Wie vorbereitet bist du? Bist du gewappnet, dass – solltest du einmal nicht mehr sein – andere sich deiner Chaosschublade, in die du dein Leben lang willkürlich Kram reingeschmissen hast, annehmen müssen? Hast du vielleicht schon dein Testament geschrieben? Grob geplant, wie du gerne verabschiedet werden willst?
Vielleicht noch nicht. Immerhin denken wir eher ungern daran, dass – wo doch eigentlich nichts im Leben sicher ist – eines unweigerlich und definitiv eintreffen wird: der Tod.
egoFM Spezial: Zum Sterben schön – Songs über den Abschied
Ich will dir aber keine Angst machen. Ich will dich in diesem egoFM Spezial lediglich auf einen kurzen Abstecher ins Jenseits mitnehmen. Darüber reden, wie der Tod von diversen Musiker*innen behandelt wird. Und will mit Hilfe von bestimmten Songs auch Trost stiften. Mir geht es also nicht darum, dich in den Abgrund zu schubsen – versprochen – wir machen das zusammen durch. Sei es, ob es darum geht, warum wir uns alle unserer eigenen Sterblichkeit überhaupt bewusst sein sollten oder über die schwere Aufgabe, wie zur Hölle man mit dem Verlust eines geliebten Menschen umgehen kann.
Die Angst vor dem Tod
Wir stürzen uns mitten ins Gefecht. Und greifen die Furcht an. Zwei Musiker*innen, die in ihren Songs die Angst vor dem eigenen Tod behandeln, sind zum Beispiel die Neuseeländerin BENEE mit "Happen to me" und die Britin Shura mit "311215". So ist erstere völlig von dem Gedanken gefesselt, macht sich ständig Sorgen, kann nicht mehr schlafen und singt:
What if my room burns down in flames And I die in my sleep and never wake? You say I shouldn't be this way But I don't think that I can change
I think about these things too much My mind likes to wind itself up And I don't get a lot of sleep 'Cause what if they happen to me? 'Cause what if they happen to me? Yeah, what if they happen to me?
Während Shura sich zudem vor dem Tod ihrer Eltern fürchtet. In "311215" sind auch Stimmen ihrer Familie zu vernehmen und am Ende hören wir außerdem noch eine Tür aufgehen – das ist Shura, die nach dem Einsingen erstmal rausgeht, um zu rauchen. In einem Interview gegenüber BBC erzählt sie, dass sie dies zum Reflektieren gebracht hätte – singst hier einerseits über die Angst vor dem Tod, aber gehst dann rauchen. Irgendwie quatschig. Deswegen hat sie danach tatsächlich auch aufgehört zu rauchen.
Warum sollten wir uns unserer Sterblichkeit aber bewusst sein?
Diese Frage behandelt "Teach Me About Dying" von Holy Holy. Gebettet auf einem catchy, tanzbaren Sound geht es im Song eben darum, warum es wichtig ist, sich mit dem Thema und vor allem der eigenen Sterblichkeit auseinanderzusetzen: Um wirklich zu leben, braucht es den Tod.
Music is playing Don't I know this song? I feel like dancing And maybe I, maybe I might 'Cause I feel, I feel alive
So teach me about dying (ah-ah) Show me how it feels (ah-ah) Teach me about dying (ah-ah) So I can learn how to live So I can learn how to live
Da war ich aber selbst ganz lange auch sehr ignorant. Dachte ich bin jung und fit, was soll schon schiefgehen? Bis ich selbst gerade mal so dem Tod von der Schippe gesprungen bin. Keine Sorge, jetzt folgt kein Motivations-Optimier-Dich-Selbst-Pep-Talk, auch wenn ich wünschte, ich könnte davon erzählen, dass ich seit dem Vorfall mein Leben radikal ändern konnte – ich aufgehört habe zu rauchen. Oder ständig daran zu denken, was andere von mir denken und stattdessen angefangen habe, viel Sport zu machen und hin und wieder auch mal einen Apfel esse. Hat aber irgendwie nicht so hingehauen. Nach circa sechs Monaten sind die alten Marotten auch schon wieder angekrochen gekommen.
Doch eine Sache ist geblieben: Das Leben nicht für selbstverständlich zu nehmen.
Ein bisschen dankbar dafür zu sein und es zu feiern, wo es nur geht. Und sich nicht von so unnötigem Scheiß stressen zu lassen und weniger – erst recht nicht den Kontakt zu guten Freund*innen – aufzuschieben. Man weiß einfach nie, was plötzlich passieren kann und welche Worte dann für immer unausgesprochen bleiben.
