Aufwachsen in der Sowjetunion

Aufwachsen in der Sowjetunion

Georgij Makazaria im Interview mit egoFM Max

Von  Max Klement (Interview) | Kaja Lübeck (Artikel)
Georgij Makazaria, Frontmann der Band Russkaja, lebt seit über 30 Jahren in Wien, ist aber in Russland aufgewachsen.

Im Interview mit Max hat er uns einige Einblicke in seine Jugend im größten Land der Welt gewährt.
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    Georgij Makazaria im Interview mit Max

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Von Russland nach Österreich

Grundsätzlich, berichtet Georgij, war seine Zeit in der Sowjetunion von Glück erfüllt. Bis 1989 hat er in Moskau gelebt und ist, nachdem er die Mittelschule abgeschlossen hatte, nach Wien gekommen. Der Grund dafür war - wie so oft - die Liebe. Seine Mutter hat im Außenministerium als Dolmetscherin gearbeitet und dort einen Österreicher kennengelernt, den sie schließlich heiratete.
 

Kulturgeschockt einkaufen

Trotz Glasnost und Perestroika ist der Übergang nach Wien einfach abgelaufen, weil seine Mutter mit einem Österreicher verheiratet war. Sie haben sich schnell eingelebt, den ein oder anderen Kulturschock hat Georgij dennoch erlebt. Besonders faszinierend war für ihn das Überangebot im Supermarkt. Zum Beispiel, dass es verschiedene Sorten von Käse und Wurst gab. Heute ist aber auch Russland vom maximalen Kapitalismus überzogen, erzählt Georgij.
 


Kalaschnikow-Unterricht

Entgegen des Klischees haben Kinder in Russland nicht nur mit Matrjoschkas gespielt, sondern auch viele haptische Tätigkeiten wie Kupferschlagen und Fräsen gelernt. In der Schule mussten sie in der Militärvorbereitung sogar üben, eine Kalaschnikow in 33 Sekunden zu zerlegen und auf einen Atomangriff zu reagieren.
 

The Beatles als Englischlehrer

In Russland wurde natürlich auch Musik gehört, zum Teil ist sogar westliche Musik hinüber geschwappt. Die Firma Melodija hat westliche Schallplatten wie The Rolling Stones und The Doors nachgepresst, die dann ein russisches Cover und auf der Rückseite eine Beschreibung über die Band erhielten. Viele Russ*innen haben durch The Beatles Englisch gelernt. Manche Songs wurden allerdings durch die Zensur entfernt.
"Es war natürlich nicht jede Musik zugänglich, es gab aber natürlich einen großen Schwarzmarkt und dort hat man sich so Schwarzpressungen kaufen können, also Kassetten oder teilweise sogar Schallplatten. Und mein Nachbar, der über mir gewohnt hat, der war so ein eingefleischter Melomane, der sich solche Alben oder Schallplatten besorgt hat." – Georgij Makazaria
 

Förderung von Talent

Seit man Georgijs eigenes musikalisches Talent im Chor entdeckt hat, wurde er stark gefördert und musste sehr viel üben. Diese Disziplin ist in Russland sehr üblich. Wenn man gefördert wird, dann ziemlich hart - mit Lob wird sparsam umgegangen.
"Wenn du noch nicht dort bist, wo dein Mentor sieht, wo du sein könntest, dann wirst du aber dort hart hingepusht, und auch mit Methoden, die hier nicht ein jeder aushalten würde. Leute, die es dann nicht aushalten, die lassen das komplett fallen. Leute, die da einen Ehrgeiz entwickeln, werden dann die Besten." – Georgij Makazaria
 

Lieblingsband des österreichischen Präsidenten

Georgij darf sich mittlerweile Teil der Lieblingsband des österreichischen Präsidenten nennen. Der Russian Gentlemen Club war sogar zu seiner Vereidigung eingeladen. Teil des Projekts sind vier Russen, die in Wien wohnen und dort gemeinsam nostalgische Musik spielen und ihre Muttersprache praktizieren.



Politik im Heimatland

Seit Georgij in Österreich lebt, hat sich in Russland politisch einiges verändert. Georgij erzählt uns, dass er zu politischen Vorgängen in Russland nicht wagen würde, ein Urteil abzugeben, weil er eben schon lange nicht mehr dort wohnt. Ihm sei aber vor allem bei der Krim-Berichterstattung aufgefallen, wie unterschiedlich westliche und russische Beiträge ausgelegt sind. Er sagt, um darüber urteilen zu können, müsste er vor Ort sein. Zum russischen Präsidenten ist seine Meinung ähnlich:
"Die Meinung, die sich bei mir gebildet hat, ist ein starker Regierer, der alles dafür setzt, dass er auch auf seinem Posten bleibt und so weit geht, dass er sogar die Konstitution verändern kann. Es ist mir eh immer noch unbegreiflich, wie das funktioniert hat. […] Andererseits, wenn ich mit Leuten die dort leben irgendwie rede, dort und da passen Sachen, alles super, funktioniert, aber wenn ich mit meinem Vater rede, der jetzt in Pension ist, ist es ein bisschen schwieriger, weil das Geld natürlich nicht ausreicht." - Georgij Makazaria
 

Beziehung zu Deutschland

Dass Russland für uns in Deutschland oft unverständlich und vielleicht auch unheimlich sein kann, versteht Georgij. Er führt es vor allem darauf zurück, dass es so ein riesiges Land ist und die Menschen dort ein anderes Selbstbewusstsein haben. Er persönlich mag das deutsche Volk sehr gerne, aber er ist der Meinung, die Menschen sind sowieso überall gleich, es komme nur darauf an, wie man sich begegnet.

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