Abbey Road: Das Beatles-Album wird 50

Abbey Road: Das Beatles-Album wird 50

Zum Jubiläum von Abbey Road

Oh, that magic feeling! Vor gut fünfzig Jahren gehen die Beatles zum letzten Mal ins Studio, um gemeinsam an neuer Musik zu arbeiten. Mit "Abbey Road" kreieren sie dabei einen finalen Geniestreich.

Zum fünfzigsten Geburtstag des legendären Albums hat sich unser Musikredakteur Fabian Maxwell's silbernen Hammer ausgeborgt, ist in den Garten eines Kraken getaucht und hat sich dabei ausführlich mit dem Album beschäftigt.

Throwback ins Jahr 1969

Als die Beatles mit der Arbeit an ihrem elften Album beginnen, hat sich die Band hinter den Kulissen und fernab der Öffentlichkeit bereits auseinander gelebt. Daran Schuld sind vor allem die frustrierenden Sessions an dem Material, das ein Jahr später auf Let It Be das Licht der Welt erblickt. Kein Wunder, schließlich stecken Paul McCartney, John Lennon, George Harrison und Ringo Starr beinahe ohne Pause im Studio, nachdem die Band seit 1966 keine Livekonzerte mehr gibt. Als letzten Ausweg schlägt McCartney also vor, wieder auf die Bühne zurückzukehren, was seine Bandkollegen einstimmig ablehnen. Als Kompromiss lassen sie sich darauf ein, noch einmal gemeinsam ins Studio zu gehen.

Im Versuch, die alten Zeiten wieder zu beleben, rufen die Beatles sogar bei Sir George Martin an, dem Produzenten und Arrangeur, der als fünfter Beatle gilt.


Aller Streitigkeiten zum Trotz geht der Plan auf. Obwohl John Lennons Wunsch, dass seine Frau Yoko Ono ihn auf Schritt und Tritt im Studio begleitet, für Zwist sorgt, raufen sich die Fab Four für die Musik noch einmal zusammen, und kreieren dabei eine ihrer besten Platten. Nach der psychedelischen Welt von Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band und der Experimentierfreude des White Album, besticht Abbey Road durch eine selbstbewusste Geschlossenheit. Auch die Technologie im Studio hat sich zu Gunsten der Band weiterentwickelt. So sind sie nicht mehr bloß auf eine Bandmaschine mit vier Spuren angewiesen, sondern können nun auf acht zurückgreifen. Harrison investiert obendrein in einen der damals brandneuen Moog-Synthesizer, der mit seinen fremdartigen Klängen auf der ganzen Platte zu hören ist. 

Zunächst stößt Abbey Road bei Fans und Kritikern auf Unverständnis, heute allerdings klingt das Album immer noch zeitgemäß - was eindeutig für die Platte spricht und zeigt: Selbst an ihrem Ende sind die Beatles ihrer Zeit meilenweit voraus.


Vor allem zeichnet Abbey Road das starke Songwriting aus.
 John Lennon vermengt auf "Come Together" und "I Want You (She's So Heavy)" die bluesigen Grundideen seines Freundes Bob Dylan mit düsteren Klängen und radikalen Arrangements. Vor allem "I Want You (She's So Heavy)" schraubt sich dank des unbarmherzig lauten Finales in die Gehörgänge, mit einer rotierenden Melodie, die einem Escher-Gemälde gleicht, nur um schließlich abrupt in Totenstille abzubrechen. Mit seiner schrägen Wildheit nimmt Lennon hier Heavy Metal, Doom und sogar Grunge vorweg, und treibt seine Bandkollegen zu ihren besten Leistungen an.

