Was ist eigentlich eine Zwangsstörung?

Was ist eigentlich eine Zwangsstörung?

Ursachen und Krankheitsbild

Von  Anna Fasciani
Ab wann ist ein Verhalten zwanghaft, wo hat es seinen Ursprung und vor allem: wie wird man es wieder los?


Zwangserkrankungen erkennen

Zwanghaftes Haare ausreißen, ständiges Händewaschen oder die Kontrollsucht, alle Lichtschalter mehrfach an – und auszuschalten – all das sind Verhaltensweisen, die als Zwangshandlungen bezeichnet werden.
  • Zwangserkrankungen
    Was ist das und woher kommen sie?

Die Deutsche Gesellschaft für Zwangserkrankungen e.V. weiß, dass etwa ein bis zwei Millionen Menschen in Deutschland unter ausgeprägten Zwangshandlungen leiden. Dies sind Verhaltensweisen, die immer wieder auftauchen, für mindestens eine Stunde am Tag und das über einen Zeitraum von zwei Wochen am Stück. Dabei wissen die Betroffenen, dass diese Handlung unsinnig ist, sie wehren sich dagegen, schaffen es aber nicht, damit aufzuhören.

Spielerische Verhaltensweise oder Zwang?

Schon im Kindesalter gibt es klare Regeln: wir erinnern uns sicher alle daran, dass wir beim Spielen nicht in die Ritzen von Pflastersteinen treten durften. Wer es trotzdem getan hat, hat verloren. Solche spielerischen Verhaltensweisen vergehen in der Regel nach ein paar Wochen oder Monaten von selbst.

Im Jugendlichen – und Erwachsenenalter sind es vor allem drei Arten von Zwängen, die am häufigsten behandelt werden müssen, weiß Antonia Peters, Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Zwangsstörungen e.V.: Putz- und Waschzwänge, Ordnungszwänge und Gedankenzwänge. Dabei gibt es auch Mischformen, jemand kann zum Beispiel Gedankenzwänge haben und entwickelt, um diese zu beruhigen, einen Waschzwang.

Wer ein solches Verhalten bei sich selbst beobachtet, vermutet vielleicht nicht sofort einen Zwang dahinter.

Eine ganze Reihe von Studien belegt, dass sieben bis zehn Jahre nach dem Ausbruch der Zwangsstörung vergehen, bis sich die Betroffenen Hilfe suchen. Viele derer, die ein auffälliges Verhalten aufweisen, berichten, dass ihre Mitmenschen wenig Verständnis dafür aufbringen - und so wächst die Scham über das eigene Verhalten meist über Jahre hinweg. Und doch ist es meist zuerst das Umfeld, das die Betroffenen auf ihre Ticks hinweist.

Doch nur wer selbst erkennt, dass man teilweise bis zu zwei Stunden am Tag immer wieder dieselbe Handlung ausführen muss, um eine dadurch entstehende Zufriedenheit zu spüren, kann diesen Zwang durch therapeutische Hilfe in den Griff bekommen.

Ein Ziel der Therapie ist es, Ursachen zu finden.

Man geht von drei bis vier Ursachen aus, erklärt Antonia Peters: Eine familiäre Veranlagung, Ungleichgewichte im Hirnstoffwechsel (beispielsweise bei dem Botenstoff Serotonin) oder ein konkreter Moment als Auslöser. 

Eine therapeutische Begleitung ist unumgänglich.

Doch gerade nach den letzten beiden Jahren sind Behandlungsplätze rar, die Wartelisten lang. Betroffene sind ihren Handlungen teilweise über Monate hinweg ausgesetzt. Hier werden nicht selten Medikamente verschrieben, um die Zwangshandlungen erst einmal in den Griff zu bekommen – diese ersetzen jedoch nie die Verhaltenstherapie.

Expert*innen raten außerdem jeder*jedem Betroffenen, sich einer Selbsthilfegruppe anzuschließen. Wer merkt, dass man mit seinem Zwang nicht alleine ist, dass es Gleichgesinnte gibt, die mit ähnlichen Problemen zu kämpfen haben, fühlt sich verstanden und ist motivierter, den Zwang loszuwerden.

Eine Zwangserkrankung ist ein lebenslanger Begleiter.

Ein einzelnes Erlebnis kann Auslöser sein, um in alte Muster zurückzufallen. Man kann sie in die Schranken weisen, sich ihr stellen, sie behandeln – und doch wird man sie selten ganz los. Doch wem die richtigen Instrumente in die Hand gelegt werden, der kann den Zwang bezwingen.

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