Sarah über ihre Sterilisation mit 24

Sarah über ihre Sterilisation mit 24

Der Kampf um Selbstbestimmung

Von  Auri
Warum wird es Menschen mit Uterus so schwer gemacht, sich sterilisieren zu lassen?

Salut Sex! Folge #06

Sarah wusste schon mit 13, dass sie keine Kinder bekommen und sterilisiert werden möchte. Bis sie ihre Sterilisation - dann mit 24 - endlich bekam, hat sie sich viel anhören und sich viel rechtfertigen müssen. Von diesen Erfahrungen erzählt sie in der aktuellen Episode Salut Sex. Außerdem spricht Moderatorin Auri mit Susanne vom Selbstbestimmt Steril e.V., der sich für Gleichberechtigung und Aufklärung in Reproduktionsfragen einsetzt und räumt mit Mythen auf. 

Buchtipps

  • Regretting Motherhood von Orna Donath
  • Sarah über ihre Sterilisation mit 24
    Der Kampf um Selbstbestimmung

Eine mögliche Antwort auf die Mutter aller Fragen

In der letzten Folge ging es um das Thema Kinderwunsch und wie wir die Frage nach Kinder-kriegen-ja-oder-nein ganz angstfrei für uns selbst beantworten können. In dieser Folge geht es um die Menschen, die schon lange sicher wissen, dass sie ziemlich sicher keine Kinder kriegen wollen. 

Es geht um Sterilisation bei der Frau beziehungsweise Mensch mit Uterus.

Ein Thema, von dem ich dachte, dass es in Deutschland zumindest kein Problem wäre. Ich dachte: Arzt oder Ärztin suchen, Termin machen, hingehen, fertig. Easy. Weit gefehlt. Nach der Recherche und den Interviews für diese Folge habe ich gelernt: Es ist super schwer, eine Ärzt*in zu finden, die Menschen mit Uterus sterilisiert, vor allem wenn man unter 35 ist und vor allem wenn man noch keine Kinder hat. Und manchmal setzen Ärzt*innen sogar ein psychologisches Gutachten voraus.

Wir vergleichen das mal mit der Vasektomie

Wer sich in Deutschland die Samenleiter durchtrennen lassen möchte, kann das ganz bequem einfach beim nächsten Urologen beziehungsweise  bei der nächsten Urologin machen lassen. Ohne Nachfrage und Gutachten. 

Wir schauen uns in dieser Folge also genau an, warum es Menschen mit Uterus so schwer gemacht wird, sich sterilisieren zu lassen. Wir reden mit Susanne vom Selbstbestimmt Steril e.V. und außerdem habe ich mich mit Sarah getroffen, die nach sechs Jahren Suche endlich einen Arzt gefunden hat, der sie mit 24 sterilisiert hat. 

Wir fangen mit ein paar Hard Facts an

Bei der Sterilisation passiert nämlich folgendes: Via Bauchspiegelung, Bauchschnitt oder nach einem Kaiserschnitt werden die Eileiter undurchlässig gemacht - die Ärzt*innen durchtrennen die Leiter zwischen Eierstöcken und Gebärmutter oder entfernen die Eileiter sogar komplett, dazu werden sie verödet. In seltenen Fällen werden sie auch noch mit Clips verschlossen oder mit Silikonbändern abgebunden.

In anderen, auch eher selteneren Fällen werden die Eileitern komplett entfernt, damit sie ganz, ganz sicher nicht wieder zusammenwachsen können. Die Eierstöcke selbst bleiben wo sie sind und gehen auch ganz normal weiterhin ihrer Tätigkeit nach - sie produzieren weiterhin Hormone und Eizellen und frau kommt deshalb auch nicht in die Menopause nach einer Sterilisation. In Deutschland und in der Schweiz kann man sich theoretisch ab 18 Jahren sterilisieren lassen, in Österreich geht es mit 25 Jahren. Eine Sterilisation muss man leider selbst bezahlen, denn sie gehört zu den individuellen Gesundheitsleistungen und kostet grob - wenn es beispielsweise via Bauchspiegelung passiert - so um die 800 Euro aufwärts.

