Dominique de Marné hatte Deutschlands erstes Mental Health Café eröffnet. Mit unserer Moderatorin Gloria sprach sie über das Konzept und die Verwirklichung des besonderen Cafés in München.
Mehr als nur guter Kaffee
Bei körperlichen Schmerzen holt man sich ärztliche Hilfe, bei mentalen Problemen psychologische Unterstützung - oder?
Leider sieht es bei Letzterem oft aufgrund gesellschaftlicher Stigmata etwas anders aus und Betroffene bleiben mit ihren Problemen noch alleine. Meistens auch deshalb, weil psychische Gesundheit für viele bisher noch schwieriger zu greifen ist als beispielsweise eine Knieverletzung.Um das zu ändern und das große, essentielle Thema Mental Health mehr in die Gesellschaft zu bringen, entwickelte Dominique de Marné die Idee für das erste Mental Health-Café Deutschlands.
Ein Ort zum Wohlfühlen
Auf den ersten Blick sollte das Café für Besucher*innen so aussehen, wie ein Kaffeehaus aus dem Bilderbuch: Gemütlich, einladend, einfach zum Wohlfühlen. Doch in Dominiques Café Berg & Mental sollte sehr viel mehr serviert werden als nur guten Kaffee im gemütlicher Umgebung:Neben jede Menge umfangreichem Infomaterial sollte es hier nämlich bald auch verschiedene Workshops und Gruppentreffen geben, die sich mit dem Thema Mental Health beschäftigen - sowohl für Betroffene psychischer Krankheiten als auch für Angehörige.
Insgesamt wollten sie in ihren Räumlichkeiten eine Atmosphäre schaffen, die es für jede*n einladend macht. So stellt sich Dominique das erste Mental Health Café Deutschlands bisher vor, dessen Eröffnung für Herbst 2019 geplant ist, im Dezember war es dann soweit. Nach eineinhalb Jahren musste das Café im Oktober 2021 schließen.Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an
Wieso ein Café für Mental Health?
Schon seit mehreren Jahren setzt sich Dominique persönlich sehr dafür ein, dass sich die Wahrnehmung über psychische Gesundheit in der Gesellschaft verändert und das Thema nicht länger still geschwiegen wird. Sie selbst fing zunächst in ihrem Blog Traveling the Borderline an, Stigmata zu beseitigen, indem sie das Schweigen über Mental Health brach und auf ehrliche sowie humorvolle Art und Weise über ihre eigene Borderline-Erkrankung berichtete.Durch die intensive Beschäftigung mit dem Thema stieß sie auf das Sip of Hope in Chicago, dem weltweit ersten Café, dessen Einnahmen zu 100 Prozent in Suizidprävention und Aufklärungsarbeit gesteckt werden. Inspiriert von dieser Idee entwickelte sich in einer Uni-Aktionswoche zum Thema Mental Health für Dominique die Idee eines eigenen Cafés, dem Berg und Mental.
"Dem Thema einen Kaffee vor die Nase setzen"
Ob ein kleiner oder großer Tisch, ein offenes Gespräch oder einfach nur ein Kaffee in umsorgter Gesellschaft - jeder Gast kann sich hier sein Art zum Wohlfühlen selbst wählen.Die einzige Voraussetzung war, dass man sich an die Hüttenregeln hält: Jede*r wurde so akzeptiert, wie er*sie ist.
Es sollte ein Ort entstehen, an dem niemand perfekt sein muss. Ein angenehme Atmosphäre, um mit anderen über die eigenen Probleme sprechen zu können - aber nicht zu müssen."Zu uns kann jeder kommen. Wir alle haben manchmal blöde Gedanken oder Gefühle. Man braucht auch keine Diagnose, um bei uns willkommen zu sein, weil wir einen präventiven Ansatz verfolgen. Wir wollen dem Thema einfach einen schönen Raum geben und eine gute Tasse Kaffee vor die Nase setzen."
Ganz wichtig war der Gründerin auch, Angehörigen psychisch Erkrankter einen Rahmen zu schaffen, sich mit anderen Betroffenen über die eigenen Erfahrungen auszutauschen. Dominique erzählt uns im Interview, dass Angehörige oft das Gefühl hätten, damit allein gelassen zu werden. Manchmal täte es einfach gut, mit Leuten zu reden, die wissen, wovon man spricht.
Zudem gab es Angebote verschiedener Workshops, die allen Besucher*innen eine Grundlage bieten, ins offene Gespräch zu treten.
Es ging ihr um einen Rahmen, in dem Gesundheit mehr bedeutet, als ein gesunder Körper allein.
Barista Plus
Für ein rundum-Wohlfühl-Café wurde das Personal des Berg und Mental unter anderem mit Workshops zur Krisenkommunikation geschult. Mental-Health First-Aid quasi.
Ein gewisses Bewusstsein und Feinfühligkeit sind dabei die wichtigsten Kriterien. Gäste konnten sich jedenfalls sicher sein, auf Menschen zu treffen, die mit Empathie und Diskretion den Besucher*innen und ihren Problemen gegenübertreten. Als Ergänzung lud das Mental-Health Café regelmäßig Expert*innen ein, um tiefgehendere Fragen zu beantworten.Crowdfunding für das Berg & (Men)Tal
Anfangs sollte das Mental-Health Café Berg & Tal heißen - im Sinne der Metapher, schon mithilfe des gewählten Namens zu zeigen, dass das Leben aus normalen Hoch und Tiefs besteht.„Wir wollen mit unserem Ort zeigen, dass das Leben nicht nur bedeutet, auf dem Gipfel zu sitzen und die Sonne zu genießen. Manchmal sitzt man im Tal - das Schöne ist, es geht auch wieder raus. Deshalb wollen wir das Auf und Ab normalisieren und gegen das perfekte Bild der Medien wirken.“Ein anfänglicher Witz der Grafikdesignerin, ein "Men-" an das Tal zu hängen, stieß schnell auf große Begeisterung - und so entstand daraufhin der finale Name Berg & Mental.
Zur Verwirklichung der Idee des Cafés rief sie Anfang 2019 mit einer Crowdfunding Aktion zur Finanzierung auf – und das erste Funding-Ziel haben sie auch erfolgreich erreicht. An das zweite konnten sie zwar letztlich nicht ganz ankommen, aber wie Dominique so schön sagt, es kann eben nicht immer nur die Sonne scheinen - und das tat der Idee glücklicherweise auch keinen Abbruch.
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