Im Gegensatz dazu wirken die Songs von McCartney, die Lennon spitzzüngig als "sing-along Granny's music" bezeichnet, als hätte der Bassist den Weg des geringsten Widerstandes eingeschlagen. Doch im Gegenteil, bringt er sich und seine Songs an bisher ungeahnte Grenzen. Für das soulige "Oh! Darling" erscheint er für eine knappe Woche einige Stunden vor seinen Bandkollegen im Studio, um sich die Seele aus dem Leib zu singen, damit seine Stimme auf der finalen Aufnahme kratziger wirkt. An "Maxwell's Silver Hammer" arbeitet er unermüdlich in Lennons Abwesenheit über mehrere Wochen hinweg, bis Harrison nach drei Tagen erste Bedenken anmeldet. Die rüde Antwort McCartneys lautet, er hätte eben einige Ideen.

George Harrison und sein "Something"

Auch Harrisons Songwriting entwickelt sich und seine Beitrage auf Abbey Road gehören zu seinen besten Songs. "Here Comes The Sun" ist eine kleine Eskapismus-Miniatur. An dem Text zu seinem sanften Liebeslied "Something", das als erste und einzige Single ausgekoppelt wird, feilt er beinahe sechs Monate. Und sogar der obligatorische Track, zu dem Ringo seine Vocals beisteuert, besitzt eine Menge Charme: "Octopus's Garden" wird alle Zeiten überdauern, höchstwahrscheinlich sogar dank der in zigtausenden Familienhaushalten unvergessenen Version der Muppets.

Die Quintessenz der Beatles in 16 Minuten

Die zweite Plattenseite von Abbey Road wird überschattet von einem großen Medley, bestehend aus acht halbfertigen Songskizzen. Sechzehn Minuten gebündelter Melodien, vereint und zusammengehalten von McCartneys Konzept und George Martins kongenialen Orchesterarrangements, prasseln als eine Art Quintessenz des ganzen Schaffens der Beatles auf den Hörer ein.

Obwohl Lennon die Idee einer Art progressiven Popsuite missfällt, lässt er sich schließlich doch noch vom großen Ganzen überzeugen.

Im prophetischen "Carry That Weight" taucht die hymnische Melodie von "You Never Give Me Your Money" als Reprise wieder auf, genau so wie die Gitarrenmelodien von "Here Comes The Sun". Es gipfelt im bombastischen "The End", in dem jedes Bandmitglied für ein paar Takte zum Solisten wird.

Ambitionierte Augenblicke

Das Gesamtwerk Abbey Road endet emotional, mit einer der schönsten und menschlichsten Augenblicke im ganzen Schaffen der Beatles:

"And in the end the love you take is equal to the love you make"

- schließen die Fab Four im Chorgesang ab, und sperren damit für einen magischen Moment all die Streitereien und Probleme aus. Nur um in den nächsten Wochen wieder von ihnen eingeholt zu werden. Wenige Tage bevor das Album erscheint, möchte John Lennon "die Scheidung" von der Band. Let It Be erscheint schließlich als posthume Momentaufnahme, produziert und überarbeitet von Phil Spector. Fans sehen allerdings Abbey Road als das offiziell letzte Album der Beatles an. Denn irgendwie passt es ja auch so schön, mit "The End" abzuschließen.

Und doch - gibt's da noch mehr! "Her Majesty" folgt nach einigen Sekunden Stille, wie ein kleines Augenzwinkern. Ursprünglich als Teil des großen Medleys geplant, entschließen die Beatles sich in letzter Sekunde dazu, diese kleine, halbfertige Liebeserklärung McCartneys an die Queen zu streichen.

Der damalige Toningenieur Jon Kurlander handelt auf die Anweisung hin, kein Stück Tonband zu vernichten, das Audiomaterial der Band erhält, und schneidet die 23 Sekunden einfach ganz an den Schluss. Das gefällt Lennon und McCartney so gut, dass es auch dort bleibt.




Übrigens: Zum fünfzigsten Jubiläum erscheint Abbey Road als überarbeitete und von Giles Martin, Sir George Martins Sohn, neu abgemischte Fassung als CD, Doppel-CD sowie Deluxe-Boxset inklusive BluRay.

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