Messie-Syndrom - mehr als nur Unordnung

Messie-Syndrom - mehr als nur Unordnung

Veronika Schröter über pathologisches Horten

Faul und unordentlich? Mit diesen Vorurteilen gegenüber Menschen mit Messie-Syndrom will Veronika Schröter aufräumen. Sie erzählt, wo Unordnung aufhört und Horten anfängt.


Wenn Unordnung zur Krankheit wird

Der Klamottenstuhl oder das dreckige Geschirr in der Spüle. So ein bisschen unordentlich sind wir ja alle. Aber es gibt auch Menschen, für die Unordnung in ihrem Leben zum Problem wird. So weit, dass man von einer Krankheit spricht: Pathologisches Horten, umgangssprachlich auch als Messie-Syndrom bezeichnet.

Veronika Schröter im Interview

Veronika Schröter hilft diesen Menschen mit Messie-Syndrom. Dafür hat die Therapeutin sich selbstständig gemacht und das erste Messie-Zentrum deutschlandweit in Stuttgart eröffnet und damit sogar bewirkt, dass das Messie-Syndrom in die Krankheitsklassifikation der WHO aufgenommen wird. Mit egoFM Moderatorin Elise hat sie über die Auslöser dieses Syndroms gesprochen und erklärt, wie sie es entstigmatisieren will.

"Menschen mit pathologischem Horten haben kein Problem, was Unordnung heißt. Es ist kein Ordnungsproblem, sondern eine Bindungstrauma-Folgeerkrankung, die dazu geführt hat, dass die Menschen angefangen haben, die Dinge bei sich herum aufzutürmen. […]. Es geht um Turmbildungen, es geht darum, dass es als Platzhalter dient für Gefühle, die nicht gefühlt werden wollen und interessanterweise hilft Stapelbildung, dass Menschen Gefühle dadurch nicht fühlen müssen." – Veronika Schröter

Das komplette Gespräch kannst du hier hören:
  • Veronika Schröter im Interview
    Das komplette Gespräch zum Anhören


Bindungserfahrungen über Gegenstände

Menschen horten also nicht, weil sie stolz auf ihren Besitz sind, sondern weil sie darüber die Bindungserfahrungen machen können, die ihnen früher verborgen blieben. Und noch ein wichtiger Punkt: Gegenstände beschimpfen nicht und laufen nicht weg. Damit können Betroffenen also die Aspekte nachholen, die sie früher nie ins Leben bringen durften, weil es nicht erwünscht war, erzählt Veronika Schröter.

Vorurteile: Arm, faul, ungepflegt?

Wie sieht der oder die typische Messie aus? TV-Sendungen im Nachmittagsprogramm haben unter anderem dazu beigetragen, dass viele von uns bestimmte Klischees im Kopf haben. Veronika Schröter erzählt allerdings, dass diejenigen, die zu ihr kommen, diesen Vorurteilen oft nicht entsprechen.

"Es ist die Mittel- und Oberschicht. Es sind Menschen, die ganz häufig Stellungen und Positionen in sich haben […]. Sie sind in der Lage, im Außen auch wunderbar Ordnung zu halten, Ordnung halten ist nicht Problem, sondern sie engagieren sich, sie bringen sich wahnsinnig ein noch über die Arbeit hinaus, sind oftmals in vielen Ehrenämtern vertreten. Und sie kommend dann nachhause und die Menschen beschreiben mir, es wird ihnen energetisch wie der Stecker gezogen. Sie kommen heim und da geht so gut wie gar nix mehr. Und das weist auf das Bindungstrauma [hin]." – Veronika Schröter

Was hilft gegen das Messie-Syndrom?

Dagegen helfen soll einerseits Psychotherapie für die Traumata der Menschen, und zwar die sogenannte identitätsentwickelnde und integrative Messie-Therapie. Außerdem braucht es laut Veronika Schröter auch ausgebildete Messie-Fachkräfte, die vor Ort im Wohnraum mit den Menschen ihre Umgebung aufbereiten. Dabei geht es dann nicht darum, alles in Säcke und Kartons zu stecken, sondern sich zu fragen:

"Wer bin ich denn jetzt, wenn ich ich sein darf und wenn die Welt der Dinge erweckt [wird]?" – Veronika Schröter

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