Die krassesten Ausraster im Bundestag

Die krassesten Ausraster im Bundestag

Alles andere als öde Politik

Von  Simon Kerber
Ganz ehrlich: So richtig fesselnd sind die meisten Debatten im Bundestag ja nicht. Da geht’s viel um Details, die man gar nicht verstehen kann, wenn man nicht im Thema ist. Aber manchmal geht’s auch richtig rund. Kollege Simon hat mal ein paar Highlights aus den letzten Jahrzehnten im Bundestag zusammengestellt.


Herbert Wehner: Genosse gegen alle

Wer sich im Bundestag nicht gebührend benimmt, wird zur Ordnung gerufen. Das kann schon mal vorkommen in einer hitzigen Diskussion. Ein Abgeordneter hat von diesen Ordnungsrufen so viele gesammelt wie kein anderer. Mit – je nach Quelle – 57 oder 58 Ordnungsrufen führt der ehemalige SPD-Mann Herbert Wehner die Rangliste an. Gegenwind, egal aus welcher Richtung, war er aber sowieso gewohnt. Als ehemaliger Kommunist hatte der spätere Fraktionsvorsitzende der SPD keinen leichten Stand bei manchen, vor allem die Kritik aus den konservativen Reihen ließ er aber nicht unkommentiert - und bekam wieder mal ein Ordnungsruf. Aber nicht alle verbalen Angriffe von Wehner waren gleich hart. Manche sogar ziemlich unterhaltsam. Den CDU-Abgeordneten Jürgen Wohlrabe nannte er "Herrn Übelkrähe", Jürgen Todenhöfer als "Hodentöter" – generell war Kreativität eine seiner Stärken.

Aber auch die eigenen Parteigenossen und -genossinnen waren vor ihm nicht sicher.

Der SPD-Abgeordneten Franz Josef Zebisch beschwerte sich über seinen schlechten Sitzplatz. Damals waren die nämlich nach Nachnamen sortiert. Wehners Empfehlung: Er könne sich ja einfach in "Genosse Arschloch" umbenennen.

Joseph Martin Fischer: Steine werfen, aber höflich

Joseph Martin Fischer kam 1983 zum ersten Mal in den Bundestag, genannt wurde er von allen aber nur "Joschka". Dann wenig später, als Umweltminister in Hessen, sorgte er für Aufregung. Wegen Jeans und Turnschuhen – für die meisten respektlos gegenüber dem Parlament. Aber auch im Bundestag war er keiner von der Hinterbank. Direkt Parlamentarischer Geschäftsführer der neuen Grünen-Fraktion und 1984 dann rausgeworfen aus dem Bundestag, zumindest kurz.

Nach mehrmaliger Aufforderung folgte Fischer zwar der Anweisung, aber nicht ohne kurze – sagen wir mal – Verabschiedung. Später entschuldigte er sich zwar dafür, verbal austeilen gehörte aber weiter dazu, zum Beispiel 1995 gegen Kanzler Helmut Kohl. Aber – wir wissen es – wer austeilt, muss auch einstecken. Und das musste Fischer - konnte aber auch souverän damit umgehen, zum Beispiel wenn es um seine Vergangenheit ging.



Hör hier dir hier die Ausraster an:
  • Herbert Wehner
    Genosse gegen alle
  • Joschka Fischer
    Steine werfen, aber höflich
  • Gregor Gysi
    Das Schlitzohr
  • Das Präsidium
    Wissen, wann Schluss ist

Gregor, das Schlitzohr

Rein politisch gesehen hatte er nie viele Gleichgesinnte im Bundestag. Seinem Charme konnten sich sich aber auch viele vermeintliche Gegner*innen nicht entziehen. Clever aber auch von Gysi, sich mit Bundestagspräsident Norbert Lammert gut zu stellen. Der hat nämlich die Gewalt über die Redezeit, oft Gysis Endgegner in den Debatten. Wie hier, als Lammert versucht, die Unruhe im Saal während einer Rede zu unterbinden.

Ach, es gibt so viel zu erzählen über Gregor Gysi: seine Vergangenheit, seine rhetorischen Fähigkeiten…. Was? Die Zeit ist schon um???
 

Das Präsidium

Angeblich schon im 16. Jahrhundert wurde das Sprichwort "einen Sack Flöhe hüten" erstmals verwendet. Hätte es damals den Bundestag schon gegeben, vielleicht wäre auch er eine Grundlage für die Metapher gewesen, etwas quasi Unmögliches zu versuchen. Manchmal dürften sich nämlich auch die Präsident*innen des Parlaments so fühlen. Und vor allem darf hier niemand Angst vor großen Namen haben.

Norbert Lammert, CDU, war wohl einer der beliebtesten Mitglieder des Präsidiums, das auch immer die Regeln im Blick behalten muss. Dass er den aber häufig auch selbst bekam spricht für Lammert, der sich aber nicht immer nur an sein Parlament, sondern indirekt auch gerne nach außen wandte. Dabei kann das Programm während der Redebeiträge so unterhaltsam sein, auch wenn manche übers Ziel hinaus schießen. Als Bundestagspräsidentin muss man auch genau sein. Und wissen, wann Schluss ist.

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