Mehr Liebe für unfokussierte Lebensentwürfe.
Jetzt geht das hier gleich mal mit einer Lüge los.
Oder ums nicht ganz so hart zu formulieren: eine höfliche Tiefstapelung. No. 2, das würde ja andeuten, hier gäbe es erst die zweite Platte von Erobique zu hören. Dabei ist Carsten Meyer so ziemlich der Inbegriff des Tausendsassas. Soundtracks für den Tatortreiniger, Alben mit Jacques Palminger, den Hamburg Spinners und International Pony und noch so viel mehr: Mangelnden Bock auf Arbeit kann man ihm wirklich nicht vorwerfen.Aber ein wenig Wahrheit steckt dann doch im Titel No. 2: Denn ein waschechtes Erobique Album, also nur Erobique und kein anderes Projekt, das hat Carsten Meyer bisher nur ein einziges Mal herausgebracht – und das ist jetzt auch noch 25 Jahre her.
Ist No. 2 jetzt also diese Platte, die so eine kolossale Wartezeit würdevoll rechtfertigt?
Spontane Genialität
Na ja, es wird zumindest ziemlich schnell klar, dass hier nicht 25 Jahre lang an diesen Songs herumgeschraubt wurde: No. 2 ist erlebte Spontanität. Auf einen roten Faden, ein übergreifendes Motiv oder andere Dinge, auf die man sich beim Albumkritik schreiben gerne stürzt, wird hier gerne verzichtet. Jeder Song ist eine komplett neue Reise in einen ganz eigenen Klangkosmos."Springinsfeld" swingt als Opener daher und klingt wie der Soundtrack zum funkigsten, nie gedrehten Cowboyfilm der Welt. "Acquamarina" ist dann der wirklich ultimative Song für den Weg von der Bar zur Liege am Pool. Und in "Synaesthesie" und "Der Arpeggiator" mutiert Carsten Erobique Meyer sogar noch zum wahrscheinlich lässigsten Musiklehrer aller Zeiten. Das waren jetzt ganz schön viele Superlative, aber nach 25 Jahren Warterei dürfen die schon mal regnen.
Es ist wirklich kaum zu überhören, dass sich Erobique für seine zweite richtige Platte absolut keine Grenzen setzten wollte: Auch Fehler sind explizit erlaubt! Auf "Verkackt" macht er gleich klar, dass Ausrutscher in der Musik nicht nur vollkommen ok sind, sondern sogar erwünscht sein sollten:
Denn klinische Perfektion ist einfach nur unmenschlich.
Überraschungen gibt’s dementsprechend immer wieder: "Ravedave" ist ein richtig abgefahrener Trip in den Dadaismus – die Handlung sollte man aber allen Hunden zuliebe besser nicht wortwörtlich nachspielen. Oder wenn am Ende von "Riding Low" plötzlich über niedrige Fahrräder gelästert wird.
Das Einzige, was No. 2 eben doch zusammenhält, ist dieses wohlige Gefühl der Entspanntheit, das beim Hören sofort auf einen imaginären Liegestuhl am imaginären Traumurlaubsort teleportiert. Aber eben keine all-inclusive Entspanntheit, sondern eher so eine 007 Entspanntheit: Schon sehr lässig und erholt, aber doch auch jeden Moment bereit aktiv zu werden – auch wenn hier eher spontane Tanzeinlagen drohen, statt Angriffe auf das Königreich.
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