Hall of Fame: Kraftwerk

Hall of Fame: Kraftwerk

Musikalische Meilensteine aus der egoPerspektive

Wir blicken auf die Anfänge der Pioniere der elektronischen Musik zurück. Denn wenn wir über die Bedeutung von Kraftwerk sprechen, müssen wir auch einen Blick auf den Ursprung der Band werfen.

Kraftwerk Quartett


Der Zeitgeist

Es waren stürmische Zeiten Ende der 60er Jahre - die Jugend lehnte sich gegen den Vietnamkrieg und die herrschenden Verhältnisse in der Welt auf. Martin Luther King, Robert Kennedy und Rudi Dutschke fielen Attentaten zum Opfer, der Prager Frühling wurde brutal niedergeschlagen und der Atomwaffensperrvertrag wurde ins Leben gerufen. Auch in der Musik, die bis dato von den Beatles, The Monkees, Bee Gees und Manfred Mann dominiert war, sollten revolutionäre Zeiten bevorstehen. Zu dieser Zeit gehörte auch ein eher unbekanntes Musikprojekt, welches den Grundstein für die nächsten 30 Jahre Musikgeschichte legen sollte und aus dessen Geschichte die Helden einer Generation entstanden - PISSOFF!

Vom Urvater einer ganzen Generation

Eberhard Kranemann, geboren am 7. März 1945 in Wismar und seit Kindheitstagen ein begeisterter Kontrabassspieler, schlägt sich zu dieser Zeit als Kunststudent in Düsseldorf durch’s Leben. Um sein Studium zu finanzieren, lässt er keine Möglichkeit aus, als Orchestermusiker in diversen Schauspielhäusern mitzuwirken. Seine Nächte verbringt er in den Jazzclubs der Stadt. Aus einer Lethargie der sich ständig wiederholenden Abläufe heraus, fängt er an mit Klängen, Geräuschen und anderen Instrumenten zu experimentieren.

Nach ersten Erfolgen sucht Kranemann an seiner Düsseldorfer Kunstakademie nach Gleichgesinnten und gründet ein avantgardistisches Musikprojekt namens PISSOFF. Getrieben vom Grundgedanken, neue außergewöhnliche Kompositionen zu erschaffen, suchen sie die Lösung in der Live-Improvisation. Sie stellen die Verstärker auf die Bühne, drehen sie voll auf und dann geht’s los - ohne Absprache, ohne jede Regel, ohne eine bestimmte Tonart, ohne einen festgelegten Rhythmus, jeder so laut und so viel und so lange er konnte. Dabei kommt es öfters vor, dass nur ein Lied gespielt wird - das dauert dann aber ungefähr drei Stunden, bis alle durchgeschwitzt und kaputt sind. Einen der größten Auftritte zu dieser Zeit haben PISSOFF zusammen mit Joseph Beuys 1968 im Düsseldorfer Creamcheese. Zu dessen Arbeit "Handaktion" steuerten sie den passenden Sound bei - die Klangaktion:



Über experimentelle Weiterentwicklung und Identitätsfindung

Zu jener Zeit drückte sich immer häufiger ein junger Mann in den dunklen Ecken der Düsseldorfer Clubs herum, schaute und hörte, was PISSOFF da machten. Die Begeisterung war ihm sicherlich anzusehen. Er hieß Florian Schneider-Esleben und studierte Querflöte an der dortigen Robert Schumann Hochschule. Schnell freundeten sich Kranemann und Schneider-Esleben an und begannen, Musik miteinandern zu machen. Mal in der Wohnung Kranemanns, mal im Elternhaus Schneider-Eslebens und manchmal auch mit anderen Musiker*innen.


Eines Tages schleppte Florian Schneider-Esleben so einen Hammond-Orgel-Spieler aus Krefeld an. Sein Name: Ralf Hütter, Architekturstudent. Schnell harmonierten die drei jungen Musiker miteinander und die ersten Auftritte standen an. Da ein Erfolg aber ausblieb, entschieden sich Schneider-Esleben und Hütter ein neues Projekt zu starten: die Organisation zur Verwirklichung gemeinsamer Musikkonzepte kurz Organisation. Zusammen mit drei weiteren Studenten aus Düsseldorf improvisierten sie die nächsten Jahre Lieder in Kunstgalerien und Universitäten.

"Wir hatten Glück, denn zu der Zeit gab es bereits Konzerte mit elektronischer Musik, Happenings, die Fluxus-Gruppe und so weiter. Das war alles ganz normal; wir spielten in der gleichen Umgebung, nämlich den Galerien. Anfangs hatten wir keinerlei Engagements in der traditionellen Musikszene; wir traten innerhalb der Kunstszene auf, in Galerien, Universitäten und dergleichen." - Ralf Hütter in einem Interview mit Jean François Bizot

Hallööchen - der internationale Durchbruch? Korrekt?

Im August 1970 erschien in Großbritannien ihr erstes Album Tone Float via RCA Victor, doch nur wenige Wochen später entschied das Label wegen ausbleibendem Erfolg, das Projekt Organisation nicht mehr zu unterstützen. Schneider-Esleben und Hütter verließen die Gruppe, um im selben Augenblick ein neues Projekt zu starten: Kraftwerk.



Diesmal gelang der Durchbruch trotz anfänglicher Schwierigkeiten nahezu über Nacht. Der synthetische Electronic-Sound passte perfekt zum Zeitgeist. Er bediente gleichermaßen das Tanzbedürfnis des Publikums, eignete sich aber auch für spektakuläre Bühnenpräsentationen – damals noch ein Spagat, der nur wenigen gelang. Kraftwerk realisierten sofort, dass sie auf eine musikalische Goldader gestoßen waren und begannen, das revolutionäre Konzept einer elektronisch generierten "Maschinen-Musik" systematisch auszubauen.

Mit der Maschine in die Zukunft

Nach drei weiteren Krautrock-Alben (Kraftwerk 2 und Ralf und Florian) war es 1974 für Kraftwerk dann soweit. Mit Autobahn gelang ihnen der erste große internationale Erfolg. Diese Album gilt als Ursprung der modernen elektronischen Musik. Mit seinen treibenden, nicht enden-wollenden Beats und den warmen Synthesizern fungiert Autobahn als Prototyp des Techno-Pops. Ab diesem Moment galten Kraftwerk als die Pioniere der elektronischen Musik, wurden als Legenden gefeiert, zitiert, gesampelt und als Schöpfer von House und Techno bis in den Musik-Olymp gelobt.

"Ihre Musik bestand aus einer Reihe kontrollierter, roboterartiger, extrem überlegter Kompositionen, fast eine Parodie des Minimalismus", schwärmte David Bowie, der auf dem 1977er Album Heroes Florian Schneider-Esleben mit "V-2 Schneider" sogar huldigte.

Es folgten Alben wie Radio-Aktivität, Trans Europa Express und Die Mensch-Maschine. Letzteres wurde so erfolgreich, dass Kraftwerk die ersten deutschen Künstler wurden, über die eine Titelstory im berühmten Musikmagazin NME erschien. Auch das nachfolgende Album Computerwelt (1981) wird als eines der wichtigsten Alben der elektronischen Musik angesehen. 



Als Wegbereiter und Pioniere für zahlreiche elektronische Musikgenres und als Einfluss auf viele unserer egoKünstler*innen haben sich Kraftwerk damit einen Platz in unserer Hall of Fame verdient. Hier findest du weitere musikalischen Meilensteine aus der egoPerspektive. 
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