Was ich auch nicht wusste: Man kann eine Sterilisation in manchen Fällen auch rückgängig machen, das heißt Refertilisierung und bedeutet, dass die Eileiter wieder miteinander verbunden werden und zusammenwachsen. Angaben dazu, wie viele Frauen nach einer rückgängig gemachten Sterilisation schwanger werden, schwanken zwischen 30 und 70 Prozent. 

Wie es ist, sich sterilisieren zu lassen

Sarah ist Ende 20 und bildende Künstlerin. Ich habe mich mit ihr in ihrem Atelier getroffen und sie hat mir erzählt, dass sie schon sehr, sehr früh wusste: Ich möchte keine Kinder.

"Ich hatte noch nie ansatzweise einen Kinderwunsch und noch nie das Bedürfnis, mich irgendwie fortzupflanzen oder ein Kind großzuziehen. Mit 13 habe ich das erste Mal gesagt, dass ich mich sterilisieren lassen will. Ich kannte den Begriff 'Sterilisation', eben weil meine Mama sich, nachdem sie meinen Bruder auf die Welt gebracht hat, nach dem zweiten Kind dann sterilisieren lassen hat, [...] weil sie nicht noch ein drittes Kind wollte und deswegen wusste ich, dass sowas existiert und deswegen habe ich das mit 13 schon gesagt und wurde [aber] nicht so ernst genommen. [...] Ab 15, 16 hat meine Mama dann schon gecheckt, dass [...] ich das ernst meine und letztendlich hat sie mir dann auch geholfen bei der Suche nach einem Arzt, der das macht." - Sarah

Im Gespräch erzählt Sarah allerdings auch vom Gegenwind, den sie zu ihrem Vorhaben bekommen hat. Bereits mit 18 habe sie aktiv angefangen, sich bei Ärzt*innen über Sterilisation zu informieren. Teilweise wurde sie dabei sogar stark angefeindet:

"Einmal [wurde ich] aus einer Praxis rausgebracht von der Sprechstundenhilfe, die gesagt hat, ich könne gleich wieder gehen und sowas. [...] Damals haben sie mir den Vogel gezeigt und es wurde auch mehrmals aufgelegt als ich angerufen habe. Da gab es schon viele, viele verschiedene Reaktionen und fast alle negativ. Eigentlich nur der Arzt, der mich dann letztendlich sterilisiert hat, der hat auch gar keine Fragen gestellt, hat einfach gesagt: 'Sie sind volljährig, Sie werden schon ihre Gründe haben und Sie können das selber entscheiden' und er würde jetzt nicht meine Beweggründe hinterfragen, weil es geht ihn auch nichts an und das fand ich sehr gut." - Sarah

Wie läuft eine Sterilisation ab?

Es gibt verschiedene Arten der Sterilisation. Dass man per se die Tage nicht mehr bekommt und keine Hormone mehr produziert, stimmt so nicht unbedingt. Nur, wenn wenn die Eierstöcke komplett entfernt werden. Das Abklippen beispielsweise kann man wieder rückgängig machen. Zudem gibt es auch die Möglichkeit, die Eileiter komplett entfernen zu lassen. Bei der kompletten Entfernung sinkt dann auch das Eierstockkrebsrisiko. Bei Sarah wurden sie in der Mitte durchgeschnitten und nochmal verödet - mit Anfang 30 will sie sich die Eileiter aber noch komplett entfernen lassen. Das findet Sarah nicht nur wegen des verminderten Krebsrisikos gut, sondern auch, weil dann nicht die Gefahr besteht, dass die Eileitern eventuell noch mal zusammenwachsen könnten. Dies sei ihre größte Angst, erklärt Sarah.

"[Der Eingriff] war sehr unkompliziert, sehr unspektakulär auch. [...] Ich wurde in den Raum geschoben, war weg, bin aufgewacht und ich hatte drei Tage oder so ein bisschen Bauchschmerzen. [...] und dann [hatte ich] ganz starken Schultermuskelkater. Aber [...] nach einer Woche war ich wieder wach, war auf einem Geburtstag, auf einer Party." - Sarah

Wie andere Menschen auf Sarahs Sterilisation reagieren

Ein Satz, den Sarah am meisten hasst, ist: "Dann bist du aber ganz alleine wenn du alt bist". Die Künstlerin erzählt, dass sie direkt neben einem Altenheim wohne. Dabei könne sie ganz gut beobachten, dass viele Leute dort sehr einsam sind - obwohl sie aus einer Generation stammen, wo damals wirklich fast jede*r Kinder hatte.

