Mehr als Kreml und Kaviar

Mehr als Kreml und Kaviar

Eigenheiten und Geheimnisse

Von  Viktoria Molnar
Russland ist flächenmäßig das größte Land der Welt. Mit rund 17 Millionen Quadratkilometern umfasst es mehr als ein Neuntel der Weltoberfläche. Besonderheiten sind hier vorprogrammiert.


Fünf Besonderheiten Russlands

Das Remake

Kak ja wstretil waschu mamu. Zu deutsch: Wie ich deine Mutter kennenlernte. Ja, How I Met Your Mother gibt es als russisches Remake. Nur spielen da nicht Ted und Co. die Hauptrolle, sondern Dmitri, Pawel, Lucy, Katja und Jura - alles auf russisch eben. Das Remake ist dem Original sehr getreu: Das Skript wurde eins zu eins übersetzt, manche Witze mussten allerdings wegen kultureller Differenzen angeglichen werden. Sogar die Kamerafahrten wurden übernommen, teurere Einstellungen wie die Rückblenden von Teds, Marshalls und Lilys Marihuana-Exkursen in der College-Zeit wurden aber galant ausgespart. Wer sich jetzt denkt: Was für eine Frechheit, das Original kann man nicht einfach so klauen, der kann die Mistgabel ruhig wieder einpacken. Das Remake wurde in Zusammenarbeit mit der Filmproduktionsgesellschaft 20th Century Fox erstellt, ganz legal, kein Diebstahl und auch keine Raubkopie. Die russische Serie wurde jedoch nach der zweiten Staffel abgesetzt. Woran das wohl lag? Wir können nur mutmaßen.

 

Der Wodka

In Russland gibt es viele Gewässer. Eines davon ist auch weit über die Staatsgrenzen hinaus bekannt: Als Diminuitiv vom Wort Woda, zu deutsch Wasser, heißt Wodka übersetzt Wässerchen. Entgegen seinem Namen hat es uns in den westlichen Hemisphären schon so manch höllischen Kopfschmerz beschert. In Russland ist Wodka trinken allerdings ein echtes Ritual. Wodka wird aus Roggen und Kartoffeln hergestellt und am besten kalt serviert und pur getrunken: Um dem scharfen Geschmack entgegenzuwirken, beißt der*die Russ*in meist direkt nach dem Exen in eine Gurke. Wenn man sich am Abend für einen Wodkarausch entscheidet, dann bleibt man auch dabei. Denn, man mischt keinen Alkohol. Ein guter Wodka sollte übrigens weder nach Schnaps riechen noch schmecken. Trotz des guten Geschmacks ist der Alkoholismus in Russland nicht zu unterschätzen. Er stellt ein großes Problem dar, das die Politik mittlerweile aktiv bekämpft. Laut einer Studie der Weltgesundheitsorganisation, WHO, ist der Alkoholkonsum von 2003 bis 2016 um 43 Prozent zurückgegangen.

Und was trinken die Russ*innen am liebsten? Nicht etwa Wodka, sondern Bier. Das zählte in Russland bis 2011 übrigens offiziell nicht als alkoholisches Getränk. Erst der damalige Präsident Dmitri Medwedew unterzeichnete ein Gesetz, das Bier als Alkohol einstufte. Vor jedem Anstoßen in Russland gilt: Trinken ohne Trinkspruch ist Trinksucht. Und wer bei einer Wodkarunde eine Pause braucht, der stellt das Glas einfach verkehrt herum auf den Tisch. Denn: Ist der Wodka erst mal eingefüllt, gibt es kein Zurück. Dann heißt es: sa sdarovje!

Die etwas andere Limousine

In Russland hat man eine Leidenschaft für große Autos - zumindest die Reichen. Laut einer russischen Studie ist fast die Hälfte aller Fahrzeuge auf den Straßen Moskaus Geländewagen. Der Verkehr in Moskau, der Stadt mit den drittmeisten Milliardär*innen der Welt, ist dementsprechend überlastet. Damit die Superreichen die Staus der Stadt umgehen können, gibt es in Moskau angeblich einen ganz besonderen Service: Anstatt mit dem eigenen Auto durch die Stadt zu fahren, mietet man sich einen Krankenwagen. Ausgestattet mit Ledersitzen, Flachbildschirmen und Champagner-Service, bringt das Blaulicht die Oligarch*innen unerkannt, aber direkt durch den Verkehr.

