Was ist eigentlich Speziesismus?

Was ist eigentlich Speziesismus?

Meinung: Was macht ein Leben schützenswert?

Von  Anna Taylor
Dieser Text ist ziemlich unangenehm, wenn du dich noch nie mit dem Thema befasst hast. Ihn zu lesen lohnt sich trotzdem.

Was du über Speziesismus wissen musst

Ist es miteinander vereinbar, als Tierfreund*in das eine Tier zu knuddeln und das andere töten zu lassen? Für das eine die beste tierärztliche Versorgung sicherzustellen und das andere im Labor Medikamente und Kosmetik testen zu lassen? Ich würde sagen: nein. Damit wären wir schon fast mitten im Thema: Speziesismus.




Was ist Speziesismus?

Speziesismus beschreibt eine moralische Herabsetzung bestimmter Lebewesen. Diese Stufe gibt es einmal zwischen Mensch und Tier und dann auch noch mal zwischen Tier und Tier, zum Beispiel zwischen Hund und Huhn. Während die einen gepflegt und geliebt werden, werden andere Lebewesen aufgrund ihrer Artzugehörigkeit bevormundet, diskriminiert, ausgebeutet, verstümmelt oder auch getötet.

Speziesismus ist ein sehr großes Thema

Ich kratze mit diesem Text eher an der Oberfläche und versuche, Menschen, die sich gar nicht bis kaum damit auseinandergesetzt haben, einen einfachen Einblick zu gewähren und ein paar Denkanstöße zu geben.



Was macht ein Lebewesen lebenswert?

Würde ich heute wahllos Menschen auf der Straße zum Abendessen einladen und ihnen die Wahl zwischen Hundesteak oder Katzenragout geben, würde ich ziemlich wahrscheinlich zu einem sehr großen Teil verstörte und empörte Blicke ernten - während ich bestimmt mehr Interessenten finden könnte, wenn ich Rindersteak und Hühnerragout aufs Menü schreibe. Warum?

"Naja, die einen sind Haustiere, die anderen werden ja extra dafür gezüchtet"

- Das kommt dann gerne mal als Antwort. Dabei wird aber vergessen: Auch wenn sich Hund und Rind äußerlich voneinander entscheiden, sind beides Lebewesen mit Gefühlen, einer Persönlichkeit, bestimmten Interessen, einem Schmerzbewusstsein, einem Freiheitsdrang und vor allem: einem Lebenswillen. Vielleicht würde es helfen zu erfahren, dass auch Rinder verkuschelt sind und gerne mal gekrault werden. Bitte sehr:


Überhaupt ist dieses "die werden ja extra dafür gezüchtet"-Argument völliger Bullshit. Wieso zur Hölle reagieren dann doch so viele Menschen eher echauffiert darüber, dass an anderen Orten dieser Welt beispielsweise Hunde zum Verzehr gezüchtet werden, wenn sie sich selber Rind und Co. reinhauen? Woher kommt dieses Unterscheiden? Also ernsthaft: Hast du eine wirklich plausible Antwort darauf? Bitte, bitte schreib eine Mail an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!! Dass der Hund eher als bester Freund des Menschen dargestellt wird und viel weniger Menschen Kontakt zu Kühen und Hühnern haben, ist mir bewusst. Aber das zählt nicht, denn das sagt ja nicht wirklich etwas darüber aus, warum das eine Tier mit uns leben darf und das andere für uns sterben muss. Und komm mir bitte auch nicht mit Intelligenz. Erstens sind Kühe relativ intelligent und zweitens wäre das Argument auch ziemlich ableistisch.



Mein Aha-Moment

Natürlich bin ich selbst nicht allerleuchtet auf die Welt bekommen und natürlich bin ich selbst in Sachen Speziesismus immer noch nicht ganz geläutert. Ein prägender Moment war aber meine eigene Schwangerschaft. Während manche Gelüste nach sauren Gurken oder Kartoffeln en masse haben, war ich hungrig nach: Leid. Keine Ahnung, was mit mir los war, aber es gab eine Zeit, in der ich mir das eine Video aus der Massentierhaltung nach der anderen reinziehen wollte - naja, oder sogar irgendwie musste. Mit der anstehenden Elternrolle wollte ich ein besserer Mensch werden und dazu zählt auch zu erfahren, welche Konsequenzen für andere die eigenen Aktionen haben (meiner Meinung nach). Und andere Lebewesen für etwas, was wir längst mit tierleidfreien Produkten ersetzen können, zu quälen und zu töten - das ist doch irgendwie nicht moralisch korrekt?