Die Perspektive eines todkranken Menschen
Mit dem Sterben wird sich auch in "death bed (coffee for your head)" von Powfu befasst – und zwar aus der Perspektive eines todkranken Menschen, der sich von seiner Partnerin verabschiedet. Der Kanadier rappt über ein Szenario, zu dem ihn beabadoobees Song "coffee" inspiriert hat, welchen er im Track auch als Sample benutzt. Die Zeilen sind schwer zu schlucken, der Kloß im Hals ist gigantisch:
Yeah, I don't wanna fall asleep, I don't wanna pass away I been thinking of our future, 'cause I'll never see those days
[...]
When I leave this Earth, hoping you'll find someone else 'Cause, yeah, we still young, there's so much we haven't done Getting married, start a family, watch your husband with his son I wish it could be me, but I won't make it out this bed I hope I go to Heaven, so I see you once again My life was kinda short, but I got so many blessings Happy you were mine, it sucks that it's all ending
Mit dem Tod eines geliebten Menschen umgehen
LCD Soundsystem-Sänger James Murphy vertritt in "Someone Great" von LCD Soundsystem" die gegenüberliegende Perspektive von Powfu – jene der zurückgebliebenen Person, die mit dem Verlust nun umgehen muss. In "Someone Great" geht es unter anderem darum, dass, selbst wenn man mit einem baldigen Tod gerechnet hat, weil die Anzeichen nun mal da waren, der Anruf, der über dessen Ankunft informiert, trotzdem eine Wucht sein kann. Denn egal, wie lang man sich darauf vorbereitet – wenn der Tod einem den Teppich unter den Füßen wegzieht, fällt man. Man fällt tief und landet hart.
I wake up and the phone is ringing Surprised, as it's early And that should be the perfect warning That something's a problem To tell the truth I saw it coming The way you were breathing But nothing can prepare you for it The voice on the other end
Und von diesem Standort heraus erscheint es gar absurd, wenn das Wetter nicht beschissen ist oder der Kaffee nicht bitter schmeckt und sich die Welt und das Leben um einen herum mit all seinen To Dos und Deadlines einfach weiterdreht – wie Murphy singt.
The worst is all the lovely weather I'm stunned, it's not raining The coffee isn't even bitter Because, what's the difference? There's all the work that needs to be done It's late, for revision There's all the time and all the planning And songs, to be finished
And it keeps coming And it keeps coming And it keeps coming Till the day it stops
Mit diesen Lyrics wird eine ähnliche Logik aufgegriffen wie auch in Skeeter Davis' Song "The End of the World": Wie kann es sein, dass die Vögel weiter singen, die Sonne weiter scheint, wenn die eigene Welt gerade zusammengebrochen ist? Eigentlich handelt der Song vom Ende einer Beziehung, die Songwriterin Sylvia Dee zehrte für die emotionale Mood allerdings von den Gefühlen über den Tod ihres Vaters.
Why do the birds go on singing? Why do the stars glow above? Don't they know it's the end of the world?
Die Toten ins Jenseits begleiten
Ein wahnsinnig beliebter Song für Beerdigungen ist "I'll Follow You Into the Dark" von Deathcab for Cutie. Ich persönlich muss circa jedes Mal dabei heulen, einfach, weil der Song mich so rührt und an den Brauch der Totenwache erinnern. Diese Idee, dass die verstorbenen Menschen bei ihrem Übergang nicht alleine sind und begleitet werden - das ist schön und auch tröstend. Finde ich.
Love of mine Someday you will die But I'll be close behind I'll follow you into the dark
No blinding light Or tunnels, to gates of white Just our hands clasped so tight Waiting for the hint of a spark
Die eigene Beerdigung planen - wie Franz Ferdinand
Das Bewusstsein über den Tod kann auch eine gute Motivation sein, sich mal mit der eigenen Beerdigung zu befassen. Ich persönlich will nicht, dass das so eine Trauerveranstaltung wird. Ich finde, wir sollten es salonfähig machen, ein vergangenes Leben eher noch mal ausgiebig zu feiern. Dabei halte ich aber auch nichts davon, alles zu verklären und nur die guten Seiten Verstorbener in Gedenken zu halten. "Goodbye Lovers and Friends" spricht mir ein bisschen aus dem Herzen mit den Zeilen.
