Selbstliebe wird hier mal ganz schön rotzig vorgetragen.
Auf dem Schulhof streitet man sich eben.
Darüber, welche Sportmannschaft die beste ist, welche Handymarke am coolsten ist - und manchmal auch über Musik. Vor allem früher gab es da noch zwei gerne mal verfeindete Lager: Die Hip Hop Kids und die Nachwuchsrockstars. Und anstatt einfach zu akzeptieren, dass man sich damit nur selbst richtig viel guter Musik verschließt, musste das ganze natürlich in eine riesengroße Lagerfrage verpackt werden.Wie albern die ganze Streiterei eigentlich immer schon war, zeigt Slowthai.
Denn für sein neues Album lässt der britische Rapstar seine ganze Liebe zum Punk raus.
Comeback der Leidenschaft
Auf dem Schulhof wäre der junge Tyron eigentlich lieber im Rockerlager unterwegs gewesen. Aber zum Singen reichte sein Selbstbewusstsein damals nicht - und außerdem waren die eher privilegierten Kids wohl generell ziemlich arschig zum Jungen aus der Unterschicht: Sein Künstlername kommt immer noch daher, dass er damals "langsamer Tyron" also Slow-Thai genannt wurde.Im sozialkritischen, düsteren Rap fand Slowthai dann aber doch ziemlich schnell seinen Platz in der Musikwelt - und außerdem genug Selbstvertrauen, um auf der Bühne einer Boris-Johnson-Puppe den Kopf abzureißen.
Der Punk steckte also ziemlich eindeutig immer noch in ihm - und auf UGLY öffnet er ihm Tür und Tor.
Der Opener "YUM" setzt zwar noch auf Industrial Beats und das wohl bedrohlichste Atmen der Musikgeschichte. Aber schon "Selfish" klingt klassisch nach astreinem Punk - mit Synthiebass, verzerrten Gitarren und in der Mitte ein Slowthai, der bärbeißig ins Trommelfell knurrt. Das Punkgewand steht dem Briten unheimlich gut: Egal ob es eher an The Clash erinnert wie bei "Sooner" oder bei "Wotz Funny" an die Sex Pistols. Und selbstverständlich schadet es auch nicht, dass er sich für das Album Unterstützung von Fontaines D.C. geholt hat - bekanntlich absolute Fachkräfte für Punk aus der Gegenwart.
Trotzdem hat Slowthai den Rapper in ihm nicht komplett in den Ruhestand geschickt: Sein Sprechgesang passt eh schon ziemlich gut zum Punksound und wenn er mal das Tempo drosselt und für "Never Again" das Klavier ins Zentrum stellt, kommen fast schon Erinnerungen an The Streets hoch.
Schmerzhafte Selbstliebe
Im Sound geht Slowthai gerne mal über die ein oder andere Schmerzgrenze: UGLY ist bestimmt kein seichtes Nebenbei-Album, zu dem man entspannt sein Erdbeerkuchenstück verputzt - sondern eine Platte, die ohne Kompromisse in das Seelenleben eines ziemlich zerrissenen Künstlers eintaucht. Und zwar ohne Warmlaufphase: UGLY beginnt im Therapiezimmer und wird schnell zu einem wilden Labyrinth aus Süchten, Selbstzweifeln, Anforderungen und Scheinheiligkeit. "Selfish" hinterfragt zum Beispiel, wie der jetzt so erfolgreiche Slowthai immer noch glaubwürdige Sozialkritik in seine Songs packen kann und "Fuck It Puppet" vertont den Streit mit dem inneren Teufel beeindruckend intensiv.Aber UGLY ist nicht rein düster, sondern vielmehr ein wütender Befreiungsschlag.
Der Albumtitel steht nämlich nicht einfach nur für hässlich, er soll ein Akronym sein: Für "U Gotta Love Yourself" - Du musst dich selbst lieben, egal wie schwer das ist.
Und genau mit UGLY wird Slowthai erst recht kein Künstler, der von allen Seiten geliebt wird. Dafür ist der Sound zu kratzig und manche Kontroversen dann eben doch zu schwer zu verdauen. Aber UGLY ist ein beeindruckend schonungsloser Versuch, alte Fehler wettzumachen und aus allem mentalen Elend noch etwas Positives zu ziehen.
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