Die Mutter aller Fragen

Die Mutter aller Fragen

Kinderwunsch - ja oder nein?

Von  Auri
Wie kann man die Kinderfrage für sich beantworten? Warum denken wir, kinderlos bedeutet automatisch unglücklich zu sein? Und wie kam es überhaupt dazu, dass Kindererziehung zur Frauensache wurde?


Hinweis: In dieser Folge geht's um Schwangerschaft und Abgänge beziehungsweise Fehlgeburten.

Salut Sex! Folge #05

In dieser Folge spricht Auri mit Autorin und Aktivistin Sarah Diehl und der Körperpsychotherapeutin Anna Schmutte. Die beiden haben "Die Kinderfrage" gegründet: Ein Seminar, das vor allem Frauen helfen soll, mutig und angstfrei dieser Frage nach Kind(ern) für sich zu klären.

Buchtipps

  • Die Uhr, die nicht tickt von Sarah Diehl 
  • Mythos Muterinstinkt von Annika Rösler und Evelyn Höllrigl Tschaikner 
  • Der Zeitraum von Lisa Frühbeis

Hier findest du weiterführende Links zu Hilfestellen:

  • Die Mutter aller Fragen
    Kinderwunsch - ja oder nein?

"Na, wie sieht's aus mit Kinder kriegen?"

 - diese Frage aus der Kategorie Dinge-die-ich-von-meiner-Verwandtschaft-hören-möchte steht ganz weit unten. Vielleicht geht es dir da ähnlich. Die Frage nach Elternschaft, also ob man Mutter oder Vater werden möchte, ist eine ziemlich intime Frage, die wir vielleicht nur unseren engsten Freund*innen stellen sollte, statt einer flüchtigen Bekanntschaft. Denn: Wer weiß schon sicher, welche Vergangenheit diese Person mit dem Thema Elternschaft vielleicht schon hat? Vielleicht hatte die Person mal eine Fehlgeburt oder ist unfruchtbar - oder will sie schlicht nicht beantworten. An dieser Frage klebt ganz schön viel dran: viele Erwartungen, viele Ansprüche, Schuldgefühle, Versagensängste und Zweifel. 

Wie kann man sich diese Frage überhaupt sicher selbst beantworten?

Wo es die Klimakrise gibt? Und Krieg? Was bedeutet es heute, Elternschaft zu übernehmen? Werde ich als weiblich gelesene Person dem Ideal Mutter überhaupt gerecht? Welche anderen Formen von Elternschaft gibt es? Und was hat es eigentlich mit diesem Mutterinstinkt auf sich? 

In dieser Podcastepisode gehen wir der MUTTER ALLER FRAGEN mal auf den Grund.

Dafür habe ich Aktivistin und Autorin Sarah Diehl zu Gast - sie gibt in ihrem Buch Die Uhr, die nicht tickt einen schönen Überblick über die Entstehungsgeschichte des Mutterinstinktes. Spoiler: Es ist 'ne Erfindung!
Außerdem spreche ich mit Sarah und ihrer Kollegin, der Körperpsychotherapeutin Anna Schmutte, über ihr gemeinsames Seminar. Das heißt "Die Kinderfrage" und hilft Menschen dabei, diese Frage für sich angstfrei und fundiert für sich zu beantworten. Außerdem habe ich Mara zu Gast: Sie hat erzählt davon, wie sie mit dem Kinderwunsch zunächst gehadert und es mit künstlicher Befruchtung vergeblich versucht hat - und jetzt aber ganz happy ist.

Warum stresst die Kinderfrage eher Frauen?

Klar, biologische Männer haben meistens mehr Zeit zum Kinderkriegen, da sie länger zeugungsfähig sind - und machen sich deshalb vielleicht auch weniger Druck. Da spielt aber noch mehr rein, sagt die Aktivistin und Autorin Sarah Diehl. In ihrem Buch Die Uhr, die nicht tickt schreibt sie, dass Kinderlosigkeit bei Männern nicht mit derselben Bedeutung aufgeladen ist, wie bei Frauen. Sie müssen sich selten in der Rolle des Nicht-Vaters neu erfinden oder sich rechtfertigen. 
Warum das so ist, geht sie in ihrem Buch auf den Grund. Und: gibt Seminare. Zusammen mit der Körperpsychotherapeutin Anna Schmutte hat sie "Die Kinderfrage" gegründet. Darin helfen die beiden Frauen, eine individuelle Antwort auf diese Frage zu finden.