Im Song singt Franz Ferdinand-Sänger Alex Kapranos von seiner Beerdigung. Man solle bloß keine Blumen mitbringen und auch ja kein Gedicht schreiben. Und definitiv keine Pop-Musik zum Abschied spielen... Überhaupt soll man ihn so in Erinnerung behalten, wie er tatsächlich war. Inklusive der negativen Eigenschaften:
Hope you remember every fight I know I can be noxious Or occasionally cruel But only to the ones I love
Was passiert nach dem Tod?
Wir haben jetzt schon einige Themen um den Tod herum angebrochen. Eine ganz entscheidende Frage bleibt - die wir auch überhaupt nicht beantworten können - niemand kann sagen, was nach dem Tod eigentlich passiert. Oder ob überhaupt etwas passiert. Als ich neulich die Nachricht erhalten habe, dass eine mir sehr wichtige Person verstorben ist, wurde mir - aus einer Woge der Trauer heraus - plötzlich klar, was ich denke: dass der physische Körper zwar tot ist, die Seele, der Geist, die Liebe - also das, was die Person ausgemacht hat, bestehen bleibt. Vielleicht als freirumfliegendes Irgendwas. Ganz sicher aber in uns, den Hinterbliebenen, mit all den Erinnerungen und Geschichten und vielleicht auch mit Angewohnheiten, die wir von den Verstorbenen selbst angenommen haben.
Die Österreicherin Lahra greift in ihrem Song "Where I'll Go" die Idee auf, dass Energie und Liebe weiterleben:
Even if I die my energy will thrive I won't leave you behind, my darling I will be your guide, i'm always by your side To help you to wake up on mornings
I'm in a hurry, set me free Love is eternal can't you see
Ein Song, an dem ich oft denke wenn es darum geht, dass unser Verhalten im Leben auch jenes im Jenseits widerspiegeln könnte, ist "The Ocean Breathes Salty" von Modest Mouse. Auch einer der schönsten Songs den ich kenne über das Thema, der zudem die Idee aufgreift, dass Verstorbene mit uns weiterleben:
Your body may be gone, I'm gonna carry you in In my head, in my heart, in my soul And maybe we'll get lucky and we'll both live again Well, I don't know, I don't know, I don't know, don't think so
Gerade die Zeile "You wasted life, why wouldn't you waste the afterlife?" beeindruckt mich jedes Mal. Auch das Musikvideo zum Song ist wahnsinnig rührend:
So always look on the bright side of death
Ein Song, den ich persönlich immer als "Wohoo, genieße das Leben auch wenn alles scheiße ist"-Hymne belächelt habe: Monty Pythons "Always Look on the Bright Side of Life". Was wir aber nun a) wahrscheinlich ganz gut gebrauchen können nach dem schweren Thema und b) auch überhaupt nicht als jene zu belächeln ist. Immerhin geht es auch darum, nicht von Furcht über den Tod blockiert zu sein und anstatt in Trauer zurückzublicken, eher darauf zu achten, was man gewonnen hat - oder eben auch nicht. Immerhin ist man mit nichts gekommen und selbst man wieder mit nichts in der Hand geht - hat man nichts verloren.
I mean, what have you got to lose? You know, you come from nothing You're going back to nothing What have you lost? Nothing!
Ein humorvolles Statement dazu, dass das Leben n Lacher und der Tod auch nur ein Witz ist.
Life's a piece of shit When you look at it Life's a laugh and death's a joke, it's true You'll see it's all a show Keep 'em laughin' as you go Just remember that the last laugh is on you
An dieser Stelle kann ich nur empfehlen, sich mal die komplette Trauerrede von John Cleese anzuhören, die er zur Beerdigung seines Monty Python-Kollegen Graham Chapman gegeben hat. Hier ein kleiner Auszug:
"I guess that we're all thinking how sad it is that a man of such talent, such capability and kindness, of such intelligence should now be so suddenly spirited away at the age of only 48, before he'd achieved many of the things of which he was capable, and before he'd had enough fun. Well, I feel that I should say: 'Nonsense. Good riddance to him, the freeloading bastard! I hope he fries.' And the reason I think I should say this, is: He would never forgive me if I didn't, if I threw away this opportunity to shock you all on his behalf." - John Cleese
Der Tod ist ein schweres Thema - aber sollte nicht ignoriert werden
Wir müssen ihn als essenziellen Bestandteil des Lebens akzeptieren. Was nicht heißt, dass es dann kein Problem ist, mit dem Verlust von geliebten Menschen umzugehen. Es kann dadurch jedoch ein bisschen einfacher werden. Und uns dabei helfen, das Leben wertzuschätzen und es so gut zu genießen, wie es eben geht.
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