in die allertiefsten lyrischen Abgründe hinabzutauchen. Bei Addio denkt man sich aber schon öfters Mal: "Ach du Scheiße".

Verkrüppelnde Einsamkeit? Check. Depression? Auch dabei. Anspielungen auf Suizid? Jup. Und nein, das ist keine Zusammenfassung vom Album – das war gerade mal der erste richtige Song. "Du kriegst mich nicht zurück" droht der unerwiderten Liebe mal ganz wenig subtil mit Selbsttötung und bevor man nachzählt, wie viele Fässer er damit jetzt wieder aufgemacht hat, erinnert man sich lieber daran, dass Faber hier kein Ich-Erzähler ist. Für seine Songs schlüpft er in verruchte Rollen, um das Leid, die Wut und den Schmerz aus den tiefsten Abgründen zu beleuchten.

Und da passt es nur zu gut, dass man sich beim Zuhören eben auch ein- bis zweimal kurz schütteln muss.


Rebellische Seele

Dass sich Faber trotz aller Kunstfigurmasken augenscheinlich mit ganz persönlichen Dämonen herumschlagen muss, wird ja eigentlich schon beim Blick aufs Cover klar. Da versucht er sich gegen Manifestationen von Begierde, Völlerei und Gewalt zu wehren. Nur konsequent, dass Addio sich da hin und wieder fast schon wie eine verfluchte Messe anhört. Orgeln, Chöre und jede Menge Pathos beschwört der Faber dieses Mal mit herauf.

Aber natürlich bekommt auch der ein oder andere gesellschaftliche Auswuchs eine zähnefletschende Abrechnung. In "Leon" bekommt zum Beispiel die Mindsetcoaching-YouTube-Bubble einen standesamtlichen Einlauf. "Sie ist wieder in der Stadt" bemitleidet dann unfreiwillig in die Tradition gezwungene Paare und "Ayurveda" verwandelt ein Wellness Retreat in einen Horrortrip. Fabers Band bedient sich dabei immer wieder auch gerne bei klassischen Pop-Strukturen, die zusammen mit den folkligen Instrumenten geradezu wahnwitzige Klänge erzeugen. Und ganz zum Schluss driftet Faber sogar noch ins Italienische ab und lädt seinen Vater zum Duett ein.

Doch zwischen allen Gesellschaftswatschen und persönlichen Höllentrips dringt dann eben doch immer wieder die verletzte Seite des Schweizers raus. Manchmal zwischen, aber gerne auch direkt in den Zeilen wartet dann eben doch immer diese eine Person, die nicht zurückschreibt oder aus sonstigen Gründen einfach nicht aus dem Kopf verschwinden möchte. So wirkt der ganze Zorn und die Pöbelei hin und wieder fast schon wie ein Verdrängungsmechanismus.

Irgendwo tief in der Kunstfigur steckt dann halt doch noch ein Mensch.



Tracklist: Faber - Addio

  1. Ouvertüre
  2. Du kriegst mich nicht zurück
  3. Sie ist wieder in der Stadt
  4. Ayurveda
  5. Temptation Island
  6. Nocturne
  7. Leon
  8. Ihr habt meinen Segen Pt.2
  9. Deus
  10. Addio
  11. Anima ribelle
  12. Odiarsi un po'
  13. Pirdutu cori
Addio von Faber wurde am 07. Juni2024 via Vertigo Berlin veröffentlicht.

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