Im Gegensatz dazu brach der Abschlussjahrgang der Moskauer Geheimdienstakademie bei ihrer Entlassfeier die wichtigste Regel ihres zukünftigen Jobs: "Nicht auffallen!" In einem Video fuhren die Agent*innen mit knapp 30 Geländewagen durch Moskau und sorgten für Ärger. Um dies zu vermeiden und inkognito zu bleiben, wäre die Metro keine schlechte Alternative. Moskau hat nämlich das schönste und schnellste U-Bahnsystem der Welt. Zu Stoßzeiten fahren die Züge hier im 90-Sekunden-Takt. Das ist die unauffällige und wahrscheinlich auch schnellere Option, für die Moskauer Oberschicht aber wahrscheinlich zu langweilig!

  • Das Remake
    Typisch russisch?
  • Der Wodka
    Typisch russisch?
  • Die etwas andere Limousine
    Typisch russisch?
  • Die Majak-Katastrophe
    Typisch russisch?
  • Das Zwillings-Diner
    Typisch russisch?

Die Majak-Katastrophe

Am 29. September 1957 ereignete sich in der Plutoniumfabrik Majak im südlichen Ural ein Unglück: Ein Stahltank, gefüllt mit 80 Tonnen hoch radioaktiver Flüssigkeit, explodierte. Dieses Ereignis war mehr als 30 Jahre lang ein russisches Staatsgeheimnis - immerhin soll bei der Reaktorkatastrophe mehr Radioaktivität freigesetzt worden sein, als bei der Katastrophe in Tschernobyl dreißig Jahre später. Ein Südwestwind trieb die Strahlung vom Westen weg - hier erfuhr man nichts von der Katastrophe.

Der Ort Osjorsk war auf keiner Landkarte zu finden. In dieser Stadt lebten und arbeiteten zum damaligen Zeitpunkt rund 20.000 Menschen. Wie Viele an der Explosion und den Folgen starben, ist nicht bekannt. Die radioaktiven Abfälle der Fabrik wurden über ein gutes Jahrzehnt einfach in den nahegelegenen Karatschai See gepumpt. Heute ist er der gefährlichste See der Welt, denn wer sich mehr als eine Stunde an seinen Ufern aufhält, stirbt. Wenige Minuten sollen ausreichen, um eine lebensgefährliche Strahlendosis abzubekommen. Der See wurde zwar in den 1990er Jahren mit einer meterdicken Schicht Beton verschlossen, die bröckelt aber und damit tritt auch das radioaktiv verseuchte Wasser nach außen und gelangt womöglich über das Grundwasser ins arktische Meer. Das Bizarrste an dieser Geschichte: Die Bewohner*innen des Ortes wurden als Entschädigung für die Zerstörung ihrer Heimat mit Luxus versorgt. Für sie gab es im Vergleich zum Rest des Landes alles im Überfluss - auch Delikatessen wie Kaviar und Bananen. Die Kinder erhielten eine gute Schulbildung, es gab ein großes kulturelles Angebot und um den Hohn zu komplettieren: auch eine gute Gesundheitsvorsorge.

Das Zwillings-Diner

Du stehst in einem Restaurant an der Bar und wartest auf deinen Tisch. Die Barkeeperin mixt dir einen Drink, du nippst daran und lässt deinen Blick durchs Restaurant schweifen. Eine Kellnerin kommt auf dich zu. Du starrst sie irritiert an. "Hat sie mir nicht gerade den Drink gemixt?" Du drehst deinen Kopf zur Bar und tatsächlich: Die Person mit dem Cocktail-Shaker in der Hand sieht genauso aus wie die Kellnerin. So oder so ähnlich wird es jedem*r ergangen sein, der*die das erste Mal das Twin Stars Restaurant in Moskau betrat. An diesem Ort wurde man ausschließlich von Zwillingspaaren bedient. Inspiriert wurde der Besitzer des Restaurants vom Film Kingdom of Crooked Mirrors, dessen Cast ausschließlich aus echten Zwillingspaaren bestand. In dem Moskauer Restaurant sollten die Zwillinge das Essenserlebnis spannender machen. Das Konzept ging nicht auf - das Twin Stars Restaurant musste schließen.

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