"Ich glaube, Kinder kriegen bedeutet nicht, dass du am Ende nicht allein bist. [...] Das finde ich ein bisschen bescheuert und auch ein bisschen anmaßend, davon auszugehen, dass wenn man Kinder kriegt, dass die ein Leben lang [...] an der Seite sind. Das will ich auch gar nicht - ich will überhaupt nicht, dass jemand sich verpflichtet für mich fühlt. [...] Ich glaube, mit dem Gedanken muss sich jeder anfreunden, dass es eventuell sein kann, dass man alleine stirbt" - Sarah

Und jetzt?

Sarah bereut ihre Entscheidung bis heute kein bisschen. Es sei schön, Sex haben zu können, ohne sich eine Kopf machen zu müssen. Für sie persönlich sei eine Schwangerschaft eine der schlimmsten Sachen, die ihr passieren könnten - vor der Sterilisation habe sie regelmäßig Albträume gehabt, schwanger zu sein und das Kind austragen und großziehen zu müssen.

Generell fände Sarah es gut, wenn das Thema "Regretting Motherhood" mehr in der Gesellschaft diskutiert und vor allem akzeptiert werden würde.


"Nehmt doch die Frauen ernst, die noch keine Mütter sind und schon im Voraus sagen, sie wollen keine Kinder kriegen, weil sie es bereuen würden. [...] Ist doch umso besser, wenn es weniger ungeliebte Kinder auf der Welt gibt." - Sarah 




Mir ist super wichtig noch zu sagen: Ich möchte mit dieser Folge natürlich keine Werbung dafür machen, dass Frauen sich sterilisieren lassen sollten. Ich möchte aufklären. Bei der Recherche für diese Folge ist mir bewusst geworden, wie stark Frauen und Menschen mit Uterus die eigene Entscheidungskraft abgesprochen wird - dass sie, wie Sarah erzählt, teilweise aus der Arztpraxis geschmissen werden oder sich dauernd rechtfertigen müssen. Ich finde es wichtig, dass gebärfähige Menschen mit Sterilisationswunsch ernst genommen werden und die Unterstützung bekommen, die sie brauchen.



Ein glückliches Leben und keine Angst, freie Sexualität zu haben.

- Dafür steht der Verein Selbstbestimmt Steril, weswegen sie sich dafür einsetzen, dass Sterilisation in Deutschland besser verfügbar ist. Ich habe mit Susanne Rauh gesprochen - Vorstandsmitglied von Selbstbestimmt Steril e.V..

"Es ist ja aktuell so - du gehst zu deiner Gyn und sagst: 'Na, wie sieht es aus mit hormonfreien Verhütungsmethoden langfristig, ich will halt wirklich keine Kinder oder keine Kinder mehr', dann heißt es: 'Nehmen sie doch mal die Kette'. [...] Und wenn du selbst [dann eine Sterilisation] vorschlägst, dann heißt das, du bist zu jung oder du hast noch nicht den richtigen Partner getroffen bla bla bla. Wir wollen dem ein bisschen entgegenwirken indem wir eine Karte mit Anlaufstellen haben und auch allgemein FAQ zu Sterilisation, weil du bekommst ja auch überall sehr viele Halbwahrheiten und Mythen aufgetischt zu Sterilisation." - Susanne Rauh

Die harte Arbeit leisten Susanne und ihr Team ehrenamtlich. Für eine Übersicht, welche Ärzt*innen in Deutschland Sterilisationen anbieten, mussten sie zig Mails schreiben, Telefonate führen und immer und immer wieder nachfragen - während es für Vasektomien diverse Webseiten mit hunderten durchführenden Ärzt*innen im Internet zu finden gibt. 

Den Link zur Webseite von Selbstbestimmt Steril haben wir dir unten verlinkt.



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Salut Sex! Liebesgrüße aus der Tabuzone gibt es alle zwei Wochen dienstags auf egoFM und überall, wo es Podcasts gibt.

Die nächste Episode erscheint am 11. Juli 2023. In der Folge geht es um guten Sex.

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