Hinzu kam dann natürlich noch die gefühlte Verbundenheit mit einer Kuhmama, die nach der Schwangerschaft und dem beschissenen Geburtsprozess endlich ihr süßes Baby zur Welt gebracht hat, es liebevoll vom ganzen Schleim befreit - nur damit das Kälblein weniger Momente darauf grausam entrissen wird. Das Kalb hat mit der Geburt, beziehungsweise viel mehr mit der vorangehenden Schwangerschaft der Mutter seinen Zweck erreicht - Mama gibt Milch, nur leider nicht um ihr Baby damit zu nähren, sondern erwachsene Menschen, die sich die Muttermilch gerne in ihren Kaffee kippen. Während die Kuhmama panisch nach ihrem Kalb ruft, ist jenes bereits in einem kleinen Kästlein untergebracht. In dem es wartet. Worauf? Naja, was macht man mit einem Zweck (Kalb), der nur für das Erzeugen eines Produktes (Kuhmilch) geboren werden sollte? Die Antwort findest du im Rezept vom Wiener Schnitzel. Das ist doch mindestens scheiße und unglaublich grausam.

Auch wenn ich der Meinung bin, dass gerade Fleischesser*innen, die dann auch noch von sich behaupten würden, tierlieb zu sein, unbedingt diese Videos mal gesehen haben sollten, werde hier keines verlinken. Ich denke, die Bereitschaft muss von dir selbst kommen. Wenn ich dich damit hier überrumple, bezwecke ich wahrscheinlich das Gegenteil.



Was kann man gegen Speziesismus tun?

  1. Den ersten Schritt hast du hiermit schon erledigt, indem du dich grob darüber informiert hast
  2. Nun sollte die Erkenntnis kommen, dass ein bestimmtes Verhalten großes Leid für andere Lebewesen bringt
  3. Bestenfalls weichst du deswegen aus auf Alternativen zu tierischen Produkten (zum Beispiel eben Milch, Eier, Honig, Wolle, Leder (nein, Leder ist nicht bloß ein Abfallprodukt der Fleischindustrie))
  4. Wenn du dir überlegst, ein Haustier anzuschaffen, dann adoptiere lieber eines, als zum Züchter zu gehen (Tierzüchter*in zu sein heißt nicht, auch Tierfreund*in zu sein - manche Hündinnen verbringen ihre ganze fruchtbare Lebensphase eingepfercht in Käfigen)
  5. Achte darauf, dass Kosmetikprodukte vegan und frei von Tierversuchen sind (es muss tatsächlich auf beides geachtet werden, denn vegan bedeutet nur, dass keine tierischen Produkte in dem Gemisch sind, es durchaus aber an Tieren erprobt sein kann)
  6. Wann immer du eine Attraktion mit Tieren siehst - hinterfrage sie: Tiere existieren nicht, um uns zu entertainen, sei es im Zirkus, Zoo (Gründe dagegen erläutere ich hier), auf dem Jahrmarkt, als Touri-Attraktion oder Sportgerät
  7. Kämpfe für Tierrechte - zum Beispiel mit entsprechenden Petitionen. So, wie es auch schon eine Musiker*innen tun
  8. Setz dich dafür ein, dass auch die Medizin tierversuchsfrei wird (hier geht es wirklich nicht ums Menschenwohl, dazu sind die Ergebnisse der Versuche viel zu unzuverlässig (solltest du dich hier ertappen, dass du denkst "Ach, die paar Ratten" - in Versuchslaboren wird auch sehr gerne an Hunden getestet - was aber auch völlig egal sein wollte, immerhin ist genau das der Punkt dieses Artikels...))
  9. Finde auch einen ehrlichen Umgang mit Kindern, um mit ihnen über Tierwohl zu sprechen (Tipps dafür habe ich hier)
  10. Erzähl's weiter und teile zum Beispiel diesen oder jenen Artikel!
Das sind jetzt nur ein paar Möglichkeiten - ein kleiner Anfang, wenn man so will.



Leben und leben lassen

Den Kalenderspruch liefern Fleischesser*innen gerne mal, wenn sie sich mit ihrer Meinung nach militanten Vegetarier*innen oder Veganer*innen auseinander setzen müssen. Ohne dabei zu merken, dass das doch genau der Punkt ist: Leben - und leben lassen.

Letztlich ist es deine Entscheidung

Und damit meine ich wirklich: du kannst das entscheiden. Als Mensch bist du in der Machtposition, dich entweder für oder gegen den Tod eines Lebewesens zu entscheiden. Mittlerweile gibt es einfach auch zahlreiche gute Alternativen zu tierischen Produkten. Niemand muss mehr Fleisch konsumieren - statt ein Rind zu essen, dem künstlich B12 und weitere Nährstoffe im Futter beigesetzt werden, kannst du auch einfach die Abkürzung nehmen und dir das Zeug direkt selbst reinpfeifen. Niemand muss unbedingt einen herangezüchteten Rassehund haben. Niemand muss noch Kutsche fahren und ganz sicher muss niemand sein Haustier mit Gewalt kontrollieren.

Was ich damit sagen will: Wenn uns schon so sehr einer darauf abgeht, Mensch zu sein, dann sollten wir unsere Menschlichkeit auch dazu benutzen, andere Lebewesen nicht unnötig zu quälen.



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