Soccer Mommy: color theory

Soccer Mommy: color theory

Der Lieblingstonträger der Woche

Sie waren eine Zeit lang mal der ganz heiße Scheiß auf dem Schulhof: Stimmungsringe.


Jeder wollte aus nicht ganz nachvollziehbaren Gründen einen dieser merkwürdigen Ringe haben: Angeblich konnten die ja je nach Stimmung des Trägers die Farbe wechseln.

Ein kleiner, vielleicht nicht ganz so präziser Versuch, Gefühle und Farben zu verknüpfen. Die Musik ist da schon ein Stück weiter: Emotionen zu vermitteln ist schließlich das Kernhandwerk von jedem guten Song.

Und jetzt kommt Soccer Mommy und setzt noch einen oben drauf: Sie schafft es Farben, Gefühle und Musik in einen Topf zu werfen – und macht daraus ein beeindruckend emotionales, persönliches Statement.




Farbenspiel ohne Wind

Das zweite Album von Sophie Allisons Band Soccer Mommy trägt nicht nur den Namen color theory – Das Spiel mit den Farben geht noch viel weiter. Sophie hat das Album in drei Phasen eingeteilt und jede Etappe bekommt sowohl ihre eigene Farbe als auch ihre Emotion zugeteilt:

Es beginnt mit dem blauen Abschnitt, der sich um Sophies Kampf mit Depressionen dreht. In der gelben Phase muss sie sich mit physischen Gebrechen herumschlagen und der abschließende graue Teil der Platte dreht sich um Tod und Verlust.

Du merkst schon: color theory ist trotz aller Farbenpracht alles andere als eine locker-fröhliche Feelgood-Platte geworden.

"My room is a kingdom for the princess of screwin' up /And I'll be the dragon I'll hold me captive / My world is sinking and I am the captain of it all."

Songs wie "royal screw up" oder "stain", die fast nur mit Gesang und stoisch angeschlagener Gitarre auskommen, können ziemlich schmerzhaft ins Herz treffen.

color theory bleibt aber nicht komplett düster: Sophie streut immer wieder Harmonien und Melodien ein, die fast schon wie Sonnenstrahlen durch die düstere Melancholie Wolkendecke brechen.


So klingt Soccer Mommys zweites Album fast wie der Soundtrack zu einem bittersüß emotionalen Coming of Age-Streifen.


PJ Harvey trifft Avril Lavigne

Zugegeben: Leicht melancholisch bis düsteren Indie Folkrock gab es in letzter Zeit öfters. Trotzdem sticht Soccer Mommy auch hier noch einmal durch einen besonderen Kniff heraus: Sophie Allison holt sich einfach das Beste aus der Popmusik der Jahrtausendwende mit dazu. Also aus der Zeit, aus der unsterbliche Karaoke-Guilty Pleasures wie "Complicated" von Avril Lavigne oder "Torn" von Natalie Imbruglia stammen.

So besticht "circle the drain" mit einem elektronischen Drumloop im Hintergrund, in "gray light" darf sogar ein DJ scratchen und "crawling in my skin" zitiert diese eine große Rockband, von der im Nachhinein keiner zugeben will, dass er sie rauf und runter gehört hat.

Wer jetzt beim Lesen fürchtet, Soccer Mommy könnte in bedeutungslosen Stangenwarenpop abdriften, darf sich aber gleich wieder entspannen:


Die Popzitate aus den 2000ern sind subtil genug eingesetzt und wirken an keiner Stelle flach. Sophie Allison bringt also nicht nur Farben, Musik und Emotionen zusammen: Am Ende des Tages bekommt sie sogar Indie und Pop unter einen Hut.

Mit einem Album, das zwar durchwegs düster klingt, aber doch immer kleine Hoffnungsschimmer parat hat.



Tracklist: Soccer Mommy - color theory

01 bloodstream
02 circle the drain
03 royal screw up
04 night swimming
05 crawling in my skin
06 yellow is the color of her eyes
07 up the walls
08 lucy
09 stain
10 gray light
color theory ist am 28. Februar bei Caroline erschienen.

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