A-a-ay, I'm on vacation

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Meinung: Im Urlaub gibt's kein richtig oder falsch

Von  Miriam Fischer
Jeden Tag 387 Sehenswürdigkeiten anschauen, den Sonnenaufgang vom höchsten Berg aus genießen oder drei Stunden vor dem hippsten Café der Stadt anstehen? Muss nicht immer sein.


Vorab: Ich weiß, dass nicht jede*r jedes Jahr in den Urlaub fahren kann und dass ich als junger Mensch in Deutschland mit geregeltem Einkommen und ohne familiäre Verpflichtungen in Punkto Urlaub in einer sehr privilegierten Situation bin. 


Der erste Urlaub seit Corona 

Nachdem viele Menschen aufgrund von Corona mal locker zwei Jahre keinen Urlaub gemacht haben, ist es diesen Sommer – wenn auch eingeschränkt, aber immerhin – wieder möglich, die eigene Hood zu verlassen und ein bisschen Urlaubsluft zu schnuppern.

Und so schön das auch ist, damit steigt auch der Druck - immerhin ist es der erste Urlaub seit X [hier beliebige Monats- oder Jahresanzahl einfügen] und muss deswegen ganz besonders werden!!! Und das verdoppelt nur den Druck, den ich auch schon vor Corona verspürt habe, wenn's um Urlaub ging. Schließlich muss man ja vermeintlich irgendwie mit dem mithalten, was man in den Sommermonaten von anderen via Instagram stündlich mitbekommt.

Im August ist meine Timeline voll von Menschen, die am einen Tag im Infinitypool auf Bali schwimmen, am nächsten den Kilimanjaro besteigen und am übernächsten in der Antarktis eisfischen.


Klar denk ich mir da in der ersten Sekunde: "Subba und i geh nur nach Tirol?" Dabei habe ich mich ja aus guten Gründen und ganz bewusst für Tirol entschieden und sowieso keine Lust auf Eisfischen... Trotzdem fange ich sofort an, mich und meinen Urlaub zu vergleichen. Und in Tirol angekommen, lässt dieser Druck nicht nach: Da gibt's dann jede Menge Personen, die aus jeder Sekunde das Maximum rausholen müssen. Die stehen um 07:30 Uhr schon mit gepackten Rucksäcken und Jausenbroten in der Hotellobby, um möglichst jeden Berggipfel an nur einem einzigen Tag zu besteigen. Und dann denke ich sofort, ich müsste es ihnen gleich tun. Immerhin hab ich jetzt schon mal ne Woche frei, bin in einem anderen Land und muss doch dann hier auch alles bis zum get no auskosten und wie ein Steinbock durch die Berglandschaft hüpfen.

Zum Glück besinne ich mich dann auch immer relativ schnell wieder und erinnere mich, dass es mir besser gefällt, um 10:00 Uhr los zu gehen, ein bisschen zu wandern und pünktlich um 16 Uhr wieder im Wellnessbereich zu sein. Ich muss mir dann aber ganz bewusst sagen, dass es okay ist noch beim Frühstücksbuffet zu sein wenn die anderen los marschieren und mich schon im Jacuzzi beblubbern zu lassen, wenn sie wieder kommen. Denn selbst wenn ich das Hotel die ganze Woche nicht verlassen würde: Solange ich danach glücklich und entspannt nach Hause komme, ist doch alles fine. Ich mach den Urlaub ja schließlich für mich, auch wenn ich das manchmal fast vergesse.

Der Druck wird größer, je weiter ich von Zuhause entfernt bin

Den Druck, den ich in Tirol verspüre, kann ich leicht von mir abschütteln. Immerhin bin ich ja nur drei Stunden von Zuhause entfernt. Wenn ich aber weiter weg bin, wird die Lage schon schwieriger: Dann denke ich plötzlich, dass ich jeden Abend draußen sitzen und den Sonnenuntergang anschauen, nur typisch regionalen Speis und Trank genießen und anschließend eine Abendmeditation unter Sternenhimmel machen muss.

Aber um ehrlich zu sein: Die blöde Sonne geht jeden Abend unter, also kann ich auch im Urlaub mal getrost abends eine Serie schauen.


Und versteh mich nicht falsch: Ich lese auch mal gerne ein Buch in irgendeiner besonders schönen Bucht, geh an ner krassen Küste schnorcheln oder probiere die landestypische Küche. Aber ich will eben auch kein schlechtes Gewissen haben, wenn ich mir am selben Ort Kopfhörer in die Ohren stecke, einen Podcast höre und das gleiche esse wie Zuhause.

Jede*r sollte im Urlaub einfach das machen, was ihr*ihm gut tut

Denn was bringt mir der Urlaub, wenn ich ihn so verbracht habe wie ich denke, dass es richtig ist, ich am Ende aber null entspannt bin? Was bringt es mir, von Sehenswürdigkeit zu Sehenswürdigkeit zu hetzen, tausende Fotos zu schießen und anschließend zwei Stunden anzustehen, um im hippsten Lokal der Stadt mein Food zu fotografieren, wenn ich hinterher gestresster als vorher bin? Logisch, ich mach das auch MAL gerne, aber EIN solcher Tag in zwei Wochen Urlaub reicht mir dafür eigentlich. Den Rest verbringe ich gerne wie die langweiligste Kartoffel überhaupt. Und das muss ich mir eben eingestehen - auch wenn die Menschen um mich herum ihren Urlaub vielleicht krasser verbringen.

Dabei verurteile ich aber niemanden, der*die genau das macht, was mich so unter Druck setzt. Ich muss nur aufhören, mich zu vergleichen.


Ich muss lernen mir einzugestehen, dass es okay ist, Dinge anders zu machen, als die Menschen um mich herum. Bei Urlaub gibt's kein richtig oder falsch - auch wenn man oft das Gefühl vermittelt bekommt, es sei nur ein richtiger Urlaub, wenn man auch auf einem Elefanten durch den Dschungel geritten ist (was sowieso schon an sich verwerflich ist). Wenn du gern das absolute Maximum aus jeder Sekunde deines Urlaubs rausholen willst: Go for it (also so lange keine anderen Menschen oder Tiere darunter leiden, bitte keinen Elefanten reiten im Urlaub), aber wenn du die Dinge im Urlaub lieber etwas entspannter angehen lässt, fühl dich bloß nicht schlecht und go ebenfalls for it!

Und sowieso: Daheim bleiben ist auch ok

Klar, nach der ganzen Lockdown-Zeit ist vermutlich auch der*die größte Stubenhocker*in mal wieder froh, was anderes zu sehen. Aber abgesehen davon, sollten wir uns von dem Gedanken verabschieden, jeden Urlaub woanders verbringen zu MÜSSEN. Vor dem Urlaub mühselig packen, die Hälfte vergessen und nach dem Urlaub Berge an Wäsche waschen darf auch nicht komplett glorifiziert werden. Es kann genauso schön sein, einfach mal daheim zu bleiben. Es muss schließlich nicht jeder Urlaub wie die Raffaelo-Werbung oder Into the Wild aussehen.

Und wer nach ein paar Tagen Daheim keine Lust auf fassungslose Kommentare hat, dass man die vier freien Tage tatsächlich nicht genutzt hat, um einen Kurztrip nach Lissabon zu machen, sondern einfach nur Zuhause war, der*die macht's einfach wie in der Grundschule nach den Ferien: Ausschmücken und dazu erfinden bis zum geht nicht mehr. 





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