Schafe zählen vorm Einschlafen, sich im Kopf vorstellen, wie man die neue Wohnung einrichtet oder beim Lesen "Kino im Kopf" entstehen lassen - für die einen ganz normal, für andere einfach nicht möglich.
Keine Bilder im Kopf
Merlin Monzel forscht zum Thema Aphantasie, ist selbst betroffen und hat mit uns über seine Erfahrungen gesprochen.Aber zuerst: Was ist Aphantasie eigentlich?
"Aphantasie wäre die Abwesenheit oder starke Reduktion des sensorischen, willentlichen Vorstellungsvermögens. Und das ist auch ganz ganz wichtig, dass wir hier diese zwei Einschränkungen haben, einmal das Willentliche, weil zum Beispiel träumen möglich ist, was eben nicht willentlich geschieht, und auch dieses Sensorische, weil ich kann schon fantasievoll sein, ich kann mir Geschichten ausdenken, ich sehe dazu aber keine Eindrücke, die Bilder, Geräusche oder Geschmäcker." - Merlin Monzel
Wenn Aphantasist*innen zum Beispiel versuchen, sich einen Apfel vorzustellen, ist da einfach nur eine Leere beziehungsweise eine Schwärze - "Es ist einfach nichts", sagt Merlin.
Aphantasie ist allerdings keine Krankheit und zeigt beim Großteil der Betroffenen auch keine Beeinträchtigung des Lebensstils oder einen großen Leidensdruck. Merlin ergänzt aber, dass es schon eine Subgruppe gibt, die sehr stark unter der Aphantasie leidet - das ist allerdings eher die Ausnahme, sagt er.
Die größte Zeit seines Lebens hat die Aphantasie überhaupt keinen Einfluss auf Merlin.
Er ist schließlich so geboren, das heißt, für ihn war das schon immer normal und er wusste lange nicht mal, dass andere Menschen anders denken. Seit dem er das weiß, ist er hin und wieder traurig, weil er zum Beispiel Kernerinnerungen, die an Bilder geknüpft sind, verloren hat - im Großen und Ganzen merkt er aber nicht, dass ihn die Aphantasie irgendwie negativ beeinflusst.Im Gegenteil: Er hat mit vielen anderen Aphantasist*innen gesprochen, die tatsächlich berichten, dass sie zum Beispiel schneller Einschlafen, weil ihnen im Bett nicht mehr so viel im Kopf herumschwirrt.
Wie entsteht Aphantasie?
So hundertprozentig weiß man das bis heute noch nicht, erklärt Merlin. Es gibt die ersten FMRT Studien, die Hinweise darauf geben, das Aphantasie mit der Effizienzhypothese zusammenhängt - man geht davon aus, dass das Gehirn von Aphantasist*innen Schwierigkeiten hat, sich etwas vorzustellen und deswegen versucht, dieses Defizit auszugleichen und viele verschiedene Gehirnregionen gleichzeitig aktiviert."Ich benutze auch gern die Metapher von der Disco, wenn ich da irgendwie mit jemandem unterhalten möchte, muss ich halt sehr sehr laut Brüllen und egal wie laut ich brülle, dadurch, dass es um mich herum noch viel viel lauter ist, hört mich trotzdem nicht und so ist es dann auch mit den Neuronen im Gehirn, egal wie stark die Feuern, da drum herum auch alles feuert, kommt das Signal einfach nicht an." - Merlin Monzel
Das ist aber nur ein Erklärungsansatz - ein anderer bezieht sich auf die Konnektivität verschiedener Gehirnregionen und geht davon aus, dass Störeinflüsse nicht gut blockiert werden können. Im Interview mit egoFM Max erklärt geht Merlin näher auf die verschiedenen Erklärungsansätze ein und erzählt außerdem, was Hyperphantasist*innen sind. Das komplette Gespräch kannst du hier anhören:
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