Wenn man schon über gebrochene Herzen trauern muss, kann man sich wenigstens in Sam Vance-Law verlieben.
Klar, jeder Mensch trauert anders. Aber ganz grob müssen wir beim Herzschmerz wohl alle dem gleichen ekelhaften Pfad folgen.
Erst will man das Geschehene nicht wahrhaben, oder man tut einfach so, als wäre es keine große Sache. Dann kommt erst mal grenzenlos unkonstruktive Wut, bevor man bereit dazu wird, sich an den gerne auch imaginären Verhandlungstisch zu setzen, um das Geschehene rückgängig zu machen. Aber weil das meistens nicht hinhauen möchte, wird die vierte Phase des Trauerns meistens einfach nur "Depression" genannt. Bis man dann eines Tages aufwacht und sich plötzlich alles ein kleines bisschen weniger beschissen anfühlt als die Tage davor.Das Ziel liegt also klar vor Augen. Das Problem ist nur: Diese "Fünf Phasen der Trauer", die schon von so gut wie jeder Serie von den Simpsons über The OC bis hinzu Scrubs behandelt wurden, können sich auf widerlichste Art und Weise in die Länge ziehen. Genau für solche Zeiten ist es wichtig, jemanden zu haben, der*die genau versteht, was man gerade durchmachen muss.
Und für den Fall der Fälle liefert Sam Vance-Law jetzt die akustische Schulter zum Ausheulen.
Zerbrochene heile Welt
Eigentlich war doch alles so schön im Leben von Sam. Der Kanadier hatte sich richtig gut in Berlin eingelebt, sich mit Casper, Drangsal, Tristan Brusch und noch vielen anderen einen richtig netten Freundeskreis aufgebaut und seine Musik, die er eigentlich nur zum Spaß geschrieben hat, machte ihn zum preisgekrönten Newcomer. Aber ein Aspekt litt dann eben doch gewaltig: Und zwar Sams Beziehung. Kurz nach dem Release von Homotopia wurde das "Gayby" zum Trennungskind. Das einzige positive im tiefen Tal der Tränen? Das Thema für das zweite Album war ein No Brainer.Man merkt Goodbye schon an, dass es eine Platte ist, die Sam nicht unbedingt schreiben wollte. Auf seinem Debüt hat sich der Kanadier noch lieber in viele verschiedene Rollen hineinversetzt, anstatt die eigene Geschichte zu erzählen. Und außerdem schreibt Sam auch lieber glückliche Songs. In "Kiss Me", ein Song, den man in Phase Drei – Verhandeln – einordnen kann, singt er unmissverständlich:
"It’s a shame I have to write all those words about a love that went so wrong."
Sam hätte es sich sicherlich anders gewünscht – aber Goodbye ist eben eine Platte, die er schreiben musste.
Die Phase Eins – Leugnen – überspringt er dabei größtenteils: Die Songs handeln von Trauer, Wut und hilflosem Kampf. Langweilig wird das an keiner Stelle: Denn Sam schafft es jeden Song auf andere Art und Weise schmerzhaft ins Ziel treffen zu lassen. So stellt "Icarus" die Frage auf: Kann man jemanden, der trotz aller guten Ratschläge gegen die Sonne fliegen möchte, überhaupt aufhalten? "Kiss Me" versucht den*die Partner*in mit all den Dingen, die noch nicht getan wurden, zum Bleiben zu überreden und "Too Soon" trauert um die jetzt niemals mehr eintretende Zukunft.
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