Der geschichtliche Kontext zur Kinderfrage

Woher kommt es eigentlich, dass Frauen so viel Angst haben, nicht gut genug zu sein? Woher kommt dieses Ideal einer perfekten Mutter? Wir machen einen kleinen Recap. Denn das Mutterideal und der Mutterinstinkt sind sozial konstruiert. Erfunden. Sarah Diehl beschreibt das in ihrem Buch ziemlich gut! Hier ein kleiner Überblick:

Von der Antike bis zum Mittelalter dominierte das Modell der großen Hausfamilie. Ein Kind war nicht die Krönung einer Paarbeziehung, sondern eine wirtschaftliche Notwendigkeit. Sie waren billige Arbeitskräfte und Kindersterblichkeit sehr hoch. Im 17. Jahrhundert starben allein im ersten Lebensjahr 20 Prozent. Kinder galten als austauschbar und die Versorgung der Säuglinge und Kinder wurden - je nach Stand - an Lohnammen und Bedienstete outgesourct. 
Bis zum 18. Jahrhundert wandelte sich das langsam. Die Wirtschaft zog an, die hygienischen Verhältnissen verbesserten sich und die Industrialisierung zog die Leute aus den großen Hausfamilien in die Stadt. Die Kleinfamilie entstand. An der Stellung der Kinder änderte sich aber noch nicht viel: Sie wurden weiterhin als billige Arbeitskräfte eingespannt. Und so ackerten Vier- bis Fünfjährige beispielsweise auf Feldern, in Bergwerken oder Fabriken. Zumindest bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts. Die Aufklärung und Romantik wertete die Kindheit als schützenswerte Lebensphase auf und das hatte Folgen: ein neues Konzept von Elternschaft. Eltern sollen jetzt Verantwortung für das Wohlergehen ihrer Kinder tragen. Oder vielmehr: die Mutter sollte das. Viele männliche ältere Herren, darunter der Philosoph Rousseau, kritisierte die Arbeit der Lohnammen. Die Familie wird zur Keimzelle des Staates erklärt und die Frau verantwortlich für das Wohl des Volkskörpers. 

Weiter schreibt Sarah Diehl in ihrem Buch:

Weil die Frauen sich nicht scharenweise begeistert ihren neuen Pflichten in der Isolation des Haushaltes zuwandten, mussten schwere Geschütze aufgefahren werden. Der Verweis auf die unterschiedliche Natur der Geschlechter und damit auf ihre unterschiedliche Bestimmung sollte es richten. Der Mutterinstinkt wurde erfunden, unter anderem vom Schweizer Pädagogen Johann Heinrich Pestalozzi. Er sagt, Muttersein sei von Gott gewollt und man müsse die Frauen einfach daran erinnern, dass in ihnen dieser Instinkt verschüttet ging. Und es eigentlich in ihrer Natur liegt, Zuhause zu bleiben und Windeln zu wechseln. Im Zuge zur Reformation wurden Kinder plötzlich der Auftrag der Schöpfung und wer kinderlos war, war gottlos. 

Das war ein kleiner Einschub von Sarah Diehl über die Entstehungsgeschichte der sozialen Mutterrolle.

Und wenn man es dann bereut?

Genau deswegen ist es umso wichtiger, sich bereits davor mit dem Thema so gründlich wie möglich auseinanderzusetzen. Denn eine bewusste Entscheidung hilft, wenn später doch mal ein Reuemoment kommt. Und egal, ob man es eben bereut Kinder bekommen zu haben oder sie nicht bekommen zu haben: Bereuen ist meist vergänglich. Und das eigene Glück sollte immer in der eigenen Hand liegen und definitiv nicht von Kindern abhängen - so platt das auch klingt!



Was denkst du?

Konntest du eine Antwort für dich auf die Kinderfrage bereits fällen? Was sind deine Gründe dafür oder dagegen? Schreib es mir gerne auf Instagram!



Salut Sex! Liebesgrüße aus der Tabuzone gibt es alle zwei Wochen dienstags auf egoFM und überall, wo es Podcasts gibt.

Die nächste Episode erscheint am 27. Juni 2023. In der nächsten Folge geht es um die Menschen, die die Frage nach Kindern schon länger für sich mit NEIN beantwortet haben: Ich treffe mich mit Sarah, die sich mit Anfang 20 hat sterilisieren lassen.

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