Was bedeutet Queercoding in Filmen?

Was bedeutet Queercoding in Filmen?

Philipp Sturm vom Queer Film Festival München im Interview

Von  Max Frohberg
Im Rahmen unserer Pride Week tauchen einige Begriffe auf, bei denen vielleicht nicht jede*r auf Anhieb weiß, was damit genau gemeint ist. Einer dieser Begriffe ist Queercoding.


Was genau Queercoding bedeutet und wie man die Codes in Filmen erkennen kann, erklärt Philipp Sturm, Programmchef und Mitorganisator des Queer Film Festivals München (QFFM) im Interview.

  • Queercoding in Filmen
    Philipp Sturm vom QFFM im Interview


Queere Charaktere in Filmen

Genauso lange, wie der Kampf gegen Diskriminierung der LGBTQ-Community nun schon dauert, mindestens ebenso lange gibt es eine eher problematische Darstellung von queeren Menschen im Film. Da es lange nicht sicher war und bis heute manchmal immer noch nicht sicher ist, offen queere Charaktere zu zeigen, gibt es seit den 30er Jahren queere Codes in Filmen.

Was bedeutet Queercoding?

Queercoding ist ein filmisches Phänomen, bei dem Charaktere durch bewusstes Einsetzen von Merkmalen als queer gezeichnet werden, die Geschlechtsidentität und/oder sexuelle Orientierung der Figuren allerdings nie ausgesprochen oder ganz aufgelöst werden. Beispiele dafür finden sich in vielen Disney-Filmen, in denen vor allem die bösen Gegenspieler*innen - von Schneewittchens Stiefmutter bis hin zu Dschafar aus Aladdin - als queer gelesen werden können.

Woran man den queren Code erkennt, erklärt Philipp so:
"Es kann ein bestimmter Habitus sein, bestimmte Klamotten, oder die Motivation und Ziele der Figur. Die böse Königin aus Schneewittchen ist zum Beispiel eine Single-Frau, die weiß, was sie möchte und die dann mit einem Apfeltrick quasi eine andere Frau manipuliert. Da kann man dann auch eine gewisse Adam und Eva Anspielung reinlesen. Eine Frau verführt eine andere Frau zum Sündenfall." - Philipp Sturm

Auch die Hauptfigur der Disney-Reihe Frozen wird von vornherein als "anders" dargestellt - eine Eigenschaft, die ihr angeboren ist, die sie vor der Welt versteckt und sie am Ende sogar vor ihrer Familie flüchten lässt. Elsa in Frozen 2 zu outen und als erste offen queere Disney-Prinzessin darzustellen, hätten die Macher*innen des Films aber leider verpasst, meint Philipp.

Anderes Beispiel aus der Sesamstraße: Ernie und Bert sind zwei Männer, die zusammenwohnen, single sind und vermutlich in einem Bett schlafen...

via GIPHY


Queercoding ist also eine Art subtile Message, ein Code, den man aus gewissen Rollen herauslesen kann, wenn man selbst sensibel für die Themen Geschlechts- und sexuelle Orientierung ist oder ein Auge dafür besitzt.


Was ist problematisch an Queercoding?

Erstmal ist die Geschichte des Queercoding aus der Not heraus geboren, die Queerness von Charakteren für ein LGBTQ-Publikum subtil sichtbar machen zu können. In Amerika gab es für Hollywood-Filme seit den 30ern den sogenannten Hays-Code - "moralische Richtlinien" für Filmemacher*innen. In Wahrheit war der Code eine Art Zensurabkommen zwischen Kontrollbehörden und Filmproduktionsfirmen, das vor allem die Darstellung von Kriminalität, sozialen, politischen sowie sexuellen Inhalten regulierte.
"Queere Sexualität und Kontexte durften damals explizit nicht gezeigt werden. Wenn Personen als queer gezeichnet wurden, gab es eine Regel, dass sie nicht die Held*innen der Geschichte sein durften, sondern immer die Bösewichte. Eine weitere Regel war, dass es für sie kein Happy End geben durfte." - Philipp Sturm

Dadurch wurden queere Verhaltensmuster mit etwas Verbotenem negativ konnotiert. Die Zensurmaßnahmen wurden zwar bereits 1967 abgeschafft, jedoch findet nach wie vor kein transparenter Umgang mit dem Thema statt. Weil Queercoding immernoch sehr subtil in vielen Mainstream-Filmen auftaucht, könnte weiter der Eindruck entstehen, dass es sich um ein Tabu handelt.


Es gibt aber auch positive Beispiele

Neben den vielen Filmen, die beim Queer Film Festival München gezeigt werden, und sich ganz offen mit den Themen Gender und Sexualität beschäftigen, gibt es für Philipp auch im Mainstream immer mehr Filme und Serien, die queere Charaktere auf sehr gelungene Art darstellen. Vor allem die Figur Eric aus der Netflix-Serie Sex Education ist für ihn so ein positives Beispiel:
"Es war nicht mal nötig, dass er sich outen muss. Eric tut sich eher leicht mit seiner Queerness oder kann vielleicht auch gar nicht anders. Er verliebt sich dann in eine Figur, die deutlich mehr Probleme mit der eigenen Sexualität hat, sich selbst dafür ein Stück weit hasst. Das zeigt ganz gut die verschiedenen Seiten auf." - Philipp Sturm

Durch das Queer Film Festival, das vom 13. bis zum 17. Oktober 2021 stattfindet, schaffen die Veranstalter*innen nun das, womit sich die Filmlandschaft in großen Teilen nach wie vor schwertut. Figuren auch offen als das darzustellen, was sie sind - queer.
"Wir zeigen Filme abseits des heteronormalen Filmspektrums, also Spielfilme, Dokumentationen, Klassiker aber auch Neuproduktionen." - Philipp Sturm





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